Streit um „Praxisgebühr”
Bis zu 3,2 Milliarden Euro erhofft sich das Bundesgesundheitsministerium an zus tzlichen Einnahmen f r die Krankenkassen durch die Einnahme von zehn Euro pro Patient je Quartal im Jahr, zahlbar von jedem gesetzlich krankenversicherten Patienten ab 18 Jahren f r rztliche, zahn rztliche oder psychotherapeutische Behandlung. F r weitere Termine, die auf berweisung erfolgen, wird nicht gezahlt, so die Forderungen der Gesetzgeber.
Das Resultat dieser Regelung: Ab 2004 haben die Leistungstr ger im Gesundheitswesen die Aufgabe, als Geldeintreiber f r die Krankenkassen zu fungieren. Ein Unding, meinen viele Heilberufler und reagierten mit breitem Protest. Berlins Zahn rzte haben in zwei Wochen 60 000 Unterschriften von Patienten gesammelt, die mit der Zwangsgeb hr nicht einverstanden sind. In Brandenburg waren es 26 000 Unterschriften, in Bayern ber 150 000 Patienten, deren Protest die Zahn rzteschaft per Unterschriftensammlung bei Landesvater Edmund Stoiber ablieferte.
Noch mehr Bürokratie
Die Geb hr erh ht wesentlich die Hemmschwelle f r einen Praxisbesuch und wirkt kontraproduktiv auf die Vorsorge , warnte BZ˜K-Vizepr sident Dietmar Oesterreich vor den m glichen gesundheitlichen Folgen der neuen Regelung. Ein zukunftsweisendes Modell ist das nicht , moniert auch der amtierende KZBV-Vorsitzende Dr. J rgen Fedderwitz die Vorstellungen der Gesetzgeber: Statt einer Entb rokratisierung schafft man mit Patientenquittungen und Praxisgeb hren neuen b rokratischen Aufwand. Und der ist nicht ohne, wie die Verwirrung ber die k nftige Abwicklung der gesetzlichen Vorgaben zeigt. Der Gesetzgeber hat im Einzelnen nicht gekl rt, wer die Kassengeb hr zahlt, wer sie erhebt, wann und wann nicht gezahlt wird, wie quittiert wird, wie der Arzt dokumentieren soll, wie die Patienten informiert werden, wie der Arzt erf hrt, dass die Kassengeb hr schon entrichtet ist, wie die Honorarbescheide gestaltet werden, und so weiter und so fort. All diese Punkte sollen, so der Wille des Gesetzgebers, zwischen Krankenkassen und den rztlichen und zahn rztlichen Selbstverwaltungen ausgehandelt werden. Verwirrt scheinen vor allem die Patienten: Sie wollen vielfach schon jetzt die zehn Euro bezahlen: Praktisch jeder Hausarzt hat das schon erlebt , so Frank Naundorf von der Kassen rztlichen Vereinigung Nordrhein.
Die Kassen rztliche Bundesvereinigung (KBV) steht in Akzeptanz der Praxisgeb hr zur Zeit in Gespr chen mit den gesetzlichen Krankenkassen, um die Einzelheiten zu kl ren. Ein Streitpunkt: Die KBV hat von den Kassen eine Entsch digung f r den b rokratischen Aufwand gefordert, der in jeder Praxis bei Durchf hrung der neuen Regelung entsteht. Das Veto des Bundesgesundheitsministeriums kam prompt: Das ist nicht die Verabredung , so Ministeriumssprecher Klaus Vater gegen ber der Nachrichtenagentur dpa. Und dessen Chefin, Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, forderte lapidar, jetzt m sse sich jeder bewegen: F r alle, die auf ihren St hlen sitzen bleiben, wird es schwierig. Aber wohin in dieser Reise nach Jerusalem , bei der laut Regel nicht jeder einen Sitzplatz beh lt?
Fest steht, dass die Praxisgeb hr kein Pappenstiel ist: Beim Allgemeinmediziner betrage das Honorar pro Patient im Quartal durchschnittlich 35 Euro, so Sachsen-Anhalts KV-Chef Burkhard John. Der Patient bernehme also k nftig einen betr chtlichen Teil der Kosten f r die ambulante Behandlung selbst.
Komplizierte Lösung
˜rzten und Patienten wird Behandlungszeit gestohlen und einer berbordenden und berfl ssigen B rokratie geopfert , klagt auch Baden-W rttembergs KV-Chef Werner Baumg rtner: Wenn die Kassen zu wenig Geld haben, dann sollen sie es sich doch ehrlicherweise auch selbst bei den Versicherten holen.
Die Vorstellungen der Kassen sind aber noch komplizierter: Sie wollen Versicherten als Belohnung f r gesundheitsbewusstes Verhalten die Praxisgeb hren erlassen oder reduzieren. Dorothee Meusch, Sprecherin der Techniker Krankenkasse: Wir pr fen das sehr intensiv und sind sehr interessiert, das auch zu nutzen. Desgleichen die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) oder auch die Barmer Ersatzkasse.
Auf ˜rzteseite ist das Vorgehen der KBV in Sachen Praxisgeb hr stark umstritten. Was die Zahnheilkunde betrifft, kommt das Ansinnen des Gesetzgebers ohnehin einer Sippenhaftung gleich. Der amtierende KZBV-Vorsitzende Fedderwitz: F r den zahn rztlichen Bereich ist das Instrument der Praxisgeb hren unsinnig, weil es das so genannte ˜rztehopping, das man damit steuern will, hier nicht gibt.
Selbst das Ministerium, so best tigt in Anrufen mit der KZBV, wei zur Zeit nicht, ob k nftig im Quartal 20 Euro f r rztlich/psychotherapeutische und zahnrztliche oder 30 Euro f r je alle drei Bereiche anfallen. Fedderwitz: Solange die vielen offenen Fragen von Dokumentationspflichten in der Praxis ber steuerliche Aspekte bis hin zum Kontrollorgan KZV nicht gekl rt sind, solange hat diese Geburt in Stei lage keine Zukunft.