Multimedial beraten und besprechen
Es ist ein schon längst überholtes und veraltetes Bild: Der Zahnarzt als reiner Behandler und Beseitiger von Schmerzen, von Stuhl zu Stuhl hetzend, kommunikativ beschränkt auf „Hallo“, „Weit aufmachen“ und „Wiedersehen“. Mit zunehmender Zahnarztdichte und vor allem auch zunehmender Kritikfähigkeit des Patienten – nicht zuletzt aufgrund vielfältiger Informationsquellen, wie etwa dem Internet – steigt der Verifizierungs- und Aufklärungsbedarf exponentiell an. Und gerade, wenn es zum Beispiel um ästhetische Wunschleistungen geht, nimmt die Kommunikation zwischen Arzt und Patient auch im Sinne einer Behandlungsziel- Definition fast schon mehr Raum ein als die technische Ausführung.
In der modernen Praxis von heute ist die Kommunikation zwischen dem Zahnarzt und seinem Team auf der einen und dem Patienten auf der anderen Seite zu einem wesentlichen Bestandteil geworden. Im Gespräch werden Patienten aufgeklärt und beraten, Behandlungsmöglichkeiten werden besprochen und Alternativen aufgezeigt. Im Sprechzimmer wird miteinander geredet – und die „Chairside Communication“, das Patientengespräch am Behandlungsstuhl, profitiert immer mehr vom Einsatz moderner Multimedia-Lösungen.
Multimedia-Möglichkeiten
Standen dem Zahnarzt bis vor einiger Zeit vor allem Printmedien und audiovisuelle Medien wie etwa Videofilme zur Verfügung, um Informationen an seine Patienten weiterzugeben, so bietet die EDV weitere und bessere, weil multimediale Möglichkeiten. „Multimedia“ meint dabei zunächst nicht mehr, als einen gleichzeitigen Einsatz von Bild und Ton, erweitert um Veränderung auf der Zeitschiene. Den entscheidenden Unterschied stellt aber die Interaktivität dar – der Zahnarzt kann seinem Patienten gezielt Informationen und Inhalte zeigen und präsentieren. Die „Chairside Communication“ kann sicherlich auch in EDV-Konzepte zur Praxisverwaltung integriert werden. Dann befinden sich sämtliche Informationen dort, wo der Zahnarzt sie primär benötigt – und wo der Patient sie auch erwartet: nämlich direkt an der Behandlungseinheit. Alle angeschlossenen Geräte und auch die Praxis-EDV können von einem Bildschirm aus gesteuert und alle benötigten Informationen von hier aus abgerufen werden.
• Die Krankengeschichte des Patienten lässt sich auf dem Bildschirm anzeigen.
• Digitale Röntgenaufnahmen beziehungsweise CT-Bilder können betrachtet werden.
• Intra- und Extraorale Kamerabilder lassen sich darstellen.
• Spezielle Programme, Illustrationen, Filmsequenzen und Animationen zur Patientenaufklärung und Entscheidungsunterstützung können eingesetzt werden.
Prof. Dr. Ina-Veronika Wagner, Dental-Informatikerin an der Universität in Viseu, betont, dass bei einer vernetzten „Chairside Communication“ eine gemeinsame Plattform aller integrierten Informationsquellen ebenso wichtig ist wie die Berücksichtigung physiologisch- ergonomischer sowie kognitiv-ergonomischer Gesichtspunkte. Ihr Forschungsprojekt „ORQUEST“ (siehe auch zm 23/2000) testete daher ein Kommunikationskonzept, welches alle klinischen Infomationen für Diagnostik, Therapie und Patientenbetreuung arbeitssituationsgerecht direkt am Behandlungsplatz verfügbar macht. Neben Flachbildschirm und Sprachsteuerung ist vor allem die kognitiv-ergonomische Präsentation und Visualisierung klinischer Informationen ein zentraler Faktor.
Gespräch im Mittelpunkt
Das Gespräch zwischen Zahnarzt und Patient steht im Mittelpunkt der Praxis. Hierbei handelt es sich aber nicht um einen Monolog des Behandlers, sondern um einen Dialog, der von medizinischer Kompetenz auf der einen und individuellen Wünschen auf der anderen Seite bestimmt wird. Ziel eines Zahnarzt-Patienten-Gesprächs ist ein konkretes Ergebnis in Hinsicht auf die zu planende und durchzuführende Behandlung. Die Kommunikation mit dem Patienten konzentriert sich in der Zahnarztpraxis insbesondere auf zwei Bereiche – die Visualisierung von Zahnersatz-Planungen und den Wissenstransfer von Behandler zu Behandeltem. Letzteres gilt für zahlreiche Felder:
• Ästhetik
• Implantologie
• Prophylaxe
• Parodontologie
• (Endodontie)
• Kieferorthopädie
• Chirurgie
• Ganzheitliche Zahnheilkunde
Die Organisation dieser Beratung im Praxiskontext führt zu einer konzeptionellen Abgrenzung, die unterschiedliche Möglichkeiten definiert (siehe Tabelle).
Soweit es sich mit Behandlung oder Beratung beschäftigt, findet das Gespräch zwischen Zahnarzt und Patient heutzutage am Behandlungsplatz statt. Die Dentalindustrie hat dies schon vor einiger Zeit erkannt, entsprechende Einheiten entwickelt und auf den Markt gebracht.
Was die Ausstattung des Beratungsbereichs betrifft, so ist diese von den eingesetzten Medien abhängig. Der Computer kann hierbei als das zentrale Instrument gesehen werden, weshalb ein Bildschirm als wesentlicher Bestandteil zur „Chairside Communication“ gehört. Aber auch Printmedien oder Modelle können zum Einsatz kommen; letztere speziell, um den Patienten plastisch und im wörtlichen Sinne „begreifbar“ über Behandlungs- und Versorgungsmöglichkeiten zu informieren. Auch temporäre Demonstrationsmaßnahmen wie zum Beispiel das explorative Provisorium haben gerade in der ästhetischen Zahnmedizin wieder einen neuen Stellenwert gewinnen können und sind einer „Imagingsoftware“ in mancher Hinsicht überlegen.
Erfolgreich kommunziert
Der Erfolg von „Chairside Communication“ ist daran zu messen, ob die Informationen des Zahnarztes auch seinen Patienten erreichen, ob sie von ihm aufgenommen werden und nachhaltig wirken können. Je mehr kommunikative Kanäle genutzt werden, desto größer ist der Effekt. Bei einem Beratungsgespräch sollte also auf möglichst unterschiedliche Medien und möglichst viele Formen der Präsentation zurückgegriffen werden: Text, Ton, Bild und Modelle.
Eine multimediale Präsentation mithilfe eines EDV-Systems kann mehrere Darstellungsformen miteinander kombinieren. Zwar ist durchaus kontrovers zu diskutieren, ob Bilder auf einem PC-Bildschirm besser wirken als in einem gedruckten Buch. Ebenso ist zu fragen, ob der Einsatz neuer Medien gerade ältere Patienten überfordert oder abschreckt. Auf der anderen Seite arbeitet die Medizin – auch und gerade die Zahnmedizin – intensiv mit neuen, computergestützten Technologien. Daher scheint der Einsatz neuer Medien auch in der Patientenaufklärung eine fast zwangsläufige Konsequenz zu sein. Kein digitales Medium kann jedoch fehlende Empathie des Behandlers kompensieren. Die fortschrittlichste Multimedia-Technik kann das persönliche Gespräch lediglich unterstützen, aber nicht ersetzen. Zahnmedizin ist und bleibt höchstpersönlich.
Dr. med. dent. Henry SchneiderRurstr. 47a52441 Linnich