Offene Immobilienfonds

Mehr Schein als Sein

Nach der dreijährigen Börsenbaisse sind Offene Immobilienfonds der Renner schlechthin. Diese Kurse fallen fast nie. Und: Auf dem Papier stehen zumeist Jahresrenditen von über sechs Prozent – doch die Zahlen sind mehr Schein als Sein.

Die meisten der 16 großen Offenen Immobilienfonds deutscher Herkunft schwimmen im Geld. Hatten sie auf dem Gipfelpunkt der Jahrhunderthausse im Jahr 2000 noch einen Abgang von insgesamt 2,8 Milliarden Euro zu verzeichnen, bilanzierten sie gleich im ersten Baissejahr 2001 wieder einen Positivsaldo von 7,3 Milliarden Euro. Im zweiten Baissejahr 2002 stieg der Pegel an Kapitalzufluss auf 14,9 Milliarden Euro. Und bereits im ersten Halbjahr des Baissejahres 2003 verzeichnete die auf Großimmobilien bauende Fondsgattung einen Nettozustrom von 12,2 Milliarden Euro. Keine andere Gattung von Anlageinstrumenten verbuchte während der letzten drei Jahre einen so starken Kapitalzufluss seitens privater Investoren wie die Offenen Immobilienfonds.

Im Unterschied zu geschlossenen Immobilienfonds, die geschlossen werden, sobald das benötigte Anlegerkapital für ein bestimmtes Objekt eingesammelt wurde, hat der Topf der Offenen Immobilienfonds keinen Deckel. Die Fonds sind öffentlich, und die Anteile können problemlos über eine Bank oder freie Finanzvermittler zu einem offiziell ausgewiesenen Kurs erworben werden. Ebenso einfach lassen sie sich zum ausgewiesenen Rücknahmepreis wieder verkaufen.

Offene Immobilienfonds nehmen unbegrenzt Kapital auf, um es bei günstigen Gelegenheiten in große Geschäftsimmobilien zu investieren. Diese gewerblich genutzten Immobilien befinden sich in der Regel an exponierten, erlesenen Standorten und sind entsprechend teuer. Da in Deutschland die Standorte allererster Güte knapp geworden sind und der Bedarf an neuen Bürogebäuden wie auch Einzelhandelsgeschäften wohl auf absehbare Zeit mangels Wirtschaftswachstum gedeckt sein dürfte, kaufen die deutschen Fondsgesellschaften mehr und mehr gewerbliche Großobjekte in Europa oder den USA.

Wichtig für den Neueinsteiger: Das Kapital, das einem Fonds zufließt und auf absehbare Zeit nicht für den Kauf von geeigneten Immobilien verwandt werden kann, wandert zunächst einmal in festverzinsliche Wertpapiere mit Kurzlaufzeiten. Sie bringen entsprechend wenig Rendite. Deshalb wird der derzeit vorherrschende Anlagenotstand der Fonds über kurz oder lang die Jahresdurchschnittsrendite schmälern. Die Flucht in die vermeintliche Sicherheit mit hoher Rendite führt die Investoren somit auf einen Holzweg. Denn ihr Geld arbeitet zu einem Großteil gar nicht dort, wo es vor Zinsund Kursschwankungen in Sicherheit gebracht sein soll.

Scheingewinne

Nicht nur das: Auch wenn die Fonds neue, werthaltige Objekte kaufen und damit das Anlagekapital seiner eigentlichen Bestimmung zuführen, versetzen sie die Fondseigner in eine Art Scheinwelt. Diese Scheinwelt spiegelt de facto nicht den wahren Wert der Neuerwerbung wider. Das wäre der Fall, wenn der Kaufpreis abzüglich rund fünf Prozent der Kosten im Fondsvermögen bilanziert würde. So wird es bei Aktien oder Rentenfonds gemacht, wo der Tageskurs auf Grundlage der aktuellen Börsenkurse und unter Berücksichtigung der entstandenen Kosten errechnet wird. Stattdessen wird das gekaufte Immobilienobjekt mit einem so genannten „Einwertungsgewinn“ in das Fondsvermögen eingebucht.

Der Einwertungsgewinn basiert nicht auf Tatsachen, er ist eine Schätzung. Geschätzt wird der künftige Objektwert. Maßgeblich für diesen Gewinn ist die für die Zukunft zu erwartende Miete des Objekts wie auch die Bewertung und Entwicklung seiner Lage. Hinzu kommt, so ulkt Willi Alda, Geschäftsführer der Deka-Immobilienfonds (Eigentümer ist die deutsche Sparkassenorganisation), eine gute Portion „Kaffeesatzleserei“. Im Kern versuchen die Fondsmanager von Offenen Immobilienfonds wie bei der Kursentwicklung von Aktien die Zukunft zu prognostizieren. Das aber ist, so weiß jeder Anlagerealist, bei allen marktgebunden Faktoren wie Zinsen, Konjunktur, Währungen oder Aktienkursen, auch bei Immobilien schlechthin unmöglich. Oder Glücksache.

Im Schnitt liegt der Einwertungsgewinn bei 20 Prozent über dem gezahlten Kaufpreis eines Immobilienobjekts. Dadurch steigt das ausgewiesene Fondsvermögen. Sein Wert, geteilt durch die Zahl der gezeichneten Fondsanteile, ergibt den Fondskurs, zu dem Neueinsteiger (plus Ausgabeaufschlag von durchschnittlichen fünf Prozent) kaufen können. Umgekehrt ist der im Fondsvermögen eingebuchte Scheingewinn aber auch Maßstab für den Rücknahmepreis eines Anteilsverkäufers. Fondsverkäufe sind deshalb nur höchst selten ein Verlustgeschäft – wenn der hohe Ausgabeaufschlag, der im Schnitt eine Jahresrendite ausmacht, wieder wettgemacht ist.

Unbekannte Größen

Wegen der Schätzung des Objektwertes und der Einwertungsgewinne bei Neuerwerbungen basieren die Kurse der Offenen Immobilienfonds zum Großteil auf einer Rechnung mit vielen Unbekannten. Sie drücken nicht, wie zum Beispiel die Kurse von Aktien- oder Rentenfonds, den wahren Wert des Fondsvermögens aus. Sie sind auf eine nicht zu kontrollierende Art manipuliert, vor allem, wenn ein Fonds in einem Jahr mehrere neue Großobjekte im Wert von jeweils zweistelligen Millionenbeträgen erworben hat. Obwohl nur gekauft und noch nichts verdient wurde – weil ungefähr eine Jahresmiete an Kosten zu verdauen ist – steigt durch den Scheingewinn der Einwertung die Jahresrendite des betreffenden Fonds.

Vor allem bei noch jungen Immobilienfonds, die überwiegend Neuerwerbungen bilanzieren, müsste die ausgewiesene Jahresrendite im Schnitt um etwa ein Prozent gekürzt werden, wenn der Anleger eine Vorstellung von der effektiven, in Wahrheit verdienten Rendite haben will. Doch die veröffentlichte Jahresperformance ist für die Fonds ein wichtiger Köder. Die auf Immobilien fixierten Investoren richten sich nämlich in erster Linie nicht nach der inneren Qualität eines Fonds und seiner langjährigen Jahresdurchschnittsrendite. Sie glauben vielmehr, die aktuell ausgewiesene Jahresrendite würde sich auch in Zukunft weiter fortsetzen. Diese kann durchaus um ein oder auch zwei Prozent über der Rendite der etablierten Klassiker liegen.

So liegt auf der Hand, dass ein alteingesessener und konservativ disponierender Fonds in schlechten Konjunkturzeiten mit Leerständen zu kämpfen hat. Leerstände bedeuten zum einen geringere Mieteinnahmen – diese mindern nicht nur die laufenden Einnahmen. Da die Jahresmieten die Grundlage für die Bewertung der Fondsobjekte sind, reduzieren Leerstände auch das Fondsvermögen. Und Fondsmanager, denen nicht der Sinn nach Renditekosmetik steht, erwerben in unsicheren Zeiten keine neuen Objekte, nur um durch einen satten Einwertungsgewinn eine marktbedingte Magerrendite auszugleichen. Sie wissen: Solche Schachzüge sind nur Augenwischerei. Denn auch Neuerwerbungen können sich über kurz oder lang dem Markt nicht entziehen.

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