Akupunktur in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (Teil 2)

Grundsätze der Diagnose und Therapie

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Hardy Gaus Die Akupunktur hat sich als wirkungsvolles ganzheitliches Therapieverfahren bereits in vielen Zahnarztpraxen etabliert. In einer mehrteiligen Artikelreihe sollen dem interessierten Leser neben der Vermittlung der Grundlagen der Akupunktur auch spezielle Hinweise für die praktische Umsetzbarkeit und Anwendung dieses Therapieverfahrens in der Zahnarztpraxis gegeben werden. Während im ersten Teil dieser Serie die historischen Entwicklungen der Akupunktur und wissenschaftlich fundierte Untersuchungen zur Wirksamkeit und zur Kybernetik der Akupunktur vorgestellt wurden, beschäftigt sich dieser Beitrag mit den Grundsätzen der Diagnose und Therapie des Verfahrens.

Diagnose von Akupunkturpunkten

Zur Diagnostik von behandlungsbedürftigen Akupunkturpunkten stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung, die sich aus den histologischen und elektrophysiologischen Eigenschaften von Akupunkturpunkten ergeben.

Die einfachste Methode der Punktsuche nutzt die Tatsache aus, dass behandlungsbedürftige Akupunkturpunkte eine höhere Drucksensibilität aufweisen, als die indifferente Haut.

Die Untersuchung auf Druckdolenz mit Hilfe des tastenden Fingers eignet sich nur bei den größeren Akupunkturpunkten der Körperakupunktur. Für kleinere Akupunkturpunkte (Ohrakupunktur) kann jedes stumpfe, an seinem Ende möglichst abgerundete Instrument mit einer Aufpressfläche von zirka einen Quadratmillimeter für diese Technik der Punktsuche verwendet werden. Der Zahnarzt kann hier zum Beispiel sehr gut mit Zementstopfern arbeiten. Zusätzlich gibt es spezielle Instrumente, so genannte Drucktaster, die es durch einen mit unterschiedlicher Federstärke gelagerten Taststift und durch die Bestimmung des Federweges bis zur Auslösung der Schmerzsensation erlauben, eine bessere Differenzierung der Behandlungsbedürftigkeit der untersuchten Akupunkturpunkte vorzunehmen.

Das Punktsuchgerät nutzt die Eigenschaft unterschiedlicher Hautwiderstandsverhältnisse zum Zwecke der Punktelokalisation aus (Abb. 6). Bei der einfachen Hautwiderstandsmessung arbeitet man in einem geschlossenen Schwachstromkreis mit zwei Widerständen, einem regelbaren Gerätewiderstand und einem vom pathologischen Zustand des Akupunkturpunktes abhängigen Hautwiderstand. Der Therapeut tastet mit einer leitenden Untersuchungssonde am einen Ende des Stromkreises das zu untersuchende Ohr- oder Körperareal ab. Der Patient schließt den Stromfluss über seinen Körper mit Hilfe der am anderen Ende des Stromkreises angeschlossenen Handelektrode kurz. Während die Größe des Hautwiderstandes durch die jeweilige Pathologie vordefiniert ist, kann der Gerätewiderstand über ein Potentiometer verändert werden. Man versucht den Grenzbereich der Summe beider Widerstände herauszufinden, bei dem gerade noch ein Stromfluss innerhalb des Stromkreises erfolgen kann. Dabei gilt, dass der Gerätewiderstand um so höher gewählt werden kann, je niedriger der Hautwiderstand im Bereich des zu untersuchenden Hautareals ist. Der Stromfluss wird in Form von akustischen und/oder optischen Signalen angezeigt. Über eine entsprechende Skalierung des Drehpotentiometers des Gerätewiderstandes lässt sich eine hervorragende Differenzierung des pathologischen Potentials eines Akupunkturpunktes erreichen.

Die Punktsuche mit Hilfe des Nogier-Pulsreflexes (RAC) greift zunächst auf eine sehr unspezifische sympathische Reizanwort zurück. Diagnostisch aussagekräftig wird die RAC-Antwort erst durch die zusätzliche Verwendung verschiedener diagnostischer Hilfsmittel, bei der das elektrische Potential und/oder die elektromagnetische Information eines Akupunkturpunktes erfasst wird. Auf dieses hervorragende Diagnoseverfahren wird im letzten Teil dieses Artikels näher eingegangen werden.

Therapeutische Grundprinzipien

Grundsätzlich werden alle für eine Indikation in Frage kommenden Akupunkturpunkte zunächst nur untersucht und bei entsprechendem pathologischem Potential exakt angezeichnet. Dann erfolgt die Auswahl der tatsächlich zu nadelnden Punkte. Als Grundsatz gilt, dass aus kybernetischen Gründen pro Therapie nicht mehr als sechs bis sieben Nadeln gestochen werden sollten.

Häufig wird es dabei erforderlich sein, sich auf bestimmte Schwerpunkte eines multikausalen oder multifaktorellen Krankheitsgeschehens zu beschränken. So sollten mehrere, nicht unmittelbar zusammenhängende Erkrankungen nicht in einer Sitzung therapiert werden. Kommt der Patient mit akuten Beschwerden, dann sollte das Augenmerk primär auf diese Symptomatik gerichtet sein. Bei chronisch persistierenden Erkrankungen kann es dagegen ratsam sein, den Patienten zunächst einmal energetisch zu stabilisieren.

Die Reihenfolge der Nadelung der ausgewählten Akupunkturpunkte sollte nach folgendem Schema erfolgen:

a) Lokale symptomatische Punkte

b) Übergeordnete Punkte

c) Energetisch wirksame Punkte

Werden zum Beispiel die energetisch wirksamen Punkte vorgezogen, dann kann möglicherweise der Hauptsymptompunkt nicht mehr so exakt über die Punktzentriertechnik lokalisiert werden, weil über eine allgemeine Stabilisierung des Patienten bereits ein positiver Effekt auf die Symptomatik erreicht wurde.

Vor dem Einstechen der Nadel sollte das Hautareal gründlich desinfiziert werden. Gleichzeitig werden dabei die Farbreste des Markierungsstiftes mit entfernt, um keine Dauertätowierungen am Akupunkturpunkt zu hinterlassen.

Das punktgenaue Zentrum des Akupunkturpunktes kann auf zwei verschiedene Arten aufgefunden werden. Entweder wird der Punktbereich durch vorsichtiges Betupfen mit der Nadelspitze abgesucht und der Patient gebeten, den Bereich der Hauptschmerzhaftigkeit anzugeben (Punktzentriertechnik). Die zweite Möglichkeit besteht in der Zentrierung mit der Spitze der Akupunkturnadel unter RAC-Kontrolle bei rasterförmigem berührungsfreiem überstreichen des Punktareals.

Der Einstich der Nadel erfolgt mit einer raschen Drehbewegung und unterschiedlicher Einstichtiefe. Am Ohr sollte die Nadel maximal bis an den Knorpel reichen. In der Körperakupunktur liegt das Akupunkturpunktzentrum manchmal mehrere Zentimeter tief in der Haut. Nach rascher Überwindung des Hautwiderstandes wird hier die Nadel langsam subkutan und unter suchenden Bewegungen so lange vorgeschoben, bis der Patient ein „dumpfes“ Schmerzgefühl verspürt, häufig mit Ausstrahlungstendenz entlang des zugehörigen Meridians. Dieses DeQi-Gefühl („Ankommen der Energie“) signalisiert den richtigen Sitz der Nadel.

Die Liegedauer der Nadel beträgt zirka 20 Minuten. Beim Entfernen der Nadeln sollte man auf Blutungen aus dem Einstichkanal vorbereitet sein.

Die Wirkung einer Akupunktur kann dadurch verstärkt werden, dass Lokalbereiche am Körper (zum Beispiel Narben, Schmerzpunkte) und zusätzlich identische Akupunkturpunkte an Ohr und Körper gleichzeitig genadelt werden. Bahr hat für die meisten Ohrlokalisationen die Körperentsprechungen erforscht und den Verlauf der Körpermeridiane am Ohr angegeben [7]. Diese Technik der Verwendung absolut identischer Punkte widerspricht nicht der allgemein gültigen Regel, dass man Punkte unterschiedlicher Akupunktursysteme in einer Behandlungssitzung nicht kombinieren soll.

Hardy GausZahnarztKirchstraße 1572479 StrassbergE-Mail: hardy.gaus@akupunktur-arzt.de

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