Die Kosten der Bürokratie
Rainer Vollmer
Gesundheitspolitischer Parlamentskorrespondent
Alle, zumal die Politiker von rot-grünschwarz, reden davon, dass mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz Kosten gespart werden. Aber keiner sagt, dass dieses nach dem Motto geschieht: „Wir müssen sparen, koste es was es wolle.“
Die neben den Beiträgen von den Versicherten erhobenen Zuzahlungen von rund 3,2 Milliarden Euro können nach Paragraf 33 des EStG als außergewöhnliche Belastung abgesetzt werden. Bei 40 Millionen Steuererklärungen im Jahr dürften nach Expertenschätzung mehr als 500 Millionen Euro weniger Steuern gezahlt werden. Zu den nach Aussagen der Politiker „unbürokratischen Regelungen“:
• Zahnersatz-Tarife: Eigentlich müsste der Versicherte seine Prämienzahlungen direkt an die Krankenkasse leisten, die aber fast keine Einzelkontoführung kennt. Vermutlich wird der Arbeitgeber – gegen verfassungsrechtliche Bedenken – gezwungen, die Prämienzahlungen gleichzeitig mit den Sozialversicherungsbeiträgen abzuführen. Er muss seine Computerprogramme umstellen. Mindestens ein Tag je Arbeitgeber bei zwei Millionen einschließlich DATEV für kleinere Betriebe und Freiberufler sind zu rechnen. Fazit: Einmalige Ausgaben von mindestens einer Milliarde Euro.
• Praxisgebühren: Der Arzt muss dem Patienten eine Quittung geben. Kosten: rund 300 Millionen Quittungen im Jahr mal 0,20 Euro. Die Mitteilung an die KVen, die dortige elektronische Verarbeitung, der Abgleich mit den Honoraren des Arztes, die Übermittlung an die jeweilige Krankenkasse dürften je Fall 2,50 Euro kosten. Muss der Arzt ein Inkassobüro einschalten, weil der Versicherte nicht zahlt, hat er an das Inkassobüro eine Erfolgsprämie von 50 Prozent zu zahlen. Fazit: 300 Millionen mal 2,70 Euro sind 810 Millionen Euro. Bei Einschaltung eines Inkassobüros verbleiben dem Arzt 2,30 Euro zu versteuerndes Honorar. Da die Kasse zehn Euro gegenrechnet und vom Honorar abzieht, arbeitet der Arzt mit 7,70 Euro Verlust.
• Gemeinsamer Bundesausschuss: Seine Arbeit nimmt zu. Das Personal wird aufgestockt. Fazit: Jährliche Zusatzkosten von rund zwei Millionen Euro.
• Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen: Dieses Institut dürfte mit mindestens 15 bis 20 hauptamtlichen und etwa 30 nebenamtlichen Kräften besetzt werden. Die Finanzierung ist lächerlich geordnet: Krankenkassen, Krankenhäuser und Vertragsärzte zahlen jeweils. Aber: Kliniken und Ärzteschaft erhalten bei ihren Vergütungen einen Erlösausgleich von den Krankenkassen, wobei jede Klinikrechnung diesen Zuschlag ausweisen muss. Das schafft Bürokratie und hat nur den unsinnigen Zweck, diese Ausgleiche als Leistungsausgaben zu deklarieren und bei den Krankenkassen nicht unter Verwaltungskosten zu buchen. Fazit: zehn Millionen Euro Kosten.
• Belastungsgrenzen: Abgesehen von den Zeitkosten des Versicherten muss die Krankenkasse umfangreiche Unterlagen des Patienten sichten und zahlreiche Honorarbelege von Leistungserbringern für jeden einzelnen Versicherten heranziehen. Dann ist eine Bescheinigung auszustellen. Das dürfte insgesamt mindestens 15 Euro je Fall Verwaltungskosten verursachen. Bisher haben rund 50 Prozent der Versicherten die Härtefallregelung in Anspruch genommen. Demnächst dürften nur noch 15 Millionen Versicherte betroffen sein. Fazit: 225 Millionen Euro Verwaltungskosten.
• Korruptionsbeauftragte bei Kassen und K(Z)Ven: Es ist davon auszugehen, dass jede betroffene Institution eine Abteilung aufbaut; je drei Mitarbeiter dürften eingestellt werden. Bei 325 Krankenkassen, den KVen und KZVen sind das rund 1 200 neue Mitarbeiter. Fazit: Verwaltungskosten von 84 Millionen Euro.
• Datentransparenz, Datenübermittlung: Es gibt eine erhebliche Anzahl von neuen Bestimmungen über Datenerfassung, Datentransparenz und Datenübertragung. Dazu müssen bei Krankenkassen, K(Z)Ven und Kliniken die EDV-Abteilungen stark ausgeweitet werden. Dazu gibt es neue Arbeitsgemeinschaften, -gruppen und Beiräte sowie Vertrauensstellen. Die Verwaltungskosten werden mindestens 200 Millionen Euro im Jahr betragen.
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