Politik ohne Mut und Wirkung
„Ich glaube, nicht einmal die Finnen sind zu längeren Wortschöpfungen in der Lage.“ Mit seiner launigen Eingangsbemerkung zum „Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz“ (GMG) hatte Prof. Dr. Fritz Beske natürlich die Lacher auf seiner Seite. Ansonsten gab es für das Podium aber kaum einen Grund, das 38 Buchstaben lange Sprachungetüm amüsant zu finden. Die Diskussion über das GMG und über die erklärte Absicht der Regierung, die Beiträge der Krankenversicherung unter 13 Prozent zu drücken, stand an vorderster Stelle im Themenkatalog des Kieler Podiums. „Kommt es wirklich zu einer Absenkung?“, fragte Beske seine Gäste. „Und wenn ja, wann?“ Für Gudrun Schaich- Walch, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, war klar, dass es bis zum Ende des laufenden Jahres durchaus noch Beitragserhöhungen geben kann. „Man könnte das Ziel 2005 oder 2006 erreichen – wenn nicht Unvorhergesehenes eintrifft.“ Dass Beitragssenkungen ein richtiges Ziel seien, wurde auch von Annette Widmann-Mauz, gesundheitspolitische Sprecherin der Unions-Fraktion, unterstützt. Jedoch sei es ein „gewaltiger Irrtum“, davon auszugehen, dass die angepeilten Einsparungen von 20 Milliarden Euro ausreichen würden. Dr. Hans Jürgen Ahrens, Vorstandsvorsitzender des AOKBundesverbandes, konterte mit einer düsteren Prognose: „Wir werden in diesem Jahr, wenn es böse kommt, ein Defizit von zwei Milliarden Euro haben.“ Seiner Ansicht nach wäre es fatal, den Beitragssatz heraufzusetzen, um ihn anschließend wieder absenken zu können. Auch der Hauptgeschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Rainer Hess, sah „keine Chance der Nachhaltigkeit“; es sei „gefährlich, der Bevölkerung zu versprechen, dass die Beiträge unter 13 Prozent sinken und dort auch stabil bleiben“.
Für Dr. Dr. Jürgen Weitkamp, Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), ist die aktuelle Beitragsdiskussion Ausdruck und Zeichen eines „Staatsmonopolistischen Kapitalismus“. Anstelle einer weiteren Umlagenfinanzierung müsse das Thema „Wettbewerb“ in der Gesundheitsreform Einzug finden.
Ein weiterer Aspekt des GMG beschäftigte das Podium ebenso sehr wie die Beitragsdiskussion – nämlich die geplante Stärkung der Krankenkassen durch den Abschluss von Einzel- anstelle von Kollektivverträgen. „Viele Ärzte haben mir gesagt“, so AOK-Chef Ahrens, „dass sie Einzelverträge wollen.“ Dies bedeute aber nicht, „dass wir aus dem System der KVen unbedingt raus müssen“.
Für KBV-Geschäftsführer Hess war allerdings klar: „Ahrens und das GMG wollen das Einkaufsmodell – und das hat nichts mit einer größeren Eigenverantwortung für den Patienten zu tun.“ Da die AOK sich „mit dem Einkaufen leicht tue“, sei auch klar, dass es sich beim GMG um „ein AOK-gesteuertes Gesetz“ handele. Ein Argument, dass von Johannes M. Metzger, Präsident der Bundesapothekerkammer, unterstützt wurde: „Für die AOK ist es komfortabel, von Einkaufsmodellen zu reden – kein Wunder, wenn man in einem Bundesland wie Bayern mehr als 40 Prozent aller gesetzlich Versicherten bei sich hat.“
„Das GMG ist kein Gesetz des Wettbewerbs, sondern der massiven Steuerung“, betonte BZÄK-Präsident Weitkamp. In einem echten Wettbewerb stünden die Kassen differenziert nach Leistungsangeboten und Beiträgen auf der einen und die Zahnärzte mit unterscheidlichem Leistungen und unterschiedlichen Honoraren auf der anderen Seite; der Patient sucht sich den zu ihm passenden Partner. „Ich bin froh, dass mein Berufsstand sich zu einem echten, vollen Wettbewerb bereit erklärt hat.“ Weitkamp ergänzte sein Statement um die Forderung, dass die Prävention einen deutlich höheren Stellenwert im GMG erhalten müsse.
„Es freut mich“, so Beskes Fazit nach einer intensiven Diskussion, „dass soviele von Ihnen das Gesetz wirklich gelesen haben.“ Apotheker- Präsident Metzger konterte mit einem Augenzwinkern: „Ja, wir haben es bald täglich gelesen – so oft kamen ja schließlich auch neue Fassungen heraus.“