Pionierarbeit für europataugliche Politik
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Der zweite Europatag der Bundeszahnärztekammer (siehe auch die Titelberichte in diesem Heft) hat gezeigt: Die Dynamik hin zu einer neuen Identität in Europa ist nicht mehr aufzuhalten. Ob so mancher deutsche Politiker es will oder nicht: Unser Gesundheitswesen ist in weiten Teilen eng mit der europäischen Entwicklung verflochten. Die fünfte Erweiterungsrunde der EU ist die umfangreichste in ihrer Geschichte und verläuft in einem Rekordtempo. Welche konkreten Folgen dies auf die zahnärztliche Berufsausübung haben wird, vermag niemand im Moment exakt zu überblicken. Chancen bieten sich bei der Patientenmobilität, aber auch bei unseren eigenen beruflichen Perspektiven. Es ist anzunehmen, dass es im Rahmen der Ost-Erweiterung Wanderungsbewegungen von Angehörigen der Gesundheitsberufe, auch von Zahnärzten, geben wird. Das Ausmaß ist unklar, aber eines scheint festzustehen: Die Befürchtung mancher Kritiker hier in diesem Land, dass dann eine Lawine losgetreten wird, läuft sicherlich ins Leere.
Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Wir müssen uns nur rechtzeitig vorbereiten. In diesem Zusammenhang sind für uns Zahnärzte zwei Aspekte relevant:
Erstens, die Qualitätssicherung. Es ist sinnvoll, dass grenzübergreifende Synergieeffekte erzeugt werden. Es ist notwendig, dass dabei Qualitätsstandards eingehalten werden und dass eine Transparenz der Leistungen erfolgt.
Zweitens, die Regelung von Übergangsfristen bei der Anerkennung von Berufsqualifikationen. Hier klaffen noch Lücken, das Ausbildungsniveau ist sehr unterschiedlich. Deshalb hat die Bundeszahnärztekammer gefordert, dass die EU-Richtlinie für Gesundheitsberufe aus den Beitrittsländern erst nach einer Übergangsfrist gelten soll. Von uns sehr befürwortet wird die Anwendung der Methode der offenen Koordinierung auch auf den Bereich der Gesundheit. Dadurch können gemeinsame Lösungsansätze gefunden werden, ohne den historisch gewachsenen Charakter der einzelnen nationalen Systeme zu zerstören.
Die Bundeszahnärztekammer ist sehr stolz darauf, dass die Zahnärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe gemeinsam mit den niederländischen und belgischen Zahnärzteverbänden das Modellprojekt euregiodent ins Leben gerufen hat. Hier wird wirkliche Pionierarbeit geleistet. Auf Bundesebene gestaltet die BZÄK über das Brüsseler Büro die Erweiterung aktiv mit. Ein Vertreter der BZÄK konnte an den von der EU organisierten Expertenreisen in die Beitrittsländer teilnehmen, bei denen es um die Eruierung des Ausbildungslevels geht. Deshalb konnten wir bei der EU über die deutsche Berichterstattung die Übergangsfristen empfehlen. Wir stehen außerdem in engem Kontakt mit den mitteleuropäischen Zahnärzteverbänden.
Die BZÄK hat auch entscheidend dabei mitgewirkt, den Zahnärztlichen Verbindungsausschuss zur EU (ZÄV) für die erweiterte Union zu rüsten. Außerdem ist die BZÄK Mitglied in der europäischen Plattform der Heilberufe und arbeitet an einem gemeinsamen Positionspapier zur Mobilität der Angehörigen der Gesundheitsberufe mit.
Geplant ist weiterhin ein Novum, nämlich ein parlamentarischer Abend, den der ZÄV am 13. November 2003 mit Abgeordneten aus denjenigen Staaten veranstalten wird, die ab nächstem Jahr der EU beitreten.
Wir in Deutschland müssen uns nicht verstecken, sondern können uns beruhigt dem europäischen Wettbewerb stellen. Voraussetzung allerdings ist, dass das deutsche Gesundheitssystem endlich europatauglich gemacht wird. Das bedeutet, dass wir uns von der Sachleistung abwenden und der Kostenerstattung zuwenden. Das heißt auch, dass dem deutschen Gesundheitssystem mit seinem lähmenden Überdirigismus eine klare Absage erteilt werden muss. Es gilt, diesen Gedanken in den Köpfen der Politiker, aber auch in den Köpfen unserer Kollegenschaft zu etablieren. Steter Tropfen höhlt den Stein.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang SprekelsVizepräsident der Bundeszahnärztekammer