Krebserkrankungen
Rund 22,4 Millionen Menschen leben derzeit weltweit mit einer Krebserkrankung, und jährlich werden rund zehn Millionen Krankheitsfälle neu diagnostiziert. Das Verhältnis zwischen Männern und Frauen ist dabei insgesamt betrachtet annähernd ausgewogen, denn rund 5,3 Millionen neue Fälle sind es bei den Männern und 4,7 Millionen bei den Frauen. Aufgrund einer Krebserkrankung versterben pro Jahr weltweit 6,2 Millionen Menschen, davon 3,5 Millionen Männer und 2,7 Millionen Frauen.
Krebs ist damit inzwischen für mehr als einen von acht Todesfällen verantwortlich, wie die Europäische Krebsgesellschaft anlässlich ihres wissenschaftlichen Kongresses in Kopenhagen (European Cancer Conference, kurz ECCO) bekannt gab. Die Gesellschaft verdeutlichte dort die aktuellen Zahlen mit einem weiteren Zusammenhang: Krebserkrankungen sind demnach als Todesursache häufiger als HIV/AIDS, die Tuberkulose und die Malaria zusammen.
In Europa wird die Zahl der Krebsfälle auf insgesamt 2,7 Millionen geschätzt, betroffen sind 1,4 Millionen Männer und 1,3 Millionen Frauen. Es kommt zu 1,7 Millionen Todesfällen jährlich, wobei die Männer mit 967 000 Fällen gegenüber den Frauen mit 741 000 Fällen etwas überwiegen. Insgesamt ist die Krebssterblichkeit damit in Europa im internationalen Vergleich am höchsten, auf den Krebs entfallen hier mehr als einer vor vier Todesfällen.
Künftige Entwicklung
Seit Beginn der 90er Jahre ist die Inzidenz der Krebserkrankungen nach Angaben der europäischen Krebsgesellschaft um 19 Prozent, die Todesrate um 18 Prozent gestiegen. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, werden im Jahre 2020 wahrscheinlich rund 15 Millionen neue Krankheitsfälle diagnostiziert werden und die Todesrate wird sich auf zehn Millionen Menschen weltweit gesteigert haben.
Die häufigste Krebserkrankung ist der Lungenkrebs, er zeichnet für 12,3 Prozent der malignen Tumore verantwortlich. Es folgt an zweiter Stelle der Brustkrebs mit 10,4 Prozent der Todesfälle und an dritter Stelle der Darmkrebs mit 9,4 Prozent.
Unterschiedlich ist die Verteilung der Tumore bei den verschiedenen Geschlechtern. So steht bei Männern schon fast traditionell das Bronchialkarzinom an erster Stelle, gefolgt von Magenkrebs und Darmkrebs sowie dem Leberkrebs, dem Speiseröhrenkrebs, dem kolorektalen Karzinom und dem Prostatakarzinom. Bei den Frauen steht das Mammakarzinom an erster Stelle, gefolgt von Lungenkrebs, Magenkrebs, kolorektalem Karzinom, Zervixkarzinom und Leberkrebs. Die Unterschiede sind nach Angaben der Europäischen Krebsgesellschaft wahrscheinlich aber nicht durch eine unterschiedliche genetische Suszeptibilität der beiden Geschlechter für bestimmte Tumorformen bedingt, sondern durch eine unterschiedliche Exposition gegenüber Umweltfaktoren. Zum Beispiel betrifft der Lungenkrebs in den meisten Ländern mehr Männer als Frauen, was direkt damit zu tun hat, dass in aller Regel die Männer mit dem Rauchen weit früher beginnen als die Frauen.
Auch regional gibt es Unterschiede in der Häufigkeit der verschiedenen Tumore. So sind in den nördlichen und westlichen Ländern Europas Krebserkrankungen der Prostata, der Lunge und das kolorektale Karzinom überproportional häufig, während in den östlichen Nationen der Brustkrebs, das kolorektale Karzinom und der Gebärmutterhalskrebs überdurchschnittlich oft vorkommen und im Süden Krebserkrankungen der Lunge, der Harnblase und des Darmes.
Der Anstieg der Krebshäufigkeit hat nach Angaben der Experten mehrere Gründe: Die demographische Entwicklung mit der Zunahme älterer und alter Menschen in der Bevölkerung ist einer davon. Dabei ist die zunehmende Lebenserwartung nur ein Aspekt. Hinzu kommt, so die Epidemiologen, der Baby-Boom in den frühen 50er Jahren, der sich derzeit so auswirkt, dass immer mehr Menschen 50 Jahre und älter sind, also genau in die Jahre kommen, in denen die Gefahr für eine Krebsentwicklung massiv zu steigen beginnt. Es wird deshalb erwartet, dass die Zahl der Krebsfälle schon in naher Zukunft überproportional nach oben schnellen wird. Denn Krebs ist – von vergleichsweise wenigen Fällen abgesehen – nach wie vor eine Erkrankung, die vorwiegend ältere Menschen ereilt. Deren Anteil an der Bevölkerung steigt jedoch erheblich an. „Die absolute Zahl an Krebserkrankungen wird in den frühen Jahren des 21. Jahrhunderts dramatisch ansteigen“, so heißt es in einer Erklärung der Krebsgesellschaft.
Das gilt umso mehr, als „konkurrierende“ Erkrankungen in vielen Fällen besiegt wurden. So gelingt es der modernen Medizin, viele Erkrankungen zu heilen, an denen Menschen früher verstarben, oder zumindest so zu behandeln, dass sie mit dem Leben vereinbar sind. Das gilt zum Beispiel für viele Herz- und Gefäßerkrankungen, aber auch für Leber- oder Nierenerkrankungen, bei denen zudem als ultima ratio eine Organtransplantation möglich ist. Die Menschen leben auch durch diese Entwicklungen länger und kommen in ein Alter, in dem die Krebswahrscheinlichkeit steigt. Hinzu kommt, das betonten die Experten, der moderne Lebensstil mit seinen vielen ungesunden Facetten, der ebenfalls das Auftreten von Krebserkrankungen fördert.
Unzählige vermeidbare Todesfälle
Krebs dürfte damit schon bald die häufigste Todesursache weltweit darstellen. Unzählige Todesfälle aber wären vermeidbar durch eine gesunde Lebensführung sowie forcierte Anstrengungen um Früherkennung und Frühtherapie der bösartigen Tumore. Hinsichtlich der Lebensführung ist primär der Verzicht auf das Rauchen zu nennen, gefolgt von einer gesunden Ernährung mit ballaststoffreicher Kost sowie ausreichender körperlicher Bewegung. Würden die bekannten Faktoren ins reale Leben konsequent übertragen, so ließen sich nach Informationen beim ECCO rund ein Drittel der Krebsfälle verhindern. Durch forcierte Anstrengungen wäre nach Schätzungen der WHO und der Internationalen Union gegen Krebs (International Union against Cancer) ein weiteres Drittel frühzeitig zu erkennen und effektiv zu behandeln. Die beiden Organisationen gehen davon aus, dass sich bis zum Jahre 2020 6,5 Millionen Leben retten ließen, wenn die Anstrengungen in drei Kernbereichen massiv forciert würden, und zwar im Kampf gegen das Rauchen sowie im Kampf gegen Infektionen und bei der Förderung einer gesunden Ernährung und ausreichender körperlicher Aktivität.
Trotz der ansonsten eher düsteren Perspektive gibt es nach Angaben beim ECCO auch positive Nachrichten zum Thema Krebs. So gibt es eine Studie aus der Schweiz, wonach die Todesraten bei den meisten malignen Karzinomen in Europa zu sinken beginnen – mit Ausnahme des Lungenkrebses bei Frauen, bei dem die Todesraten ansteigen von früher unter fünf/100 000 auf derzeit rund 10,7 Todesfälle auf 100 000 Frauen im Alter von etwa 40 Jahren.
Davon abgesehen unterstreicht eine Veröffentlichung der Daten zur Krebsmortalität in der EU für das Jahr 2000 den hoffnungsvollen Trend einer sinkenden Krebsmortalität: Danach hat die Krebssterblichkeit gegenüber dem Jahre 1985 in Europa bei den Männern um zehn Prozent und bei den Frauen um acht Prozent abgenommen. In einzelnen Nationen wurde sogar das damals formulierte Ziel einer 15-prozentigen Reduktion der Krebssterblichkeit erreicht, und zwar in Finnland und Österreich für beide Geschlechter und in Großbritannien, Italien und Luxemburg zumindest für Männer.
Beim ECCO in Kopenhagen wurden außerdem die aktuellen Zahlen zum Fünf-JahresÜberleben bei Krebs bekanntgegeben, wie sie sich aus der neuen internationalen EUROCARE-3-Studie, an der 22 Nationen beteiligt waren, ergeben: Danach gibt es bei den verschiedenen Krebsformen wie erwartet erhebliche Unterschiede mit einer Range von 94 Prozent beim Lippenkrebs bis hin zu lediglich vier Prozent beim Pankreaskarzinom.
Die Fünf-Jahres-Überlebensraten der häufigsten Tumore sind dem Bericht zufolge innerhalb von Europa etwas verschieden:
• Beim Brustkrebs liegen die Überlebensraten bei 58 bis 80 Prozent
• Bei Dickdarmkrebs bei 30 bis 59 Prozent
• Bei Prostatakrebs bei 30 bis 72 Prozent
• Bei Eierstockskrebs bei 24 bis 34 Prozent
• Bei Magenkrebs bei 90 bis 27 Prozent
• Bei Lungenkrebs bei acht bis 15 Prozent.
Krebs – keine Krankheitsentität
Die so unterschiedlichen Zahlen machen einmal mehr deutlich, dass es sich beim „Krebs“ nicht um eine Krankheitsentität handelt, sondern um einen Oberbegriff mit dem eine Gruppe von Erkrankungen bezeichnet wird, die dem gleichen Prinzip folgen. Je nachdem welches Organ betroffen ist, kann die Heilungsrate sehr hoch sein, während die Erkrankung in andere Organsystemen fast immer fatal verläuft, wie die Fünf-Jahres-Überlebensraten zeigen. Allen Krebserkrankungen sind dabei einige Grundprinzipien gemein:
• Es kommt zur Entartung von Zellen und zum Verlust der Kontrolle über die Zellteilung. Dadurch resultiert ein unkontrolliertes Zellwachstum, sei es durch vermehrte Zellteilungen oder dadurch, dass alte Zellen nicht mehr absterben, wie dies ansonsten üblich ist.
• Die Tumorzellen haben die Fähigkeit, sich aus dem Zellverband zu lösen und über die Blutbahn oder das Lymphsystem in andere Körperregionen einzuwandern und dort Tochtergeschwülste, die so genannten Metastasen auszubilden.
Deutliche Fortschritte in der Krebsforschung hat es durch die neuen molekularbiologischen Untersuchungsmethoden gegeben, mit denen es möglich ist, bei verschiedenen Erkrankungen konkret nach Gendefekten zu suchen. Denn dass es bei Krebserkrankungen einen genetischen Hintergrund geben muss, ist bereits seit vielen Jahren bekannt. Es zeigt sich schon in Beobachtungen, wonach bestimmte Tumoren in bestimmten Familien gehäuft vorkommen. Angehörige solcher Familien weisen somit für diese Tumore zwangsläufig eine erhöhte familiäre Disposition auf. In einzelnen Bereichen ist der genetische Hintergrund der Krebsentstehung dabei bereits konkret bekannt und es kann durch Genanalysen direkt bestimmt werden, ob eine erhöhte Gefahr besteht oder nicht. Ein Beispiel hierfür ist das BRCA1- und -2-Gen beim Brustkrebs, dessen Nachweis eine massiv erhöhte Karzinomgefahr aufdeckt.
Doch neben dem genetischen Hintergrund gibt es weitere Faktoren, die die Bildung von Karzinomen bestimmter Organsysteme fördern oder hemmen. Die Krebsentstehung ist ein komplexes Geschehen, das bislang zumindest für verschiedene Tumor noch nicht voll verstanden wird. Umweltfaktoren sowie Faktoren des persönlichen Lebensstils spielen dabei eine wesentliche Rolle. Auch der demographische Faktor kommt zum Tragen, denn schon das Alter ist per se ein Risikofaktor für die Tumorentwicklung. „Von einigen wenigen Tumorformen bei Kindern und jungen Menschen abgesehen ist der Krebs eine typische Erkrankung des höheren Lebensalters“, heißt es in einer Erklärung der Krebsgesellschaft zum ECCO 2003.
Risikofaktoren für bösartige Tumore
Vor allem die Umweltfaktoren verlangen nach Angaben der Gesellschaft unser Augenmerk, da sie eine effektive Chance bieten, der Tumorbildung vorzubeugen. An erster Stelle wird dabei das Rauchen genannt, das Studien zufolge – ganz unabhängig davon, dass es auch andere Tumore und andere Erkrankungen begünstigt – für 87 bis 91 Prozent der Bronchialkarzinome bei Männern und für 57 bis 86 Prozent der Krankheitsfälle bei den Frauen verantwortlich ist.
Ein zweiter wesentlicher Faktor ist die Ernährung, so heißt es weiter. So wird geschätzt, dass rund 30 Prozent der Tumore mit bestimmten Ernährungsfaktoren assoziiert sind, wobei Zusammenhänge vor allem beim Kolonkarzinom, beim Mammakarzinom und beim Prostatakarzinom gesehen werden. Allerdings ist es schwierig, Risikofaktoren sowie protektive Faktoren der Ernährung in ihrer Ausprägung genau zu differenzieren. Die Experten empfehlen daher zurzeit eine ausgewogene, gut balancierte Kost, die generell reich sein soll an Vitaminen und Mineralstoffen und bei der der Schwerpunkt folglich auf dem Verzehr von Obst und Gemüse liegen soll, während fettreiche Nahrungsmittel und allgemein Fleisch nur in Maßen verzehrt werden sollten.
Neben der Nahrung hat auch der Alkoholkonsum Einfluss auf die Tumorentstehung, und ein regelmäßiger Alkoholkonsum wird in Beziehung gebracht mit Karzinomen des Mundes, der Kehle, der Speiseröhre und auch mit Brustkrebs. Es wird daher auch in diesem Punkt zur Mäßigung geraten. Gut bekannt sind weitere Risikofaktoren für Tumore, wie eine starke Sonnenbestrahlung, die dem Hautkrebs und hier speziell dem malignen Melanom Vorschub leistet. Darüber hinaus kann die Exposition gegen bestimmte Umwelttoxine die Krebsgefahr erhöhten, bekannte Beispiele sind Asbest, Pestizide oder auch eine Strahlenexposition. Auch von Infektionen weiß man, dass sie die Krebsentstehung fördern können. Das gilt für Viren wie auch für Bakterien und sogar für Parasiten. Weltweit wird dabei rund jeder fünfte Krebsfall auf eine Infektion zurückgeführt, europaweit ist es ungefähr jeder zehnte. Eine der Hauptursachen ist eine Hepatitis B-Infektion, die den Weg in den Leberkrebs bahnen kann. Zusammenhänge werden darüber hinaus beim Gebärmutterhalskrebs und einer Infektion mit bestimmten Papillomaviren gesehen aber auch bei einer Infektion mit dem Bakterium Helicobacter pylori und Magenkrebs. Bei einigen dieser Krebsarten bestehen durchaus Schutzmöglichkeiten, die bislang aber noch nicht konsequent genutzt werden. Das gilt für die Eradikation von Helicobacter pylori ebenso wie für die Schutzimpfung gegenüber einer Hepatitis B.
Doch nicht nur die Krebsentstehung folgt den gleichen Grundsätzen, auch die Krebsbehandlung ist in weiten Zügen bei den verschiedenen Tumoren vergleichbar. Wichtigste Behandlungsverfahren sind
• die Operation
• die Strahlentherapie
• die Chemotherapie
• die Hormontherapie. Alle Verfahren verfolgen das Ziel, den Tumor möglichst zu eliminieren, was einem kurativen Ansatz gleich kommt, wenn dies vollständig gelingt.
Die Elimination des Karzinoms ist dabei schon aus theoretischen Überlegungen um so eher möglich, je begrenzter das Tumorwachstum erfolgt, je früher also das Karzinom entdeckt und behandelt wird.
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Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Köln