ACE-Hemmer im Alter besonders wirksam
Die erste Studie stammt aus der Flinders University in Adelaide, Australien. Das nationale Blutdruckprogramm hatte hier in prospektivem und randomisiertem Design, aber offener Therapieführung mit verblindeter Auswertung der diagnostischen Befunde, die Verläufe von 6 083 Hypertonikern im Alter zwischen 65 und 84 Jahren über im Schnitt 4,1 Jahre verfolgt. Verglichen wurde die Zahl der kardiovaskulären Komplikationen in beiden Therapiegruppen: in der einen Gruppe unter Therapie mit einem Hemmstoff des Renin-Angiotensin-Systems (ACE-Hemmer) und in der anderen Gruppe mit einem Diuretikum. In die erste Gruppe wurden 3 044 Patienten, in die zweite 3 039 Hypertoniker eingeschlossen.
Beide Gruppen waren von ihrer demographischen Struktur und den Risiken her vergleichbar. Auch war der Blutdruck gleich hoch. Der Therapieerfolg war in beiden Gruppen gleich: Die Blutdruckwerte wurden im Schnitt um 26/12 mmHg gesenkt.
Diuretika unterlegen
Sowohl hinsichtlich der kardiovaskulären Komplikationen wie auch der Überlebenswahrscheinlichkeit waren die mit einem ACE-Hemmer behandelten Patienten denen überlegen, die auf ein Diuretikum eingestellt worden waren. Es kam insgesamt unter ACE-Hemmern zu 695 kardiovaskulären Komplikationen, wie Herzinfarkt oder Schlaganfall, beziehungsweise zu Todesfällen beliebiger Ursache. Diese Zahl betrug für die mit Diuretika behandelten Patienten 736. Die Vorteile waren bei männlichen Patienten noch prononcierter, wie Abbildung 1 graphisch darstellt.
Da diese Ergebnisse direkt einer anderen großen Studie zu widersprechen scheinen, die unter dem Namen ALLHAT (Antihypertensive and Lipid-Lowering Treatment to Prevent Heart Attack Trial) wenige Wochen vor der ANBP2-Studie im selben Journal publiziert worden ist und vor allem als Argument für eine kassengerechte Billigmedizin herhielt, fügte das New England Journal of Medicine noch ein selbstkritisches Editorial von Edward D. Frohlich aus New Orleans an. In diesem Kommentar geht der renommierte Autor einen sehr pragmatischen Kompromiss für die richtige medikamentöse Therapie der essentiellen Hypertonie ein: Patienten ohne weitere Komplikationen werden mit einem niedrig dosierten Diuretikum antherapiert. In aller Regel reicht die so erzielbare Blutdrucksenkung nicht aus. Dann ist mit einem ACE-Hemmer zu kombinieren – eine Verbindung, die eine Potenzierung der Wirkung bei beiden Partnern ergibt. Besonders ältere Patienten und solche, die bereits weitere Risiken haben, erhalten als erstes Medikament einen ACE-Hemmer, wenn es sich bei dem Risiko um einen bereits erlittenen Herzinfarkt handelt, kann auch mit einem Beta-Blocker begonnen werden. Leidet der Patient unter Angina pectoris, so ist ein Kalziumantagonist vom Dihydropyridin-Typ (wie retardiertes Nifedipin oder Amlodipin) als erstes Medikament angezeigt.
Weniger Demenzen
Ein auch für Fachleute überraschender Nebeneffekt von ACE-Hemmern wurde nun in den Archives of Internal Medicine als weitere Auswertung der PROGRESS-Studie publiziert. Da es sich um einen ersten Befund in dieser Richtung handelt, ist vor Konsequenzen jedoch zunächst noch eine weitere klinische Forschung abzuwarten: In einem Kollektiv von 6 105 Hypertonikern profitierten diejenigen Patienten, die den ACE-Hemmer Perindopril erhalten hatten, im Vergleich zum Durchschnittswert des Gesamtkollektivs dadurch, dass ihr Risiko einer Ver-schlechterung der kognitiven Funktion um 19 Prozent vermindert war. Wenn die Patienten einen Schlaganfall in der Anamnese hatten, so war ihr Risiko für die Ausbildung einer Demenz während der einjährigen Studiendauer um 34 Prozent vermindert, das Risiko für eine kognitive Verschlechterung sogar um 45 Prozent.
Der Mechanismus einer solchen Wirkung ist erst spekulativ zu erfassen. Immerhin ist bekannt, dass das Renin-Angiotensin-System, das durch ACE-Hemmer gehemmt wird, auch zerebral aktiv ist. Es könnte sich also um eine Wirkung der Medikation auf die zerebrale Durchblutung handeln, die – wie auch bei den oben beschriebenen Studien – vom Effekt der Medikation auf den Blutdruck unabhängig zu bestehen scheint.
Kommentar
Für den unabhängigen Beobachter ist es erstaunlich zu sehen, wie schnell die Ergebnisse der ALLHAT-Studie zerrinnen. Diese Studie, die eine Überlegenheit eines Uralt-Diuretikums (Chlorthalidon) allen modernen Antihypertensiva gegenüber belegen sollte, wurde mit einer erwartbaren Euphorie vor allem von Pharmakritikern und Gesundheitsökonomen aufgenommen. Wieder zeigte es sich, dass man nicht ohne Grund den langjährigen Konsens der Fachgesellschaften in Frage stellen sollte. Nun wird wieder zurückgerudert in eine differenzierte antihypertensive Behandlung, wie sie an diesem Ort schon mehrfach diskutiert wurde.
Dr. Till U. Keil