Motivieren heißt das Zauberwort
„Hokuspokusfidibus!“ Zwanzig aufgeregte Zauberlehrlinge murmeln die magische Formel und ziehen an beiden Enden ihres vorher sorgfältig verknoteten Seils: Potzblitz – der Knoten ist verschwunden, die Schnur wieder glatt. Zauberin Annalisa Neumeyer, zugleich diplomierte Sozialund Heilpädagogin, weiht ihre vorwiegend aus Prophylaxekräften und Zahnärzten des öffentlichen Gesundheitsdienstes bestehende Schülerschaft in die Geheimnisse der Zauberei ein. Eine „Zauberfortbildung“ – das ist doch eher nutzloser Zeitvertreib, allenfalls effektvoller Hokuspokus, könnte man meinen.
Die Angst „wegzaubern“
Doch weit gefehlt. Die Zauberkunst dient hier als wirksame therapeutische Methode, um die Atmosphäre aufzulockern und das Vertrauen der kleinen Patienten zu gewinnen. Schön wäre es doch, resümiert Neumeyer, wenn die Kinder den Zahnarztbesuch in positiver Erinnerung behielten und beim nächsten Mal weniger Angst hätten. Und da wirkten ein paar einfache Tricks aus der Zauberkiste Wunder: Zwischen „Zahnzauberer“ und Kind entstehe ein positiver Kontakt – selbst ängstliche und bockige Kinder arbeiteten plötzlich mit, und die Behandlung könne anschließend leichter vonstatten gehen.
„Kontakt herstellen und Motivation schaffen“ – so lauteten denn auch die Handlungsempfehlungen, die die gesamte Veranstaltung begleiteten.
Dies unterstrich auch die Diplom-Sprachheilpädagogin Ulrike Kopp. Mit dem Thema „Mundmuskelschwäche und Sprechstörungen“ war ihr Workshop etwas „technischer“ und „anatomischer“ ausgerichtet. Aber auch im logopädischen Bereich spiele der enge und gute Kontakt eine große Rolle: Nur motivierte Kinder wiederholten die Übungen regelmäßig, und nur das regelmäßige Üben bringe Erfolge im Hinblick auf eine korrekte Zungenlage und damit eine gute Aussprache, betonte Kopp. Aber wo im Mund liegt die Zunge eigentlich richtig? Nach einem kurzen Check sind sich die Teilnehmer einig: Ganz oben, direkt hinter den Schneidezähnen. Genau, bestätigt Kopp: „Dort hat die Zunge ihr „Hochbett.“ Bei betroffenen Kindern liege sie dagegen oft unten oder drücke gegen die Frontzähne. Die Folgen, erläutert Kopp, seien Sprech- und Schluckstörungen, Defizite in der Motorik, Hörprobleme und Zahnkieferanomalien. Eine rein kieferchirurgische Behandlung bringe in diesen Fällen aber gar nichts: Nur ein gezieltes logopädisches Training könne die Gesichtsmuskulatur aktivieren und die Beeinträchtigungen verringern.
Gut atmen, besser sprechen
Was tun, wenn die Stimme plötzlich weg ist? Diese Frage will die Kommunikationstrainerin Annette Weber-Diehl, Leiterin des Workshops „Atmung, Stimme und Ausdruck im Unterricht“, beantworten. Doch zuerst sollen die Teilnehmer selbst spüren, wo der „Knoten“ in Sachen Atmung sitzt. Tanzen ist angesagt! Eine rockige CD wird aufgelegt, dann heißt es für eine Viertelstunde richtig „Dampf ablassen“!
Aus der Puste, aber sichtlich entspannt und gelöst geht es an die nächste Übung: Sitzund Stehpositionen auf Bequemlichkeit und Atemvermögen testen. Einhellige Meinung: Die so genannten coolen Posen sinderstaunlicherweise gar nicht so bequem wie sie aussehen! Im Gegenteil – Lümmeln strengt an und blockiert die Atmung. Richtig, nickt Weber-Diehl. Gerade sitzen und stehen, dabei immer die stärksten Muskeln die Arbeit tun lassen – das sind die Faustregeln, die die Kommunikationsfachfrau den Anwesenden mit auf den Weg gibt. Denn, was viele nicht wissen: Die Spannungen des Redners übertragen sich in der Regel auf das Publikum. Einfacher ausgedrückt: Leidet der Redner unter Atemnot, bleibt auch den Zuhörern die Luft weg.
Sympathien wecken
Ging es in den Workshops vor allem um praktische Erfahrungen, so lieferten die Vorträge am Tag zuvor den theoretischen Einstieg ins jeweilige Thema. Dass Theorie nicht grau sein muss, bewies Diplom-Pädagoge Herbert Prange mit seinem Vortrag „Prophylaxe – was Psychologie alles kann“. Als Erstes stellte Prange klar: Vor der Schulklasse wie in der Zahnarztpraxis käme es darauf an, die Kinder für die Zahnpflege zu begeistern. Im ersten Schritt sollten die Zahnprofis daher versuchen, Sympathien aufzubauen, riet Prange. Damit die Botschaft vom Zähneputzen auch ankommt, empfiehlt sich eine bildhafte Sprache. Was Geschichten angeht, seien Jungen aber anders als Mädchen: Während Jungen in der Regel spannende Abenteuerstories favorisierten, bevorzugten Mädchen eher gefühlsorientierte Geschichten. Darüber hinaus wolle sich jedes Kind als individuelles Wesen begreifen: Die Frage nach der Lieblingsfarbe, dem Lieblingsfilm und dem aktuellen Lieblingssong öffne fast jedes Kinderherz.
Weiterführende Strategien zur Gesprächsführung mit Jugendlichen gab der Diplom-Sozialpädagoge Jürgen Kraak an die Hand. Bewertungen, Kritik und Vorurteile sollten in den Unterhaltungen immer außen vor bleiben – Empathie und Einfühlungsvermögen dagegen die Haltung des Zahnspezialisten bestimmen. Interesse zeigen und ausreden lassen: Das seien die wichtigsten Schritte in Richtung einer erfolgreichen Kommunikation, fasste Kraak abschließend zusammen. In ihrem Vortrag „Lampenfieber macht sympathisch“ machte Annette Weber-Diehl all Jenen Mut, die unter Lampenfieber leiden und verriet Tricks, wie man den Stress positiv nutzen kann.
Warum sich viele Kinder beim Essen wie der quengelige Suppenkasper gebärden, erklärte Dr. Claudia Laupert-Deick, DiplomÖkotrophologin. Sie referierte zum Thema „Esstisch-Stresstisch“. Der enge Zusammenhang zwischen dem Essverhalten und der Zahngesundheit sei unbestritten – trotzdem sollten Eltern ihre Kinder nicht zum Essen zwingen. Konflikte bei Tisch entstünden meist deshalb, weil die Erwartungen an das Essen bei Kindern und Erwachsenen verschieden sind. Die beste Lösung sei immer noch die gemeinsame Familienmahlzeit. Außerdem könnten Eltern und Kinder zusammen die Koch- und Speisepläne aufstellen: Dann dürfe das Kind später nicht über das Essen maulen – schließlich habe es sich das Gericht selbst ausgesucht!
Stresspatient Zappelphilipp
Mit dem Vortrag zum Thema „Zappelphilipp“ traf Diplom-Psychologe Dr. Georg Wolff den Nerv der Zuhörer. Ob im Kindergarten oder in der Schule: Viele Zahnärzte und Prophylaxekräfte berichteten von den Schwierigkeiten, Kinder mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizithyperaktivitätssyndrom) zu behandeln und zu unterrichten. Bereits vor 150 Jahren beschrieb Heinrich Hoffmann mit seinem berühmten „Zappelphilipp“ ein Kind mit ADHS-Syndromen – die Ursachen der Krankheit seien jedoch bis heute unbekannt, erläuterte Wolff. Eins hätten die betroffenen Kinder gemeinsam: Sie könnten sich nur mühsam auf eine Sache konzentrieren, durch Stresssituationen werde die Symptomatik noch verschärft. Die Prophylaxe sollte daher in möglichst kleinen Gruppen durchgeführt werden. Wichtig sei auch, die ADHS-Kinder zur Mitarbeit zu motivieren, sie beispielsweise mit kleinen Aufgaben „bei der Stange zu halten“.
Nach zwei inhaltlich gut gefüllten Seminartagen machten sich die Teilnehmer am Freitag Abend wieder auf den Heimweg. „Die Prophylaxe ist inzwischen eine Kulturleistung wie Lesen, Schreiben und Klavierspielen,“ so hatte es Dr. Wilhelm Bomfleur, DAJVorstand, bereits in seiner Begrüßungsrede formuliert. Ein Erfolg, den sich die durchweg hochmotivierten Zahnärzte, Prophylaxekräfte und DAJ-Mitarbeiter auf ihre Fahnen schreiben können. DAJ-Geschäftsführerin Dr. Christiane Goepel kann auf eine rundum gelungene Veranstaltung zurückblicken.