Kinder- und Jugendzahnpflege

Prophylaxe lebt von Pluralität

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Kreativität, Vielfalt, örtliche Besonderheit und ganz persönliches Engagement geben der Gruppenprophylaxe in Deutschland ihr Lebenselixier. Dahinter steckt die Arbeit von vielen Akteuren, gebündelt in den Arbeitsgemeinschaften Zahngesundheit und in ihren Landesarbeitsgemeinschaften. An einem gemeinsamen Strang ziehen die Krankenkassen, die niedergelassene Zahnärzteschaft, der öffentliche Gesundheitsdienst, Kommunen, Schulen, Kindergärten und die Elternschaft, um nur die wichtigsten zu nennen. Die Arbeit vor Ort zeigt: Viele Wege führen ans Ziel, die Mundgesundheit von Kindern und Jugendlichen zu verbessern.

Was haben ein Löwe und ein Seelöwe mit Zahngesundheit zu tun? Auf den ersten Blick nichts. Auf den zweiten Blick eine ganze Menge: Die Aktion Löwenzahn, in dem der Löwe „Dentulus“ den Weg zu gesunden Zähnen weist, ist seit 1997 Meilenstein bei der Arbeit der Bayerischen Landesarbeitsgemeinschaft Zahngesundheit (LAGZ) in bayerischen Schulen. Neu seit Beginn des Kindergartenjahres 2002/2003 gibt es die Aktion Seelöwe mit dem lebendigen Maskottchen Goldie. Diese Maßnahme richtet sich an alle Kindergärten im Land. Die LAGZ feiert am 14. Mai 2003 mit einem Festakt und einem Aktionstag ihren 20. Geburtstag und ist somit die älteste Landesarbeitsgemeinschaft (LAG).   

Der Geburtstag der LAGZ (die zm werden darüber berichten) gibt aktuell Anlass, sich das weite Feld der Jugendzahnpflege in Deutschland einmal genauer anzusehen. Dahinter steht ein gesetzlicher Auftrag in Paragraf 21 SGB V (siehe Kasten). Als Folge der gesetzlichen Vorgabe wurden in fast allen Bundesländern Landesarbeitsgemeinschaften gegründet, die als organisatorisches Dach für die jeweiligen kommunalen Arbeitsgemeinschaften (AGen) fungieren und für eine flächendeckende Versorgung zuständig sind.

Umsetzung ist Ländersache

Die Form der Umsetzung ist Ländersache. Wie der gesetzliche Auftrag in den einzelnen Ländern durchgeführt wird, hängt von den Beteiligten und gewachsenen Strukturen dort ab. Die jeweilige LAG entscheidet vor Ort, nach welchem organisatorischen Muster die Gruppenprophylaxe durchgeführt wird. Und die eigentliche Arbeit erfolgt an der Basis, in den Arbeitsgemeinschaften. Eines steht ganz fest: Ohne die Strukturen auf lokaler und kommunaler Basis und ohne das freiwillige und persönliche Engagement der Akteure wäre Gruppenprophylaxe nicht möglich.  

Als „Motor des Ganzen“ bezeichnet deshalb Bernd Wiethardt, Bundesverband der landwirtschaftlichen Krankenkassen und alternierender Vorsitzender der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege (DAJ), die Arbeit der LAGen und AGen.

Verzahnung und Vielfalt seien hierbei wichtige Kriterien: Zentrales Ziel aller Beteiligten in der Gruppenprophylaxe sei die Mundgesundheitserziehung der Kinder und Jugendlichen, unterstreicht Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer und alternierender DAJ-Vorsitzender. „Prophylaxe braucht Pluralität“, erklärt er. „Was den Erfolg angeht, unterscheiden sich die Konzepte nicht wesentlich. Denn: Viele Wege führen ans Ziel.“ Gruppen- und Individualprophylaxe müssten sich ergänzen und verzahnt werden, unterstreicht er. Denn den Gesetzesauftrag, flächendeckende Maßnahmen anzubieten, könne man nur in Kooperation ausführen. Prophylaxe sei darüber hinaus eine interdisziplinäre und gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Alle Beteiligten müssten an einem Strang ziehen und seien in die Verantwortung genommen. Zu diesen Aspekten habe die Bundeszahnärztekammer in ihrem Leitfaden zur Gruppenprophylaxe ausführlich Stellung bezogen.  

Ein besonderes Augenmerk der Prophylaxe liegt bei der Betreuung der Kinder mit besonders hohem Kariesrisiko. Zwar schreibt Deutschland in punkto Kariesreduktion schon seit einigen Jahren eine Erfolgsgeschichte (dazu ausführliche Informationen im Gutachten: „Epidemiologische Begleituntersuchungen zur Gruppenprophylaxe 2000“, Prof. Dr. Klaus Pieper, Hrsg: Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege, Bonn, 2001), dennoch bleibt das Problem der Risikopopulationen.  

Nicht nachlassen“, lautet deshalb der Appell der DAJ-Vorsitzenden. Trotz der gravierenden Verbesserungen der Zahngesundheit sei es wichtig, in den Bemühungen fortzufahren. Wiethardt bedauert, dass bei der Risikobetreuung bisher noch Defizite herrschen und dass der Gesetzesauftrag noch nicht erschöpfend umgesetzt worden sei. Alle Aktivitäten seien willkommen. Es nütze nichts, zentrale Vorgaben zu machen, vielmehr zählten die Verhältnisse vor Ort und der Einsatz der Methode, die sich dort als am effektivsten erweise. 

„Hier spielen nicht nur die niedergelassenen Zahnärzte, sondern auch die Kollegen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes eine große Rolle“, fügt Oesterreich hinzu. „Sie sind sehr wichtig, wenn es darum geht, bei den Kindern die Behandlungsbereitschaft herzustellen.“  

„Wer mit Kindern arbeitet, muss authentisch wirken“, erklärt Dr. Klaus Dürr, Vorsitzender des Bundesverbandes der Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BZÖG). Vorteil des öffentlichen Gesundheitsdienstes sei, dass er dank der vorhandenen Infrastruktur eine Zugangsmöglichkeitzu den Einrichtungen biete. Die Vernetzung zwischen Gruppen- und Individualprophylaxe funktioniere gut. Dürr hält es für wichtig, dass die bestehenden Programme weiterlaufen. Für die Arbeit des öffentlichen Gesundheitsdienstes wünsche er sich jedoch mehr Planungssicherheit.

Verschiedene Töpfe

Finanziert werden die Landesarbeitsgemeinschaften wie auch die Arbeitsgemeinschaften aus den Töpfen von Krankenkassen, Zahnärzteschaft und Land beziehungsweise Kommune. Je nach Region geschieht dies in unterschiedlicher Weise. Dabei stehen die meisten Einrichtungen vor den gleichen Problemen, die ihre Arbeit erschweren: finanzielle und personelle Engpässe.

Laut Gesetz soll das Geld für die Gruppenprophylaxe unter finanzieller Beteiligung der Krankenkassen umgesetzt werden. Die Kassen fordern hier eine verstärkte Einbindung der öffentlichen Hand und vor allem auch der privaten Krankenversicherung. Im Jahre 2001 sind für gruppenprophylaktische Maßnahmen von den Kassen 63 Millionen Mark ausgegeben worden.

Eine grobe Statistik

Es ist nicht einfach, die unterschiedlichen Ansätze der Gruppenprophylaxe in eine einheitliche Statistik zu pressen. Dennoch ein paar Zahlen dazu: Es gibt in Deutschland 16 Landesarbeitsgemeinschaften und rund 364 Arbeitsgemeinschaften. Die letzte Jahresauswertung der DAJ für das Jahr 2000/2001, an der sich 14 LAGen beteiligt haben, gibt einige aufschlussreiche Angaben: Durchzuführende Aktivitäten wurden auf 7,2 Millionen Personen erstreckt. In Kindergärten wurden rund zwei Millionen Kinder erreicht, in Grundschulen drei Millionen, 400 000 in den weiterführenden Klassen fünf und sechs und weitere 215 000 in Sonderschulen und Behinderteneinrichtungen. Prophylaxeimpulse, zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Reihenuntersuchung, wurden 420 000 Kindern angeboten. Intensivprophylaktisch wurden 2 174 Kinder und Jugendliche in verschiedenen Pilotprojekten betreut. 

Der Betreuungsgrad im Kindergarten lag bei 62,3 Prozent, der in den Grundschulen bei 67,3 Prozent, bei den 5. und 6. Klassen bei 21,8 Prozent und in Sonderschulen und Behinderteneinrichtungen bei 43,2 Prozent. Über 11 500 Fachleute kümmerten sich bundesweit um die Maßnahmen der Gruppenprophylaxe.

Dr. Dietmar Oesterreich merkt kritisch an, dass es bei der Gruppenprophylaxe noch keine Flächendeckung gebe. Die Betreuungsquote beim ersten Prophylaxeimpuls liege im Schnitt bei 60 Prozent, bei weiteren Besuchen lasse die Intensität der Impulse deutlich nach. Er fordert deshalb, die Flächendeckung durch noch intensivere Zusammenarbeit zwischen dem Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), den niedergelassenen Zahnärzten und den Mitarbeitern in der Praxis, also unter Nutzung der vorhandenen Ressourcen, zu erzielen. Dabei solle der Ressourceneinsatz risikogerecht erfolgen.  

Ein Blick in die Länder: Einige, zum Beispiel Baden- Württemberg, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz oder Westfalen-Lippe, arbeiten mit Leitlinien oder Empfehlungen zur Durchführung der Gruppenpropylaxe. Eine engagiert durchgeführte und in der Öffentlichkeit stets sehr beliebte Maßnahme sind landesweite Jugendzahnpflegetage, die oft um den Tag der Zahngesundheit am 25. September stattfinden. Diese werden in allen Bereichen zentral oder dezentral organisiert. In einigen Länderbereichen gibt es spezielle Gruppenprophylaxe-Fortbildungsangebote für den Zahnarzt und sein Team (die teilweise auch von Kammern durchgeführt werden), auch für die Fortbildung von Prophylaxe- Fachkräften gibt es Angebote, teils verpflichtend, teils auf freiwilliger Basis. Einige Länder, wie Niedersachsen oder Hessen, schulen Erzieherinnen. In manchen Ländern, etwa Hessen oder Bremen, setzt man auch auf die zusätzliche Kompetenz von Ernährungsberaterinnen, die als Angestellte in den Arbeitsgemeinschaften vor Ort das Team unterstützen.

Aufgrund unterschiedlicher Strukturen und Organisationsformen, verschiedener Kooperationspartner und Fortbildungsangebote sind die Konzepte in den Ländern vielfältig. Es lassen sich – grob skizziert – drei prinzipiell verschiedene Vorgehensweisen unterscheiden:   

• Zahnärzte und ÖGD arbeiten in verschiedenen Kooperationsformen gemeinsam mit Prophylaxefachkräften an der Erfüllung des gesetzlichen Auftrags. Besonders in diesen Mischformen variieren die Konzepte sehr stark. Häufig übernehmen niedergelassene Zahnärzte als zahnmedizinische Obleute und ihre Helferinnen Patenschaften für Kindergärten, während der ÖGD die Versorgung der Schulen sicherstellt. Ausnahmen bestätigen die Regel.

• Die niedergelassenen Zahnärzte und ihre Helferinnen führen die Maßnahmen überwiegend allein durch.

• Der ÖGD führt überwiegend allein die Maßnahmen durch.

Viele Wege führen ans Ziel

Einige Beispiele mögen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – die Vielfalt in der Umsetzung der Gruppenprophylaxe bezeugen. Dazu eine Anmerkung: In diesem Überblicksbericht kann es nicht darum gehen, die Arbeit einiger bevorzugt darzustellen, um andere zu benachteiligen, sondern anhand von Modellen zu veranschaulichen, welche Formen und Möglichkeiten es gibt.    

Das Land Brandenburg ist zum Beispiel das einzige Bundesland ohne eine Landesarbeitsgemeinschaft: Seit 1993 gibt es dort eine Vereinbarung zur Gruppenprophylaxe, bis 1995 gab es auch eine LAG. Seitdem werden alle Belange der Gruppenprophylaxe im Land gemeinsam koordiniert und konzeptionell getragen von Krankenkassen, Zahnärzten und den Trägern des öffentlichen Gesundheitsdienstes, und zwar über den Beirat für Zahngesundheit gemeinsam mit dem Büro der zahnärztlichen Gruppenprophylaxe, erklärt Dr. Gudrun Rojas, Sachgebietsleiterin beim Zahnärztlichen Dienst in Brandenburg und Mitglied des Beirats. Mit der Durchführung der Maßnahmen sei der öffentliche Gesundheitsdienst im Auftrag aller Partner betraut. In einigen wenigen Landkreisen, die vom ÖGD nicht ausreichend abgedeckt werden können, gebe es Kooperationen mit Zahnärzten vor Ort. B e d a r f s g e r e c h t gebe es die basisprophylaktische Betreuung mit je einer Untersuchung und einer Prophylaxemaßnahme im Jahr, sowohl in Kitas wie in Schulen. Diese kann bedarfsgerecht intensiviert werden. Die Situation in Brandenburg gilt als historisch gewachsen und ist auch aus Sicht der dortigen Kammer ein gangbarer Weg mit erfolgreichen Ergebnissen.  

Die Gruppenprophylaxe in Bayern geht ihren ganz eigenen, bayerischen Weg. Auf Verwaltungsseite sind Kammer, KZV und die Verbände der Krankenkassen mit Unterstützung des Staates beteiligt. Aktionen werden über die Kassen finanziert. Durchgeführt werden sie von rund 3 300 niedergelassenen Zahnärzten, die durch eine geringe Teilkostenentschädigung ihren Obolus zum Ganzen beitragen. 

Dr. Klaus Lindhorst, Vorsitzender der LAGZ, erklärt das Konzept, das dahinter steckt: Die Kinder sollten von Anfang an in ihrem Verhalten gesteuert und zur Eigenverantwortung erzogen werden. Nachhaltigkeit erfolge durch Gesundheitserziehung. Auf Reihenuntersuchungen wird in Bayern komplett verzichtet, stattdessen gibt es seit fünf Jahren die Aktion Löwenzahn an allen 2 750 bayerischen Grund- und Förderschulen mit rund 25 000 Klassen. Kinder mit hohem Kariesrisiko sollen so ohne Stigmatisierung identifiziert werden. 

Am Anfang des Schuljahres erhalten alle Schulen die Löwenzahn-Aktionspakete, die auch Elternbriefe enthalten. Mittels eines Verweissystems („Löwenkarten“) zum Hauszahnarzt gewinnen die Zahnärzte einen Überblick über die Beteiligung an der Aktion und eventuelle Defizite in der Versorgung. Die Kinder sammeln in ihren Klassen in speziellen Löwen-Boxen die vom Zahnarzt abgestempelten Löwen-Karten und die Klasse mit den meisten Karten gewinnt einen Preis für die Klassenkasse. Es ist geplant, mit diesen Daten – in Kombination mit der Identifizierung von Schwerpunktschulen nach der kommunalen Sozialstatistik – speziell für diese Schulen ein Intensivprophylaxeprogramm zu entwerfen. Nach einem ähnlichen Prinzip arbeitet die neue Aktion Seelöwe im Bereich der Kindergärten. Lindhorst erklärt, dass die Löwen- Aktion gut eingeführt sei, dennoch gebe es manchmal Probleme, da das Engagement der Lehrer nicht überall gleich sei.  

Das Konzept der Berliner LAG sieht wiederum ganz anders aus. Mitglieder sind die Landesverbände der Krankenkassen, das Land Berlin, die Zahnärztekammer und – mit beratender Stimme – der BZÖG Berlin. Rund 300 000 Kinder bis zum zwölften Lebensjahr werden versorgt, schildert LAG-Geschäftsführer Rainer Grahlen. Das Land Berlin erbringe seinen Beitrag durch die Arbeit der Zahnärztlichen Dienste der Berliner Bezirke. Diese führten einen Prophylaxeimpuls jährlich durch, bestehend aus Vorsorgeuntersuchung und gegebenenfalls theoretisch/praktischer Prophylaxe sowie, wenn erforderlich, auch Fluoridierung.

Der Schwerpunkt der Tätigkeit der LAG liegt im Bereich der pädagogischen Prophylaxe. Hierzu sind täglich 75 speziell geschulte Zahnmedizinische Fachangestellte in allen Kindergärten und Schulen im Einsatz. Mit der Methode des emotionalen Lernens werden die Berliner Kinder dazu motiviert, eigenverantwortlich für ihre Mundgesundheit zu sorgen. In privaten Kindergärten (EKT) wird die Vorsorgeuntersuchung von Honorarzahnärzten durchgeführt, die bei der LAG unter Vertrag stehen. In ganz Berlin bekannt ist das Maskottchen Kroko, das den Kindern zeigt, wie man Zähne putzt.

Mit Beginn des Schuljahres 2003/2004 werde die Gruppenprophylaxe nur noch nach Kriterien der Bedarfsorientierung durchgeführt, erklärt Grahlen. Dort, wo viel Karies anzutreffen sei, werde eine erhöhte Anzahl von Prophylaxeimpulsen durchgeführt, in Einrichtungen mit geringerer Kariesprävalenz werden entsprechende Reduzierungen vorgenommen. 

Spezielle Konzepte

Für die Jugendlichen bis zum 16. Lebensjahr hat die LAG Berlin spezielle pädagogische Prophylaxekonzepte selbst entwickelt. Grahlen berichtet, dass das auf die Jugendlichen zugeschnittene pädagogische Programm gerade auch in sozialen Brennpunkten gut angenommen werde. 

Die Landesarbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege in Hessen (LAJH) bietet eine große Fülle von Materialien zum Thema Zahngesundheit an, die alle Arbeitsgemeinschaften in den Kommunen und Kreisen abrufen können. Dahinter stecke eine Strategie, die zielgruppengerecht zugeschnitten sei und Eltern wie Kinder dort abholt, wo sie stünden, erklärt die LAJH-Vorsitzende Dr. Andrea Thumeyer. Alle Sozialschichten – Kinder wie Eltern – seien dadurch angesprochen. Das geschehe durch Zahnputzutensilien, Spiel- und Arbeitsutensilien (für Kinder und Eltern, auch die, die nicht in die Praxis kommen) und Printprodukte. Gerade im Kindergarten werde das Prinzip des „learning by doing“ groß geschrieben. Bekanntestes Hilfsmittel und Teil der „Marketingstrategie“ der LAJH ist das Maskottchen „Die Hexe Irma“, die sich in allen Materialien wiederfindet: Stundenplan, Zahnputzurkunde oder Tisch-Set zur Gestaltung eines zahngesunden Frühstückstischs beispielsweise. In ganz Hessen wird ein engmaschiges Fortbildungsnetz für verschiedene Zielgruppen angeboten (Basis- und Aufbaufortbildung). Und es gibt sogar spezielle Fortbildungen für Prophylaxehelferinnen zum richtigen Einsatz der Handpuppe. Ziel ist es, bei der Vermittlung mit einer Zunge zu reden.

In Rheinland-Pfalz versorgen niedergelassene Zahnärzte als Obleute sowohl Kindergärten als auch Schulen. Und natürlich wartet auch dieses Bundesland mit Eigenheiten auf. Unter dem Vorsitz von Sanitätsrat Dr. Helmut Stein hat die dortige LAG-Zahngesundheit ein ganz besonderes Prophylaxekonzept entwickelt. Der im Kindergarten eingeleitete Lernprozess zur Zahngesundheitserziehung sollte – so das Credo der LAGZ – nicht mit Verlassen des Kindergartens enden, sondern in der Schule weitergeführt werden. Deswegen wurden an den Schulen in Rheinland-Pfalz bereits 1988 in allen Schulklassen (1. bis 4. Schuljahr) pro Schuljahr zwei Unterrichtsstunden in zahnmedizinischer Vorsorge eingeführt. Inzwischen ist das Schulprogramm intensiviert und auch die 5. und 6. Klassen sind in das Konzept mit einbezogen. Neben dem Prophylaxeunterricht gibt es heute an allen Schulen die verbindliche Untersuchung der Erstklässler sowie ein kontrolliertes Verweissystem der Klassen zwei bis vier mit Rückmeldung und Erinnerung zum Besuch des Hauszahnarztes. Die zahnärztlichen Untersuchungen der Erstklässler sollen den seit 1988 eingeführten Prophylaxeunterricht nicht verdrängen, sondern ergänzen. Keimzelle der Jugendzahnpflege in Rheinland- Pfalz ist die AG Pirmasens-Zweibrücken, die im vergangenen Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum feierte (siehe zm 7/2002, Seite 33). In diesem Jahr werde die LAGZ die Betreuung von Kindern mit hohem Kariesrisiko intensivieren, kündigt Stein an. Ein Modellprojekt werde in Pirmasens-Zweibrücken im September 2003 starten und solle nach Abschluss in ganz Rheinland-Pfalz umgesetzt werden. Es sehe eine intensivprophylaktische Betreuung für alle Sonderschulen und Schwerpunktschulen vor, abgerechnet werde direkt mit der LAGZ. 

Kosten und Nutzen

Der Nutzen präventiver Maßnahmen hängt entscheidend davon ab, ob die jeweilige Zielgruppe erreicht und deren Gesundheitsverhalten im positiven Sinne beeinflusst werden kann. Immer wieder diskutiert wird in diesem Zusammenhang der Kosten-Nutzen- Aspekt der Kariesprophylaxe. Erst vor kurzem brachte Harald Strippel, Medizinischer Dienst der Krankenkassen, diesen Punkt wieder in die fachpolitische Diskussion (Die BKK, 11/2002, Seite 477 ff). Sein Postulat: Gleich effektive Präventionsmaßnahmen seien mit sehr unterschiedlichem Kostenaufwand verbunden. Prophylaxemaßnahmen in zahnärztlichen Praxen seien teuer, Public- Health-Maßnahmen, wie die Verwendung fluoridierten Jodspeisesalzes, hätten eine exzellente Kosten-Nutzen-Relation.  

In ihrer Replik auf den Fachartikel ( Die BKK, 3/2003, Seite 130 ff) arbeiten David Kingenberger, Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ), und BZÄK-Vizepräsident Dr. Dietmar Oesterreich fehlende Aspekte heraus. „Leider argumentiert Strippel auf Kosten einer zukunftsorientierten Einheit primär-, sekundär- und tertiärprophylaktischer Strategieansätze“, kritisieren sie. Eine isolierte Kostenbetrachtung von Präventionsmaßnahmen einzig und allein hinsichtlich ihrer kariesprophylaktischen Bedeutung setze die falschen Signale. Wichtig sei die Stärkung und Verbesserung zielgruppenorientierter Strategien.  

Das Fazit der Autoren: „Bei der Kariesprophylaxe ist eine Gesamtstrategie wichtig.“ In diesem Sinne spielt ruppenprophylaxe eine entscheidende Rolle.

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