Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
die Dresdener Frauenkirche erhielt diesen Sommer ihre Kuppel. Die Krönung der Kirche mit Turmhaube und Kuppelkreuz schloss – ein zweites Mal – den Außenbau einer architektonischen Meisterleistung. Viele Zahnärzte haben sich mit Spenden für den Bau einer Säule am Wiederaufbau beteiligt. Wer heute auf Dresdens Stadtpanorama blickt, stellt fest: Das Außenbild steht. Jetzt geht es um den weiteren Innenausbau der Kirche.
Der Wiederaufbau dieser Kirche ist Symbol: Die von unterschiedlichen Gruppen ideell und finanziell mitgetragene Arbeit zeigt uns, dass durch gemeinsame Anstrengung auch in schwierigen Zeiten außergewöhnliche Ziele erreichbar bleiben. Unterstützendes Engagement überzeugter und verantwortungsbereiter Bürger schafft Fachleuten die Voraussetzungen, ihre Arbeit erfolgreich zu bewerkstelligen. Die als gemeinsame Aufgabe verstandene Übernahme gesellschaftlicher Initiative ist augenscheinlich nach wie vor Bestandteil bürgerlichen Selbstverständnisses.
In der politischen Maschinerie findet diese Einschätzung aber nicht unbedingt ihre Entsprechung. Die Parteien zeigen in der Diskussion um die künftige Finanzierung der Krankenversicherung wenig Hang zu zielorientiertem Handeln, geschweige denn übergeordneten Gemeinsamkeiten.
Volkes Vertreter wirken wenig bereit, bei ihren Entscheidungen auf das Know-how von Fachleuten zu setzen. Da können sich noch so viele professorale Volks- und Betriebswirte gegen eine Bürgerversicherung aussprechen und dieses Zusatzeinkommen für die GKV als völlig falschen Ansatz reklamieren: Die Politik hört im Beraterbereich nicht auf die Stimmen größerer Mehrheiten.
Also feiert die Bürgerversicherung in weiten Teilen der Regierungsparteien zurzeit fröhliche Urständ. Sie wird am falschen Sachleistungssystem nichts ändern. Aber sie wird die GKV durch neue Einkommensquellen für weitere Jahre über die Runden retten. Das scheint rot-grüner Politik zu reichen.
Grundsätzliche Wahrheiten will – zumindest in SPD-Kreisen – angesichts anhaltender Image-Talfahrt zurzeit wohl niemand vertreten. Und stehen sie doch mal auf der Tagesordnung, fordern die Gewerkschaften möglichst schnelle Umkehr und die Beibehaltung alter Strukturen. Vielleicht wird dieses Schicksal auch der – zurzeit von der SPD-Linken so gepuschten – Bürgerversicherung bestimmt sein.
Aber was dann? Die Verantwortung kann man nicht an nachfolgende Generationen abgeben. Wir müssen viel früher handeln.
Mit freundlichem Gruß
Egbert Maibach-Nagelzm-Chefredakteur