Reform bringt keine große Beitragssenkung

Gegenwind für Ulla Schmidt

Allen Bedenken der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zum Trotz versprach Ulla Schmidt niedrigere Beiträge für das neue Jahr. Es kam, wie es kommen musste: Die Kassen stehen vor einem Schuldenberg – viele wollen ihre Sätze nicht senken. Die Gesundheitsministerin droht – bislang aber ohne Erfolg.

Mit Spannung erwarteten die gesetzlich Versicherten den 1. Januar 2004, sollten die Kassen doch heute ihre Mitgliedssätze drastisch herabsetzen und die Mehrbelastungen der Gesundheitsreform ausgleichen. Doch ein Blick auf die Beitragslisten sorgte für Enttäuschung: Geändert hatte sich wenig, geminderte Beiträge bleiben die Ausnahme.

Dennoch schwört Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) nach wie vor Stein und Bein, dass die Reform „weniger Beiträge für alle“ bringen werde. Einwände der Kassen, das derzeitige Milliardendefizit ließe keine Beitragssenkungen zu, verhallen ungehört. Jetzt will Schmidt die GKV zwingen, einen Großteil der durch den Reformkompromiss erzielten Einsparungen direkt an die Versicherten weiterzugeben.

Zu diesem Zweck änderte sie sogar das Gesetz: Waren die Kassen vor der Reform rechtlich verpflichtet, zuerst ihre Schulden abzutragen und Rücklagen zu bilden, sollen sie nun vorrangig die Beiträge senken. So steht es im überarbeiteten Fünften Sozialgesetzbuch (SGB V), Paragraph 220.

Falls die Mehrzahl der GKVen nicht bis Juli ihre Tarife gesenkt habe, legt die Ministerin nach, will sie die zuständigen Aufsichtsbehörden einschalten.

Doch die Kassen wollen sich nicht unter Druck setzen lassen, erst recht nicht durch eine Anordnung von oben: „Wir können die Beiträge nicht auf Pump senken“, stellte AOK-Chef Hans-Jürgen Ahrens öffentlich klar. Keine Aufsichtsbehörde könne die Kassen dazu bewegen, den Beitragssatz zu senken, wenn sie anschließend deswegen neue Schulden machen müssten. Die Ministerin könne davon ausgehen, dass allein schon wegen des Wettbewerbs jede Krankenkasse den Beitragssatz verringere, sobald das verantwortbar sei. Die Drohung sei überflüssig und werde keine Konsequenzen haben.

Ahrens steht mit seiner Meinung nicht allein: Auch bei den Innungs- (IKK) und Betriebskrankenkassen (BKK) bleibt der Trend weit hinter Ulla Schmidts Ankündigungen zurück. Insgesamt 170 der 250 BKKen hatten vor Weihnachten unmissverständlich deutlich gemacht, dass sie vorerst mit ihren Beiträgen nicht herunter gehen werden. BKK-Sprecher Florian Lanz hofft unter dem Strich auf ein leichtes Minus – der von Schmidt und Seehofer versprochene Rückgang um 0,7 Punkte sei allerdings jenseits aller realistischen Erwartungen. „Mehr als zwei Drittel unserer Kassen werden ihre Beiträge erstmal stabil halten“, bescheinigte Lanz schon Mitte Dezember der Presse, dasselbe prognostizierte Pressesprecher Joachim Odenbach für die IKKen.

Die BKK Mobil Oil, ehemals billigste deutsche Krankenkasse, erhöhte ihren Beitrag sogar von 12,9 auf 13,6 Prozent, andere BKKen zogen nach. Beim Marktführer AOK senkte nur eine einzige Kasse, und zwar in Rheinland-Pfalz, zum Jahresanfang den Beitragssatz. Die DAK ließ ihren Beitrag zwar um 0,5 Prozentpunkte nach, doch auch wenn die Regierung dies als Erfolg verbuchen will, zählt die Ersatzkasse mit 14,7 Prozent immer noch zu den Spitzenreitern in Sachen Beitragsgeld.

Bloße Lippenbekenntnisse

Dass die vollmundigen Versprechungen bloße Lippenbekenntnisse bleiben, zeichnete sich früh ab. Bereits im Laufe des letzten Sommers erteilten Vertreter der großen Kassen dem Vorstoß der SPD-Frontfrau eine klare Absage.

Bislang konnte die Ministerin kein Versprechen einhalten – das Gesetz erweist sich zunehmend als Makulatur. Trotzdem bleibt Schmidt optimistisch: „Wir stehen fest zu dem Beitragsziel von 13,6 Prozent. Die Entwicklung geht in diese Richtung“, gab sie jüngst durch einen Sprecher bekannt.

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