Mit privater Lebensphilosophie zum beruflichen Erfolg

Persönlichkeit als Arbeitsgrundlage

Zu dieser Zeit, in der auf allen Gebieten Höchstleistungen gefordert werden, gehören die Zahnärzte zu einer Berufsgruppe, bei der sich Berufliches und Privates nicht wirklich trennen lässt. Je nach Lebensabschnitt werden dabei unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt.

Permanente Reformen in der gesetzlichen Krankenversicherung, eine allgemein wirtschaftlich problematische Situation in Deutschland und ständig steigende Kosten für die Praxis bringen die Zahnärzte in eine Situation, ihre Praxis als Unternehmen neu zu betrachten und zu definieren. Kalkulationen, differenziertes Leistungsangebot und klare Kosten-Nutzenüberlegungen werden für den Zahnarzt von heute zu einer Conditio sine qua non. Dazu kommt je nach Lebensalter die Praxisfinanzierung oder die private Vorsorge für den Lebensabend. In den Jahren dazwischen müssen private Bedürfnisse, familiäre Situationen und gesundheitliche Notwendigkeiten finanziert werden. Der

Zahnarzt wird in Deutschland zwar hervorragend fachlich ausgebildet, jedoch nicht betriebswirtschaftlich. Sofern man diese betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten nicht durch familiäre Umstände bereits in die Wiege gelegt bekommen hat, belasten sie einen Zahnarzt zusätzlich zu all den Schwierigkeiten des Praxisalltags enorm. Er ist nicht in der Lage, konkret entscheiden zu können, was für ihn persönlich die richtige Lösung darstellt. Er kann es nicht wirklich vergleichen, weil ihm das Basiswissen dazu fehlt. Außerdem ist für diese Entscheidungsfähigkeit mit weitreichenden Konsequenzen ein grundsätzlicher Lebensplan erforderlich.

Innerhalb der mindestens 30 Jahre des aktiven Berufslebens gibt es verschiedene Lebensphasen mit individueller Gewichtung. Die persönliche Lebensphilosophie ist jedoch die Grundlage für die Art der jeweiligen Praxis. Es stellen sich grundlegende Fragen.

• Kann und möchte ich viel delegieren?

• Möchte ich eine große mit Kollegen betriebene Praxisgemeinschaft?

• Entspricht mir eher eine kleine überschaubare Einzelpraxis?

• Bin ich als Behandler eher der „High-Tech-Typ“, der vom digitalen Röntgen bis zum Computerbestellsystem alles auf diesem Wege löst?

• Bin ich mit der Technik nicht so angefreundet, dass ich ständig mit ihr umgeben sein möchte?

• Lege ich Wert auf Service?

• Bin ich als Person familienorientiert?

• Bin ich gesundheitlich eingeschränkt oder nicht mehr so leistungsfähig?

Die Persönlichkeit wird durch bestimmte Aspekte ausgemacht. Anhand der drei Säulen „Beruf“, „Familie“ und „Freizeit“ lässt sich die Authentizität ablesen, die für jeden individuell verschieden aussieht. Authentizität bedeutet laut Duden „Echtheit“, „Zuverlässigkeit“ und „Glaubwürdigkeit“.

Dieses „Echtsein“, diese authentische Haltung und das äußere Verhalten bilden die Basis für die jeweils persönliche Lebensphilosophie. Diese wiederum ist eine Frage des Persönlichkeitstyps, des Charakters und der augenblicklichen Ist-Situation. Zudem ändert sich die persönliche Lebensphilosophie mit den Jahren entsprechend den Lebensphasen, die man gerade durchlebt. Daher sollte man für sich eine persönliche Zielsetzung spätestens alle fünf Jahre neu formulieren.

Es ist ein Unterschied, ob ein Zahnarzt zum Ende seiner Assistenzzeit seine beruflichen und privaten Ziele festlegt, oder zehn Jahre nach selbstständiger Tätigkeit und beispielsweise einer Scheidung – oder mit 60 Jahren, im Hinblick auf ein Leben ohne Praxis. Je klarer sich der einzelne über den Zuschnitt seiner Persönlichkeit und die augenblicklichen Bedürfnisse ist, umso authentischer kann er sein Leben beruflich wie privat ordnen.

Zu der persönlichen Lebensphilosophie eines Praxisinhabers muss auch das Mitarbeiterteam passen. Sinn eines Teams ist es, verschiedene Persönlichkeitsfacetten in einer Praxis zu repräsentieren. Diese verschiedenen Persönlichkeiten müssen jedoch alle kompatibel sein zum Praxisinhaber und seiner Philosophie.

Ebenso werden das Design und die Ausstattung der Praxis den Persönlichkeitstyp des Behandlers repräsentieren. Ob klar, nüchtern, sachlich, in weiß, Glas, Chrom oder eventuell blau, oder mit Holzmöbeln, gelb, rot, grün und eher verspielten Elementen, hängt vom Geschmack des Zahnarztes und seiner Vorstellung von Wohlfühlambiente ab.

All dies sind nonverbale Botschaften über die Persönlichkeit des Praxisinhabers.

Auch gehört die Corporate Identity – mit Farben, Schild, Briefkopf, Briefpapier und all den anderen Accessoires – zu diesen nonverbal wirksamen Zeichen. Die Corporate Identity repräsentiert hoch verdichtet das Lebensgefühl und die Idee, die hinter dem Praxiskonzept stehen.

Dementsprechend gestaltet sich die Zielgruppe jeder einzelnen Praxis. Hierzu stellen sich grundsätzliche Fragen.

• Welche Patienten passen zu mir?

• Welche Patienten möchte ich gewinnen und langfristig an mich binden?

• Mit welchen Patienten kann ich verwirklichen, was ich mir für mein berufliches Leben vorstelle?

• Bei welchen Patienten löse ich die beste Resonanz aus?

Nach genau diesen Kriterien richtet sich auch die individuelle Spezialisierung der Praxis. Auch das Leistungsportfolio einer Praxis hängt von den Präferenzen des Praxisinhabers ab. Jede Form von Spezialistentum basiert auf einer Leidenschaft. Ob diese Leidenschaft der Endodontie gilt oder der Implantologie, ist eine Frage des Behandlertyps. Die Basis für Motivation wird durch folgende Aspekte gebildet:

• die Art der Praxis

• das Mitarbeiterteam

• das Praxisdesign

• die Spezialisierung

• die Zielgruppe

• die Corporate Identity

Motivation wird dabei von verschiedenen Ebenen aus betrachtet: Für den Praxisinhaber, für die Mitarbeiter und für die Patienten. Motivation auf diesen drei Ebenen ist nur bei echter Authentizität möglich.

Der Praxisinhaber selbst ist der Magnet einer Praxis. Um ihn gruppieren sich das Mitarbeiterteam und die Patienten. Wie bei einem Magneten richten sich Mitarbeiter und Patienten nach ihm aus. Es gilt: „Jeder hat die Patienten, die er verdient.“ Wir vermitteln den ganzen Tag über bestimmte Botschaften über unsere Persönlichkeit und bekommen entsprechende Resonanz von unserer Umwelt zurück.

Authentisch verhalten

Je authentischer und echter man sich verhält und nach Außen zeigt, um so leichter lebt es sich im Beruf. Wenn man sich so geben kann, wie man ist, getragen von einem harmonischem Team, das mit einem selbst auf einer Wellenlänge liegt, kann das echte Patientenbegeisterung erzeugen.

Diese Begeisterung in eine langfristige Patientenbindung zu verwandeln macht nur Sinn, wenn es genau die Leute sind, mit denen man den Rest seines Berufslebens verbringen möchte; exakt die Patienten, die zu einem passen. Für den Praxisinhaber hat dies im Gesamtergebnis positive Folgen.

Persönlicher Erfolg– da man sich oft über die Praxis und deren Erfolge definiert.

Fachlicher Erfolg– der einen Zahnarzt persönlich bestätigt.

Wirtschaftlicher Erfolg– mit einer erfolgreichen Praxis.

Erfüllung in der Spezialisierung– wenn man sich genau auf das konzentrieren kann, was man am liebsten tut.

Wohlfühlfaktor Praxis– getragen zu werden in einer stabilen Praxissituation, auch über schwierige Momente persönlicher Krisen hinweg.

Die viel beklagte Selbstständigkeit hat nicht nur Nachteile, sondern auch enorme Privilegien. Ein Privileg ist zum Beispiel die Möglichkeit der Selbstverwirklichung in der Praxis. Denn die Praxis soll nicht nur dem Patienten eine Wohlfühlkomponente bieten, sondern auch dem Zahnarzt. Wieviel Zeit nimmt man sich zum Beispiel, um sich eine Wohnzimmercouch auszusuchen? Durchschnittlich drei bis vier Monate, je nach Perfektionismus und Geschmack. Realistisch betrachtet verbringt man als Zahnarzt auf seiner Wohnzimmercouch maximal zehn Prozent der Zeit, die man in der Praxis verbringt. Aus dieser Überlegung heraus sollte man sich für die Einrichtung der Praxis mindestens zehn Mal so viele Gedanken machen und Zeit nehmen, wie für die Ausstattung des Wohnzimmers.

Je passender eine Praxis zum Behandlertyp eingerichtet und ausgestattet ist, umso wohler fühlt man sich dort. Das bedeutet eine deutlich erhöhte Leistungsfähigkeit und viel mehr Freude an der Arbeit. Dadurch entsteht ein neues Lebensgefühl, das die Bewältigung der täglichen Krisen – und Stresssituationen wesentlich vereinfacht. Auf unvorhergesehene Katastrophen hat man keinen Einfluss, auf die Gestaltung der eigenen Praxis wohl.

Die Spezialisierung kann eine echte Chance sein. Als Selbstständiger hat man nicht nur die Last der Eigenverantwortung, sondern auch die Möglichkeit der Eigengestaltung. Es kann auch ein Geschenk sein, keinen Chef zu haben, um sich wirklich mit den Gebieten der Zahnheilkunde zu beschäftigen, die einem ausgesprochen wichtig sind. Mindestens die Hälfte seines Arbeitstages mit Lieblingsbeschäftigungen zu verbringen, macht ebenfalls viel mehr Spaß, als mit so genannten „Pflichtübungen“.

Erfolg inspiriert und motiviert. Begeisterte Mitarbeiter, ein motiviertes Team und eine harmonische Arbeitsatmosphäre und -umgebung stellen eine ganz neue Basis für Patientenbindung dar. Dabei geht es nicht nur um langfristige Bindung, sondern auch um echte Begeisterung. Je wohler man sich in seiner eigenen Praxis fühlt, umso leichter und spielerischer geht einem die Arbeit von der Hand und umso mehr kann man sich auf das „soziale Handling“ mit den Patienten konzentrieren.

Rücken freihalten

Das gleiche gilt für die eigenen Mitarbeiter, wenn sie im Praxisservice geschult und ausgebildet wurden. Es erleichtert dem Praxisinhaber die Arbeit und hält ihm den Rücken frei für ausgesprochene Chefaufgaben, die ausschließlich er in der Praxis ausführen kann. Beispielsweise kann der Zahnarzt als einziger implantieren, während Telefonate zu 90 Prozent von seinen Mitarbeiterinnen übernommen werden können.

Welchen Sinn macht es, sich in so einem umfangreichen Maße persönlich darzustellen? Viele wollen gar nicht soviel von ihrer Persönlichkeitsstruktur zeigen. Patienten und Mitarbeiter sind den ganzen Tag in engem Kontakt mit dem Praxisinhaber, und es wäre eine Illusion zu glauben, er würde dadurch nicht genauestens wahrgenommen werden. Allein durch die räumliche Nähe ist das unvermeidbar.

Je authentischer er sich nun verhält, je „echter“, umso mehr Vertrauen wird er bei Patienten und Mitarbeitern auslösen. „Persönliches Outing“ führt unmittelbar zu einer klaren, bestechenden Glaubwürdigkeit. Da fachliche Kriterien für Patienten und auch für manche Mitarbeiter nur bedingt greifbar sind, wird sich das Patientenvertrauen und die allgemeine Glaubwürdigkeit immer auf der persönlichen Ebene manifestieren. Die fachliche Kompetenz ist dabei in der Beurteilung zweitrangig, weil sie von den meisten nicht eingeschätzt werden kann. Authentizität und Glaubwürdigkeit hingegen werden von jedem einzelnen wahrgenommmen, der die Praxis betritt. Dies zu erkennen ist eine Frage der so genannten emotionalen Intelligenz. Der gefühlsmäßige Instinkt, bei jedem einzelnen zweifelsfrei vorhanden, ist nicht rational korrumpierbar, lässt Patienten Vertrauen fassen und entscheidet, in welcher Praxis er bleiben möchte und wo nicht.

Schwierige Patientenfälle, komplexe Persönlichkeitstypen, die den Zahnarzt fachlich wie psychisch an die Grenze bringen, sind heute keine Seltenheit. Je authentischer sich der Zahnarzt verhalten kann, umso klarer ist er vor allem im Umgang mit schwierigen Behandlungsfällen, ohne sich in irgendeiner Form verbiegen zu müssen. Diese Klarheit überträgt sich auch auf Mitarbeiter und Patienten. Insgesamt ist die ganze Praxisatmosphäre entspannter.

Auf der Basis dieser entspannten Praxisatmosphäre setzt der Behandler neue Energiereserven frei. Die Arbeit fällt ihm leichter und kostet ihn nicht mehr soviel Kraft. Die klare Kommunikation verhindert Reibungsverluste mit Mitarbeitern und Patienten und setzt dadurch insgesamt mehr Kapazitäten frei. Diese Kapazitäten kann man für Patientenbehandlung, Fortbildung, Teamarbeit, Hobbies oder für den Schwerpunkt Familie verwenden.

Zufriedenheit

Es lohnt sich, die Praxis als Ausdruck der eigenen Persönlichkeit zu sehen. Das verschafft eine große Zufriedenheit bei vielem, was man dort tut. Im Sinne des Salutogenesemodells nach Antonovsky ist es im ureigensten Interesse des Praxisinhabers, sich sein Arbeitsleben so gesundheitsfördernd und Gewinn bringend wie möglich zu gestalten.

In diesem Modell zeigt er keine Ermüdungserscheinungen im Vergleich zu den Aufgaben, die er ungern erledigt, und das setzt eine große Motivation frei – für ihn selbst, die Mitarbeiter und die Patienten. Je wohler sich ein Zahnarzt fühlt und je mehr Authentizität er sich zugesteht, umso besser sind auch seine Therapieerfolge. Dann ist die Notwendigkeit, strikt zwischen Beruf und Privatleben zu trennen, in diesem Ausmaß auch nicht mehr vorhanden.

Statt Persönlichkeitsteile abzuspalten ist ein facettenreiches Leben einer komplexen Persönlichkeit eine wesentlich gesündere Idee. Dies ist die beste Burn-out-Prophylaxe und kann Zahnärzte an ihrem Beruf Spaß und Freude haben lassen – Jahrzehnte lang.

Dr. Martina ObermeyerKocheler Straße 182444 Schlehdorfwww.aufwind.org

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