Mundöffnungsbehinderung durch ein Osteom des Kiefergelenkes
Kasuistik
Ein 39 Jahre alter Mann klagte über bewegungsabhängige Schmerzen im Bereich des rechten Kiefergelenkes. Weiterhin berichtete er über eine im Verlauf von mehreren Monaten stetig zunehmende Einschränkung seiner maximalen Mundöffnung. Eine über mehrere Wochen durchgeführte Schienentherapie blieb erfolglos. Bei der klinischen Untersuchung betrug die maximale Schneidekantendistanz 15 Millimeter und eine Laterotrusion des Unterkiefers zur rechten Seite war nicht möglich. Während im Orthopantomogramm nur eine diskrete Verplumpung des linken Kiefergelenkes erkennbar war (Abb. 1), zeigte die Kiefergelenkaufnahme nach Clementschitsch eine deutliche knöcherne Auftreibung des linken Kiefergelenkköpfchens nach medial (Abb. 2). Das tumoröse Kiefergelenkköpfchen wurde über einen präaurikulären Zugang reseziert (Abb. 3) wobei die enge topographische Nähe des Tumors zu den großen Halsgefäßen die Operation erschwerte (Abb. 4). Schon makroskopisch war auf der Schnittfläche des Resektates eine außerordentlich dichte, elfenbeinartige Knochenstruktur erkennbar (Abb. 5). In der mikroskopischen Untersuchung zeigte sich ein kompakter, lamellär aufgebauter Knochen mit engen, fibrosierten Markräumen. Diese Befunde ergaben die Diagnose eines Osteoma eburneum des Kiefergelenkköpfchens. Der Gelenkknorpel war hochgradig degenerativ verändert.
Diskussion
Uncharakteristische Beschwerden von Patienten mit Tumoren im Bereich der Kiefergelenke bergen immer die Gefahr der Verwechslung mit einer funktionell bedingten Myoarthropathie. Auch der hier vorgestellte Patient hatte eine sehr lange, erfolglose Schienentherapie hinter sich.
Die klinische Symptomatik des Patienten ist für einen langsam intraartikulär wachsenden Tumor typisch. Durch die fortschreitende tumoröse Auftreibung des Kiefergelenkköpfchens nahm die Mundöffnungsbehinderung langsam und stetig zu. Trotz Schienenbehandlung verspürte der Patient zu keinem Zeitpunkt zumindest eine vorübergehende Besserung der Beschwerden, was bei der konservativen Initialtherapie einer funktionell bedingten Myoarthropathie zu erwarten ist. Osteome kommen am häufigsten im Bereich der Nasennebenhöhlen vor. In Maxilla, Mandibula und am Schädeldach sind sie seltener und in den Knochen des übrigen Skelettsystems ausgesprochen rar [Dominok und Knoch, 1993; Prein et al., 1985]. Man unterscheidet aufgrund der Knochenstruktur spongiöse von, wie im vorliegenden Fall, eburnisierten Formen. Sie kommen in jedem Lebensalter vor, mit einem Häufigkeitsgipfel im dritten Lebensjahrzehnt. Das Geschlechtsverhältnis beträgt bei Männern zu Frauen eins zu drei. Bei entsprechender Symptomatik ist die operative Entfernung des Osteoms angezeigt. Die Erkrankung hat eine sehr gute Prognose; Rezidive oder maligne Entartungen kommen beim Osteom nicht vor [Neville et al., 2002].
Prof. Dr. Dr. Torsten E. ReichertPD Dr. Dr. Martin KunkelKlinik für Mund-, Kiefer- und GesichtschirurgieJohannes Gutenberg-UniversitätAugustusplatz 255131 Mainz