Der Bema ist noch ein hartes Stück Arbeit
zm:Herr Dr. Fedderwitz, am 10. März hat der Vorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Rolf- Jürgen Löffler, angesichts der für ihn nicht mehr haltbaren Lage in der Gesundheitspolitik seinen Rücktritt erklärt. Wird sich diese Entscheidung auf die weiteren Verhandlungen um den neuen Bema spürbar auswirken?
Dr. Fedderwitz:Der KZBV-Vorsitzende hat in seiner Erklärung zum Rücktritt die Bedenken geäußert, dass angesichts des vorliegenden Rohentwurfs der Bundesgesundheitsministerin für eine Gesundheitsreform die für die Zahnärzteschaft anstehenden Verfahren weder zielführend noch zukunftsweisend erscheinen. Aber auch wenn wir den Rücktritt des Kollegen Löffler bedauern und die von ihm aufgezeigten Probleme und Schwierigkeiten in der derzeitigen politischen Auseinandersetzung auch sehen, ziehen wir anderen Vorstandsmitglieder nicht die gleichen Konsequenzen. Wir werden unsere Sacharbeit im Bundesausschuss und im Erweiterten Bewertungsausschuss fortsetzen. Gerade angesichts der möglichen Folgen dieser falschen Weichenstellungen für unsere Patienten und die Kollegenschaft werden wir den Dialog mit der Politik fortsetzen, die Vorschläge der Zahnärzteschaft weiterhin in den laufenden Entscheidungsprozess einbringen. Hier haben wir im Sinne der Zahnärzteschaft eine klare Aufgabe.
zm:Bisher haben die Ausschüsse die für die Erfüllung des Gesetzgeberauftrags aus 2001 festgelegten Fristen nolens volens zweimal verlängert. Werden die Arbeiten diesmal rechtzeitig zu Ende geführt?
"Eine wirklich präventionsorientierte Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ist nur dann realisierbar, wenn die bestehenden Erstattungssysteme grundlegend geändert werden.
Dr. Günther E. Buchholz
Dr. Buchholz:Der Gesetzgeber hat mit seiner Forderung gemäß der im Jahr 2000 neu gefassten Paragraphen 87 und 92 des Sozialgesetzbuches V wohl nicht überschaut, welche umfangreiche Aufgabe er den Verhandlungspartnern da auferlegt hat. Dennoch: Wir arbeiten in den Gremien nach einem selbst auferlegten, genau abgestimmten Zeitraster mit fest terminierten, inhaltlich genau vorbereiteten Sitzungsfolgen.
Wir Zahnärzte sind sowohl im Bundesausschuss Zahnärzte und Krankenkassen wie auch im Erweiterten Bewertungsausschuss zügig und offensiv tätig. Die bisher erfolgten, sehr umfangreichen Vorarbeiten laufen so, dass für die letzte Sitzung am 14. Mai die entsprechenden Grundlagen und die Vereinbarungen getroffen werden können. Dennoch, bis dahin bleibt noch ein hartes Stück Arbeit.
Das System setzt Grenzen
Dr. Fedderwitz:Die beiden zurückliegenden zeitlichen Aufschübe waren allerdings unabänderlich. Der Gesetzgeber hatte hier anfänglich weniger Verständnis und Einsicht. Es ist sogar zu Drohungen seitens des Gesetzgebers gegen die Selbstverwaltungen gekommen. Trotzdem haben die Vorsitzenden und die verhandelnden Parteien ihre Arbeit sachlich fortgesetzt. Die Fristen wurden auf den realistischerweise frühest möglichen Termin verlängert. Und der wird jetzt im Mai erreicht sein.
zm:Basis für dieses Vorgehen war das auch als Jahrhundertwerk bezeichnete Vorhaben, die Zahnheilkunde vollkommen neu zu beschreiben. Ist diese gemeinsam von Bundeszahnärztekammer, Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung und Deutscher Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde bewältigte Aufgabe jetzt allgemein akzeptierte Grundlage für die Ausgestaltung des Bema?
Dr. Fedderwitz:Das umfassende Werk auf Basis wissenschaftlicher Expertisen ist selbstverständlich Grundlage für die anstehenden künftigen Ausrichtungen des Faches innerhalb unseres Gesundheitswesens. Das war der Sinn dieses ja auch umfangreichen Neuansatzes – die vollständige Beschreibung einer befund- und patientenorientierten Zahnheilkunde.
Allerdings stößt die Neubeschreibung im Sachleistungssystem an klare Grenzen: Wenn etwas in der Neubeschreibung als Indikation aufgeführt ist, heißt das noch nicht, dass Krankenversicherungen die Kosten dafür auch übernehmen. Wenn der Gesetzgeber in seinem Auftrag an die Selbstverwaltung eine Neuorientierung unseres Faches fordert, muss er wissen, dass er im Rahmen des bestehenden Sachleistungssystems nicht alles an beschriebenen Leistungen bekommen kann. Noch mehr Leistungen für immer weniger Geld sind nicht machbar. Zahnheilkunde ist kein Selbstbedienungsladen zu staatlich diktierten Dumpingtarifen. Dieser Katalog der neu beschriebenen Leistungen ist ohnehin nicht innerhalb eines Sachleistungssystems umsetzbar. Das geht nur mit mehr Eigenverantwortung und Selbstbeteiligung unserer Patienten.
Die Neubeschreibung als Regulativ
Dr. Buchholz:Ziel des Gesetzgebers ist es, mit Hilfe der Neubeschreibung eine, wie es im Gesetz heißt, ursachengerechte, Zahnsubstanz schonende und präventionsorientierte Versorgung zu ermöglichen. Dieses Ziel geht weit über die Förderung reiner primär-prophylaktischer Leistungen einer Karies- oder Parodontitis-Prophylaxe hinaus. Bundeszahnärztekammer, Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung haben deshalb in der Präambel zur Neubeschreibung ausdrücklich darauf verwiesen, dass sie eben nicht mit einem neuen Leistungskatalog von Kostenträgern, einer neuen Gebührenordnung oder gar einem neuen Bema verwechselt werden darf.
Die Neubeschreibung ist umfassender Orientierungsrahmen, kann als Regulativ dienen und zeigt auf, was nach gegenwärtigem Stand möglich ist. Aber eine wirklich präventionsorientierte Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ist nur dann realisierbar, wenn die bestehenden Erstattungssysteme grundlegend geändert werden.
Dr. Fedderwitz:Und das liegt nicht in der juristischen Kompetenz der Ausschüsse, ist also an dieser Stelle so nicht umsetzbar. Deshalb müssen wir die Politik überzeugen, dass es ohne strukturelle Änderungen nicht gehen wird. Anders als es die Neubeschreibung möglich erscheinen lässt, müssen wir unsere Erwartungshaltung für den jetzt anstehenden Bewertungsmaßstab deutlich niedriger ansetzen. Unter den gegebenen Umständen der Budgetierung wird es vorrangig um eine Umrelationierung des Bestehenden gehen können.
zm:Angesichts der Rahmenbedingungen zu den Verhandlungen, wie sie sich vor dem Hintergrund der gesundheitspolitischen Lage darstellen, haben viele kaum Hoffnung auf eine Besserung der Situation. Ist vor diesem Hintergrund gegenwärtig überhaupt der richtige Zeitpunkt zur Verhandlung neuer Konditionen?
Es kann nicht um „mehr Geld“ gehen
Dr. Buchholz:Der Gesetzgeber hat Zahnärzteschaft und Krankenkassen diesen Auftrag erteilt. Grundsätzlich gilt: Obwohl der Bewertungsmaßstab in den letzten zwanzig Jahren mehrmals verändert worden ist, geht er nach wie vor in seinen Grundzügen auf die GOZ von 1965 zurück. Seit dieser Zeit haben die finanziellen Grenzen der Krankenversicherungen eine ausreichende Anpassung von GOZ oder Bema an die Entwicklung der Zahnheilkunde verhindert. Das ist kein haltbarer Zustand.
Dr. Fedderwitz:Wir wissen alle, dass jeder in diesem Sachleistungssystem ausgehandelte neue Bema in der Zahnärzteschaft keine wirklichen „Hurra-Schreie“ auslösen kann. Dennoch müssen wir diese Aufgabe für uns gut lösen. Noch einmal: Verhandelt wird nicht die Ausweitung des Budgets, sondern eine punkt- und zeitsummenneutrale Neurelationierung der zahnmedizinischen Leistungsbereiche. Das war von vornherein klar. Es kann also in der Gesamtbetrachtung nicht um „mehr Geld“ gehen – und auch nicht um mehr Leistung zum gleichen Geld.
Aber es geht um eine größere Gerechtigkeit in der Bewertung der einzelnen Maßnahmen für die tägliche Arbeit in unseren Praxen. Hier hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu viel verändert, als dass es durch den gegenwärtigen Bema noch sinnvoll aufgefangen werden könnte. Wir brauchen wenigstens den Einstieg in den von allen Seiten geforderten Paradigmenwechsel. Es muss uns Zahnärzten endlich wieder möglich gemacht werden, Zahnheilkunde nach aktuellem Stand im Interesse unserer Patienten auch mit entsprechenden Grund lagen in der gesetzlichen Bewertung auszuüben.
zm:Ein wichtiges Kriterium zur Bewertung zahnärztlicher Leistungen soll, so der Gesetzgeber, die Arbeitszeit sein. Bieten die zwei Studien für die gemessenen Arbeitsabläufe hier eine vergleichbare Bandbreite und damit ein realistisches Verhandlungsspektrum?
Dr. Buchholz:Die vom Institut der Deutschen Zahnärzte im Rahmen der BAZ II-Studie und die von den Krankenkassen erhobenen Zahlen sprechen hier schon eine weitgehend vergleichbare Sprache. Wichtig ist allerdings, und darauf legt insbesondere die IDZ-Studie besonderen Wert, dass der Ansatz zur Bewertung der zahnheilkundlichen Leistung umfassend sein muss. Nicht nur der Zeitfaktor, sondern auch die mentale und körperliche Belastung sind – wie in den meisten anderen Berufen auch – Kriterien, die bei der Bewertung unserer Leistung berücksichtigt werden müssen. Es ist nicht einzusehen, warum gerade unser Berufsstand in der Bewertung seiner Leistungen – anders als in allen anderen berufsspezifischen Einschätzungen von Arbeit – allein auf den Zeitfaktor reduziert werden soll.
Jetzt die richtigen Schritte tun
zm:Die Gesundheitsministerin hat einen Entwurf für eine neue Gesundheitsreform vorgelegt, der Bundeskanzler in seiner Rede an die Nation seine Vorstellungen über eine Sozialreform angedeutet. Aufgrund des Bund-Länder- Machtgefälles von Rot-Grün werden die Oppositionsparteien in den anstehenden Reformdebatten allerdings ein gehöriges Wort mitzureden haben. Und deren Vorstellungen sind vollkommen andere. Sie prüfen zurzeit sogar die Herausnahme der zahnärztlichen Versorgung aus dem GKV-Leistungskatalog. Wird der Gesetzesauftrag aus dem Jahr 2000 bald von der politischen Realität überholt?Dr. Fedderwitz:Die Überlegungen zeigen, wie überfällig nicht nur Reformen sind, sondern auch, wie überholt das derzeitige System ist. Der Gedanke, bestimmte Leistungen könnten aus dem künftigen GKV-Katalog ausgegrenzt werden, schafft sicherlich die eine oder andere interessante Denkvariante zur Beurteilung eines neu auszuhandelnden Bema. Gleichwohl: Die Vorsitzenden beider Ausschüsse müssen auf Grundlage bestehender Gesetze arbeiten.
Uns Zahnärzten muss klar sein, dass es für unseren Berufsstand weit schlimmer wäre, wenn wir diese Aufgabe aus Mutmaßungen über künftige Gesetzgebungen allein den Krankenkassen und dem Gesetzgeber überließen. Es kommt vielmehr darauf an, jetzt die für die künftige gesetzliche Ausgangslage richtigen Schritte zu tun. Das ist, zugegeben, ein manchmal schmerzhafter Spagat.
Das Interview führte zm-Chefredakteur Egbert Maibach-Nagel