AG Keramik in der Zahnheilkunde

Symposium stellt sich Fragen zur Vollkeramik aus Klinik und Praxis

Das Keramik-Symposium 2003, das dieses Jahr als Auftaktveranstaltung zur internationalen ConsEuro der European Federation of Conservative Dentistry in München stattfand, bewährte sich erneut als Forum zum Erfahrungsaustausch zur vollkeramischen Restauration zwischen Klinikern, Werkstoffspezialisten, niedergelassenen Zahnärzten und Dentallaborleitern. Damit schloss das Symposium der Arbeitsgemeinschaft für Keramik in der Zahnheilkunde e.V. den Kreis zwischen dem Anspruch der klinischen Forschung nach evidenzbasierten Daten, dem Bedarf nach einem vorhersagbaren Behandlungserfolg und dem Informationsbedürfnis der Praxen nach Kriterien, die in der Lage sind, klinische Misserfolge zu verhindern.

Dreistufig immer noch besser

Prof. Dr. Bart van Meerbeek, Universität Leuven, Belgien, sprach über „Adhäsive versus non-adhäsive Befestigung vollkeramischer Restaurationen“. Auf der Zahnseite werden moderne Adhäsiv-Prozeduren benötigt, um das Befestigungsmaterial dauerhaft mit der Zahnsubstanz zu verbinden. Hierbei stehen als Konzepte „etch & rinse“ und „self etch“ mit verschiedenen Verarbeitungsstufen oder alternativ Glasionomerzemente zur Wahl. Auf der Keramikseite gewährleisten Ätzen mit Flusssäure und Silanisieren einen mikromechanischen und chemischen Verbund. Die teilweise kontrovers diskutierten Auffassungen, ob so genannte Ein-Schritt-Systeme bessere oder gleiche Haftwerte erzielen als die älteren Drei-Schritt-Adhäsive, wurden vom Referenten konkret beantwortet: Mit One-Bottles werden Verbundhaftwerte im Schmelz und Dentin von 16 bis 39 MPa (MegaPascal) erzielt, die Drei-Flaschen-Systeme erfordern im Schmelz Abzugskräfte von 42 MPa und im Dentin bis zu 54 MPa, besonders im Zusammenhang mit der „etch & rinse“-Methode. Obwohl Glasionomerzement nur eine Haftkraft von 25 MPa im Dentin erreicht, können gesinterte Gerüstkeramiken mit über 200 MPa Biegefestigkeit für Kronen und Brücken aufgrund der hohen Eigenfestigkeit des Werkstoffs konventionell zementiert werden. Ätzung und Silanisierung der Hartkeramik erhöht zusätzlich den Verbund zum Restzahn.

Lebensdauer liegt an der Gesamtfestigkeit

Prof. Dr. Heinrich Kappert, Schaan, wies beim Thema zur „Bedeutung verschiedener Materialparameter für den klinischen Erfolg“ darauf hin, dass für das klinische Überleben der Restauration nicht allein die Biegefestigkeit des Keramikwerkstoffs entscheidend sei. Von wesentlich höherer Bedeutung ist die Gesamtstabilität der Restauration in situ, die sich ergibt aus der präparierten Form des Restzahns, aus der Konstruktion und Dimensionierung der Restauration sowie aus der Art der Befestigung am Zahn.

Keramiken mit Biegefestigkeiten bis zu 200 MPa sind hinsichtlich ihrer Festigkeit und Indikation vergleichbar mit Dentallegierungen vom Typ 1 oder 2, das heißt sie sind für kleinere Restaurationen wie Inlays und Einzelzahnkronen geeignet. Mit einer guten adhäsiven Befestigung besitzen sie eine vergleichbare Qualität wie natürliche Zähne. Die Mundhöhle liefert uns allerdings kein Vorbild für die Überbrückung von Zahnlücken. Hier müssen Hochleistungskeramiken eingesetzt werden. Keramiken mit Biegefestigkeiten von 300 bis 400 MPa, zum Beispiel In-Ceram oder Empress 2, können wie Dentallegierungen vom Typ 3 für kleine Brücken verwendet werden. Zirkoniumoxid ist mit einem Elastizitätsmodul von 210 GPa (GigaPascal) und einer Biegefestigkeit von 1 000 MPa (entspricht einer Belastbarkeit von zehn Tonnen pro cm2) vergleichbar mit CoCr-Legierungen. Diese Analogiebetrachtungen erlauben, die Erfahrungen mit Dentallegierungen auf die Verwendung von Dentalkeramiken zu übertragen und können hilfreich für die Dimensionierung von Wandstärken, Verbindern und Brückenlängen sein.

Gewährleistung auf Keramik

Mit eindrucksvollen Darstellungen belegte Zahntechnik-Laborleiter Franz J. Noll, Koblenz, seine langjährigen Erfahrungen mit vollkeramischen Füllungen, Kronen und Brücken. Begonnen hatte der Referent seine Erfahrungen mit Cerestore und Dicor, und stieg auf das In-Ceram System um – zuerst mit der Schlickertechnik, dann mit Aluminiumoxidkeramik im CAD/CAM-Einsatz – und nun mit Zirkonoxidkeramik. Durch den Einsatz der Oxidkeramiken erhalten die Praxen eine erweiterte Gewährleistung, die heute bis zu fünf Jahren reicht. Um Kronen- und Brückengerüste im Eigenlabor zu fertigen, wurde Cerec inLab installiert. Damit konnten auch die Fertigungskosten gesenkt werden.

Die Weiterentwicklung der Sinterkeramiken führte zur Anschaffung von Cercon, besonders für mehrgliedrige Brücken mit extrakoronalen Verbindern. Größere Brückenspannen mit 14 Gliedern, unterteilt in drei bis vier Segmente, werden von Noll mit dem DCS-System hergestellt. Auch Primärteile und Sekundärteile aus Zirkonoxid für Teleskop-Arbeiten und extrakoronale Brückenverbinder haben sich bewährt. „Kein System kann alles“, berichtete Laborleiter Noll und sagte damit, dass alle Keramik- und Fertigungssysteme ihre Schwerpunkte und Grenzen haben und differenziert eingesetzt werden – auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen. Der Referent belegte anhand einer, mit der AG Keramik initiierten Datenbank für vollkeramische Restaurationen, dass die Reklamationsquote unter einem Prozent liegt. Die Datenbank erfasst neben Praxis und Patient die Präparationsunterlagen, Art und Struktur der Versorgung, Werkstoff, Verarbeitungsdaten, Verblendung, und im Gewährleistungsfall die Fakten des Defekts, um den Grund bei einem Misserfolg aufzuspüren. Die Daten zeigen, dass die Reklamationsquote für Vollkeramik nicht von jenen Arbeiten abweicht, die metallgestützt sind. Damit kann das Labor jederzeit seinen Qualitätsstandard belegen und dies in seine Gewährleistung projizieren.

98 Prozent Überlebensrate in elf Jahren

Seine langjährigen Erfahrungen mit Presskeramik-Restaurationen stellte Dr. Michael Leistner, Freiburg-Merzhausen, niedergelassener Zahnarzt und Fortbildungsreferent, unter dem Thema „Keramikversorgungen in der täglichen Praxis“ zur Diskussion und legte besonders die Risiken und Misserfolge offen. In den vergangenen elf Jahren fertigte er zirka 4 500 Empress-Restaurationen, darunter auch keramische Stiftaufbauten und Brückenspannen für Molaren. In dieser Zeit kam es zu 87 Misserfolgen. Die geringe Zahl, meist Frakturen, führte Dr. Leistner auf den konsequenten Einsatz der Adhäsivtechnik unter Kofferdam zurück. Durch die Klebetechnik ist es möglich, minimalinvasiv und substanzschonend zu präparieren. Die klinische Nachkontrolle der Empress-Restaurationen nach elf Jahren war viel versprechend; die Versorgungen haben das Potenzial für eine weitere Dekade.

Qualitätshinweise aus der Praxis – für die Praxis

Dr. Bernd Reiss, Malsch, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Keramik und niedergelassener Zahnarzt, gab Informationen zum „Aktuellen Stand des Qualitätssicherungsprojekts Ceramic Success Analysis“. Seit mehreren Jahren geben zirka 200 Praxen in Intervallen ihre Einsetzprotokolle und Nachuntersuchungsbefunde ihrer selbst eingegliederten vollkeramischen Restaurationen an die AG Keramik. Insgesamt bilden 2 982 Einsetzbefunde die Grundlage für die anonyme Auswertung. Die klinischen Vorgehensweisen werden differenziert analysiert und Materialkombinationen werden ausgewertet. Zwischenzeitlich liegen Daten über fünf Jahre klinisches Langzeitverhalten vor. Generell sind bis heute die Ergebnisse der Teilnehmerpraxen ausgezeichnet. Komplikationen und Misserfolge sind nur selten aufgetreten. Dr. Reiss stellte jedoch eine Häufung von Problemen bei einzelnen Ausgangsbefunden fest, die aber mit speziellen klinischen Vorgehensweisen in Zusammenhang gebracht werden konnten. Für jeden Studienteilnehmer wird mit Hilfe einfacher Einsetzprotokolle ein individuelles Behandlungsprofil erstellt. Der kollektive Vergleich mit anderen teilnehmenden Praxen ermöglicht eine kritische Hinterfragung eigener Vorgehensweisen sowie einen anonymisierten Vergleich mit dem Procedere anderer Studienteilnehmer. Neben den klinischen Ausgangsbefunden, wie Zahnvitalität, Papillenblutungsindex, Restaurationsgröße, Lage und Zahntyp, werden unterschiedliche klinische Vorgehensweisen, Materialien sowie Verarbeitungstechniken berücksichtigt. In einer zweiten Phase werden die behandelten Zähne nachuntersucht. Untersuchungsparameter sind Parodontalzustand, Vitalität, Restaurationsund Randqualität sowie Komplikationen und Therapiebedarf. Die angelaufene dritte Phase befasst sich mit der Remotivation der Praxen sowie mit der Umsetzung: Die gewonnenen Ergebnisse fließen in die tagtägliche Arbeit der Praxen ein; individuelle Risikogruppen werden bezüglich der Indikationsstellung identifiziert; die Materialauswahl wird bei Bedarf optimiert.

Ein Hauch von Ästhetik

„Ästhetische Teilkronen im Frontzahnbereich“ war das Thema von Dr. Klaus Wiedhahn, Buchholz, Präsident der DGCZ (Deutsche Gesellschaft für Computergestützte Zahnheilkunde) und niedergelassener Zahnarzt. Mit seiner annähernd 15-jährigen Erfahrung mit Veneers unter Einsatz von konventioneller und CAD/CAMTechnik führte er die Zuhörer in einen Bereich ein, der unbestritten ein hohes Einfühlungsvermögen in die Ästhetik des Frontzahns erfordert. Veneers bieten Therapielösungen bei Stellungsanomalien, Zahnfrakturen, Formkorrekturen, Diastema, multiplen Füllungen, Verfärbungen. Der Substanzverlust ist um ein vielfaches geringer als bei einer VMK-Krone und ist damit für den Patienten auch aus dem präventiven Blickwinkel attraktiv. Veneer-Präparationen sollten zirkulär schmelzbegrenzt sein. Um eine bestmögliche mikromechanische Retention mit Hilfe der Adhäsivtechnik zu erzielen und um eine Irritation der Pulpa zu vermeiden, soll bei der meist unvermeidbaren Freilegung von Dentin auf die Verwendung eines sicheren Dentinadhäsivs Wert gelegt werden. Ist ein Veneer oder eine Frontzahnteilkrone indiziert, so ist dies einer Keramikvollkrone vorzuziehen. Die Behandlung mit Veneer oder Teilkrone ist minimalinvasiv, farblich brillanter und kann parodontal atraumatischer erfolgen.

Mit dem Auftreten der chairside-gestützten CAD/CAM-Verfahren (Cerec) verließ Dr. Wiedhahn die labortechnisch hergestellten Veneers. Mit den aus Feldspatkeramik-Blocks (Mark II, ProCad) gefrästen Veneers kann die Versorgung in einer Sitzung präpariert, ausgeschliffen und eingegliedert werden. Die dünne Keramikschale wird farblich individualisiert, indem Malfarben auf Kompositbasis auf der Rückseite aufgebracht werden – denn die ultimative Zahnfarbe kommt von innen. Die Eingliederung erfolgt stets adhäsiv. Die klinischen Erfahrungen mit CAD/CAM-gefertigten Veneers sind überzeugend; die Überlebensrate sank auch nach neun Jahren in situ nicht unter 94 Prozent [nach Kaplan-Meier].

Forschungspreise gehen nach Köln und Aachen

Der alljährlich ausgeschriebene Forschungspreis der Arbeitsgemeinschaft für Keramik in der Zahnheilkunde e.V. musste in diesem Jahr geteilt werden. Die Jury hatte Mühe, unter vielen guten Arbeiten die richtige Wahl zu treffen und entschied letztendlich, dass zwei Preisträger ernannt werden. Die Gewinner sind Dr. Anja Posselt, Köln, für die Arbeit „Langzeitverhalten von 2 328 at chairside hergestellten Cerec-Inlays und -Onlays“ – ebenso Privatdozent Dr. Joachim Tinschert, Aachen, für die Arbeit „In-vitro Untersuchungen zur Dauerfestigkeit glasinfiltrierter Aluminiumoxid- und neuer Zirkonoxid-Keramiken für Kronen- und Brückengerüste“.

Manfred Kern,Arbeitsgemeinschaft für Keramik in der Zahnheilkunde e.V.Mail:kern.ag-keramik@t-online.de

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