Bares oder Bratpfanne
Seit Jahresbeginn gilt das Gesetz zur Modernisierung der GKV, kurz GMG genannt, und damit die „werbewirksamen“ Paragrafen 20, 25, 26 und besonders 65a im Sozialgesetzbuch (SGB) V. Der Wettbewerb um die Gunst der Gesunden in der GKV ist eröffnet: welches Modell bringt die meisten „guten Risiken“?
Neu sind die Boni-Offerten an Gesunde, auch Pflichtversicherte, die nachweislich bewusst gesund leben. Das soll die langfristig Kosten senkende Prävention ebenso langfristig fördern, glaubt man der Bundesgesundheitsministerin. Und es soll „gute Risiken“ binden, so die Rechnung der Kassen. Meist genügen Unterschrift und Stempel der Ärzte oder der Kursleiter zertifizierter Anbieter im kasseneigenen Bonusheft als Nachweis für das Gesundheitsbewusstsein. Die bonusrelevanten Leistungen variieren zwar von Kasse zu Kasse, teilen sich aber grundsätzlich in a) Wahrnehmen der Angebote für Primärprävention wie Check-ups und Vorsorge und b) Erreichen und Erhalten körperlicher Fitness, sei es durch Sport, Ernährung oder Gewichtsreduktion, Raucherentwöhnung, durch Autogenes Training oder Entspannung, sofern die Anbieter „zertifiziert“ seien. Der Vorreiter bei Bonusmodellen, die Techniker Krankenkasse (TK) bietet exklusiv zum Nordic-Walking ein (punkteträchtiges) „e-coaching“ an: Der Nordische Wanderer erhält über sechs Monate per Internet sein Laufprogramm.
Belohnt werden die Gesunden allerdings ganz unterschiedlich. Einige Ersatzkassen setzen auf Sachprämien, vergleichbar mit dem Pay-Back-System im Bau- oder Drogeriemarkt: wenig Punkte – kleiner Preis, viele Punkte – großer Preis.
Die TK startete bereits vor einem Jahr in Berlin ein Bonus-Modellvorhaben, um gesunde Versicherte mit Sachprämien zu belohnen. Seit Jahresbeginn spornt sie ihre Versicherten jetzt bundesweit mit meist sportlichen Prämien an, vom „Ball-Set für Kinder bis zum Laufband“ und mit der „Bratpfanne“, die bereits einige Gemüter öffentlich erhitzte.
Beitragsrückerstattung und Selbstbehalt als Elemente der Privaten Krankenversicherung schließt zum Beispiel die TK für Pflichtversicherte nach eigenen Angaben aus.
Ein Wellness-Wochenende belohnt den Gesundbleibenden bei der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH). „Geldgeschenke machen wir nicht“, verkündet die Kasse, erstattet allerdings dennoch anteilig Kosten für zertifizierte Kurse. Der nachhaltige Erfolg lasse sich natürlich nur begrenzt kontrollieren, etwa bei der Raucherentwöhnung. Schließlich wolle man nicht der BigBrother im Gesundheitswesen sein, heißt es.
Mit finanziellen Anreizen werben dagegen zum Beispiel Allgemeine Ortskrankenkassen (AOK) um Versicherte. Das Modell vergibt Boni getrennt für Primärprävention und körperliche Fitness. Versicherte können einen Teil ihrer Beiträge zurückerhalten, wenn sie keine Arztkosten verursachen. In neun Bundesländern läuft es bereits. Das Land Bayern hat dies gestoppt – es gebe bisher keine Rechtsgrundlage im Sozialgesetzbuch, teilte die Münchner Staatskanzlei mit. Bayern will die Rechtslage jetzt mit einer Bundesratsinitiative klären. In Baden-Württemberg kann der Versicherte bei Selbstbehalt bis zu 280 Euro, in Hessen bis 300 Euro zurückbekommen.
Finanzielle Vorteile bieten auch die Betriebskrankenkassen (BKK). Der BKK-Bundesverband zielt mit seinem Modell auf Versicherte und – entsprechend dem Ursprung der Betrieblichen Kasse – auch auf Arbeitgeber. Erstere können eine finanzielle Vergütung oder „gesundheitsorientierte Sachprämien“ erhalten, wenn sie Angebote wie qualitätsgesicherte Prävention und vorgesehene Früherkennung wahrgenommen haben. Die Teilnahme an etwaigen Versorgungsmodellen könne den Bonus erhöhen, so der Bundesverband. Darüber hinaus hält er einen Bonus für Kassentreue für wettbewerblich sinnvoll, um den Solidargedanken und die Bindung an die Kasse zu stärken. Das Konzept der BKK Conzelmann in Albstadt- Tailfingen etwa rechnet: weniger Verwaltungsaufwand bei der Kasse + mehr Eigenverantwortung des Versicherten = weniger Kosten als Plus für alle. Ihr Ziel hat die Direktkasse klar definiert: Attraktiv bleiben für gesunde Versicherte! Jeder Versicherte ab 35 Jahre kann Boni für die Rückerstattung sammeln, je nach Einkommen bis zu 150 bis 300 Euro im Jahr, die maximale Mehrbelastung beim Selbstbehalt betrage jeweils die Hälfte davon. Das Landessozialministerium gab das Programm letzten Juni frei, unabhängige Sachverständige sollen die Effizienz des Modells prüfen.
Bonus oder Malus
Die Effizienz auswerten will nach eigenen Angaben auch die TK, die mit der Universität Bielefeld und der Technischen Universität Berlin sowie dem Deutschen Sportbund gute Zugpferde mit ins Gespann nahm.
Das Ergebnis bleibt abzuwarten. Einmal mehr wird in Deutschland gestempelt und unterschrieben, bescheinigt und gesammelt, verwaltet und verteilt. Zeitökonomen sagen gerne: „Jedes Blatt Papier, das sie bewegen, kostet fünf Cent“. Schaun’ wir mal, ob sich am Ende Boni oder Mali häufen.