Zuzahlungen zu zahnärztlichen Leistungen – ein internationaler Vergleich

Zwischen Bismarck, Beveridge und Semashko

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Die Gesundheitsysteme in Europa sind sehr unterschiedlich, was die Finanzierung und Organisationsform betrifft. Im internationalen Vergleich gesehen sind in der zahnmedizinischen Versorgung Selbstbehalte und private Zuzahlungen üblich. Deutschland liegt dabei weit unter dem Durchschnitt. Auf längere Sicht hin wird sich im Rahmen der Konvergenz der Systeme der Trend hin zu privater Finanzierung und Leistungserbringung verstärken.

Der Blick über die Grenzen ist vor allem dann beliebt, wenn man an die eigenen Grenzen gerät. So wird auch in der öffentlichen gesundheitspolitischen Debatte über die Möglichkeiten und Grenzen der Finanzierung der Gesundheitsversorgung gern auf internationale Vergleiche zurückgegriffen in der Hoffnung, von den Nachbarn Anregungen für eigene Systemreformen zu erhalten oder aber, um eine Bestätigung für den eigenen Kurs zu erlangen. Dabei zeigt der Blick über die Grenzen zunächst eine verwirrende Vielfalt bei der konkreten Ausgestaltung der nationalen Gesundheitssysteme – eine Folge historischer Entwicklungen und kultureller Unterschiede. In der Tat weisen die Gesundheitssysteme der europäischen Staaten sehr unterschiedliche Finanzierungsmodalitäten und Organisationsformen auf, die sich bei näherer Betrachtung indes drei „klassischen“ Formen der Gesundheitssystemgestaltung zuordnen lassen, wenngleich in den meisten Ländern keine Rein-, sondern Mischformen mit Anteilen aus zwei oder mehr Systemen vorherrschen.

Aus zahnärztlicher Perspektive ist eine Unterscheidung verschiedener Systemtypen in der Gesundheitsversorgung insbesondere deshalb interessant, weil bei der Finanzierung und Erbringung der (zahn)medizinischen Versorgung deutliche Systemunterschiede zu erkennen sind.

Andere Länder, andere Systeme

Die zuerst zu nennende Form der Gesundheitssystemgestaltung wird den meisten Lesern vertraut sein: das hiesige „Bismarck- System“ (in Anlehnung an den deutschen Reichskanzler Bismarck, der Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland das gegliederte Sozialversicherungssystem einführte). Das Bismarck-System wird durch die dominierende Stellung der Sozialversicherung mit seiner am Arbeitseinkommen orientierten Finanzierung über Beiträge charakterisiert. Neben dem deutschen Gesundheitssystem weisen vor allem die Benelux-Staaten, Frankreich sowie Österreich Grundzüge des Bismarck-Systems auf.

Die zweite Grundform der Gesundheitssystemgestaltung ist das überwiegend aus allgemeinen Steuermitteln finanzierte „Beveridge- System“ (benannt nach dem britischen Ökonomen und Statistiker Lord Beveridge, dessen im amtlichen Auftrag erstellte Denkschrift über soziale Sicherung im Jahre 1942 wichtige Impulse zur Gründung des britischen National Health Service gab). Neben Großbritannien können auch Irland, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland sowie die skandinavischen Staaten dem Beveridge-System zugerechnet werden. Innerhalb dieser Gruppe gibt es allerdings deutliche Unterschiede bezüglich des Sicherungsniveaus. Während die südeuropäischen Länder und vor allem die angelsächsischen Länder lediglich eine Grundsicherung im Sinne einer „Armenpolitik“ garantieren, tendieren die skandinavischen Staaten (ähnlich wie die Bismarck-Staaten) mehr zu einer Politik der materiellen Statussicherung.

Als drittes Modell ist seit dem Fall des „eisernen Vorhanges“ das in den ehemals kommunistischen mittel- und osteuropäischen Staaten vorherrschende „Semashko- System“ (benannt nach dem Arzt und ersten Gesundheitsminister Russlands, Nikolai Semashko) verstärkt ins Blickfeld geraten. Das Semashko-System hat mit dem Bismarck- System die dominierende Stellung der Sozialversicherung gemein, während die vorwiegend öffentliche Leistungserbringung auf die Nähe zum Beveridge-System verweist.

Das bunte Bild der Statistik

Die Zuweisung der europäischen Staaten zu dem einen oder anderen System lässt sich anhand der makrostrukturellen Daten zur Finanzierung und Leistungserstellung (vergleiche Tabelle 1) nachvollziehen (die Finanzierungsanteile addieren sich zeilenweise zu 100 Prozent auf).

In den Staaten mit Bismarck-System fällt sofort die starke Stellung der Sozialversicherung mit einem Finanzierungsanteil zwischen 50 und 70 Prozent auf (Ausnahme: Belgien); die privaten Zuzahlungen betragen im Schnitt zwischen sieben und 17 Prozent. Bei den Niederlanden sticht die recht hohe Bedeutung der privaten Krankenversicherung ins Auge. Die ambulante Leistungserbringung ist im Bismarck-System generell privat organisiert, die stationäre Versorgung wird teils privat, teils öffentlich erbracht.

Die Staaten mit Beveridge-System finanzieren die gesundheitliche Versorgung primär über allgemeine Steuermittel, deren Finanzierungsanteil zwischen 55 und 80 Prozent liegt (Ausnahme: Griechenland). Die ergänzende Absicherung über Sozialversicherungssysteme beziehungsweise komplementäre private Krankenversicherungen spielt in diesen Ländern eine vergleichsweise geringere Rolle, während der Anteil der privaten Zuzahlungen in den südeuropäischen Ländern bis zu 40 Prozent beträgt. Selbst in den skandinavischen Staaten mit ihrem ausgeprägten Solidaritätsverständnis (im Sinne der sozialdemokratischen „Volksheim“-Konzeption) beträgt der Anteil der privaten Zuzahlungen zwischen 17 und 20 Prozent. Die Leistungserbringung ist überwiegend öffentlich organisiert (Ausnahme: Irland).

Die ehemaligen „Ostblockstaaten“ mit dem staatlich organisierten Semashko-System sind noch deutlicher als die Bismarck-Staaten sozialversicherungszentriert; hier liegt der entsprechende Finanzierungsanteil der Sozialversicherung zwischen 70 und 90 Prozent. Der offizielle Anteil der privaten Zuzahlungen ist marginal, allerdings gibt es mittlerweile flächendeckend einen „Schwarzmarkt“ für medizinische Behandlungen, der (informelle und zumeist auch illegale) Patientenzuzahlungen zur Regel hat werden lassen, so dass hier das statistische Zahlenbild die Situation „vor Ort“ nicht realistisch abzubilden vermag. Interessant ist die Situation im so genanntem „Transformationsland“ Tschechien: Mit dem Schwenk hin zu einer vorwiegend privat organisierten Leistungsorganisation wurde in den letzten Jahren ein echter Systemwechsel eingeleitet, so dass das postkommunistische Tschechien (wie unter anderem auch Ungarn und Slowenien) heute im Grunde schon als typisches Beispiel eines Bismarck- Modells gelten kann. Übrigens hat auch Tschechien eine Praxisgebühr von 45 Kronen (1,50 Euro) eingeführt, die fällig wird, wenn ein Patient ohne Überweisung zum Facharzt geht.

Insgesamt können wir also resümieren, dass der Finanzierungsanteil, den die privaten Haushalte durch direkte Zuzahlungen und Selbstbehalte beziehungsweise durch die Prämienzahlung an private Krankenversicherungen leisten (ohne soziale Umverteilungskomponente), in einigen Ländern unter zehn Prozent liegt (Großbritannien: 8,8 Prozent, Luxemburg: 9,9 Prozent), während in anderen Ländern etwa 40 Prozent (Griechenland: 42,5 Prozent, Portugal: 38,8 Prozent) direkt durch die privaten Haushalte finanziert werden muss. Deutschland liegt hier mit einem privaten Finanzierungsanteil von 14,4 Prozent im unteren Drittel.

Zuzahlungen in der Zahnmedizin

Die Zuzahlungsregelungen sind in aller Regel leistungsspezifisch ausgestaltet, das heißt die Höhe der geforderten Zuzahlung kann je nach Leistungsbereich zum Teil erheblich differieren. Während etwa Zuzahlungen im stationären Sektor in den meisten Ländern nur eine marginale Bedeutung haben, sind demgegenüber im Bereich der zahnmedizinischen Versorgung Selbstbehalte und private Zuzahlungen international allgemein üblich. In einigen europäischen Ländern gehörten Zahnbehandlungen und/oder Zahnersatz zu keinem Zeitpunkt zum öffentlichen Leistungskatalog. Neben den bereichsspezifischen Differenzierungen gibt es auch zielgruppenspezifische Zuzahlungsregelungen. Kinder sind in den meisten europäischen Staaten von Zuzahlungen befreit, in einer Reihe von Ländern existieren zudem Sonderregelungen für Behinderte, Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose. Einen Überblick über die konkreten Erstattungs- und Zuzahlungsregeln der einzelnen Länder im den Bereichen Zahnbehandlung und Zahnersatz geben die Tabellen 2 und 3.

Die kürzlich veröffentlichte BASYS-Kurzexpertise „Zuzahlungen im internationalen Vergleich“ zeigt recht anschaulich, wo Deutschland bezüglich der relativen Höhe der Zuzahlungen sowie ihrer individuellen Belastungswirkung international zu verorten ist. Im direkten Ländervergleich mit den Nachbarn Österreich, Frankreich, Schweiz, Niederlande und Dänemark lag die Zuzahlung in Deutschland anteilsmäßig in allen Leistungsbereichen deutlich unter dem Durchschnitt der Nachbarländer (vergleiche Abbildung 1). Auch durch die Zuzahlungserhöhungen im Zuge des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) hat sich das Bild nicht grundsätzlich geändert. Generell gelten Zuzahlungsregelungen als effizienzfördernd, da in der Situation eines „preislosen“ Zugangs zur Gesundheitsversorgung ein „übermäßiger“ Konsum der Gesundheitsleistungen nicht ausgeschlossen werden kann. Das Phänomen einer Überversorgung bei Vorliegen einer Vollversicherung wird gemeinhin als „Moral Hazard“ (moralisches Risiko) bezeichnet. Zuzahlungen beenden diesen preislosen Zustand und dämpfen somit Anreize zu einem etwaigen Überkonsum. Die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen wird mit steigender Zuzahlungshöhe elastischer, was indes auch bedeutet, dass bei spürbar hohen Zuzahlungen unter Umständen auch dringlicher medizinischer Bedarf zurückgestellt wird. Laut BASYS-Bericht ist bei prozentualen Selbstbehalten bis 25 Prozent mit einem durchschnittlichen Nachfrageausfall von zwölf Prozent zu rechnen; bei Tarifen mit 25 bis 90 Prozent Eigenanteil beträgt der Nachfrageausfall im Schnitt 39 Prozent, wobei die Nachfrage in den unteren Einkommensklassen (bei gleichzeitig erhöhtem Morbiditätsrisiko) generell noch deutlich stärker gedämpft wird.

Aus diesem Grund misst die Weltgesundheitsorganisation in ihren internationalen Vergleichen (dem so genannten WHO-Ranking) nicht nur dem allgemeinen medizinischen Versorgungsniveau besonderes Augenmerk bei, sondern ebenso dem Aspekt der „fairen Finanzierung“ der gesundheitlichen Versorgung. Das bedeutet, dass die Bürger nach Finanzkraft und nicht nach Bedarf oder Inanspruchnahme zur Finanzierung der gesundheitlichen Leistungen herangezogen werden. Der Konflikt zwischen Effizienz und Gerechtigkeit, zwischen Ausmaß und Verteilung der Gesundheit ist grundsätzlich unaufhebbar und eine befriedigende Lösung dieses Konflikts ist eine Daueraufgabe, die in den verschiedenen Ländern je nach gesellschaftlicher Kultur und politischer Couleur unterschiedlich angegangen wird. Daher mag es nicht verwundern, dass auch im Bereich der zahnmedizinischen Versorgung die relative Zuzahlungsbelastung der Versicherten in den betrachteten Ländern erheblich variiert (vergleiche Abbildung 2).

Der internationale Vergleich zeigt, dass Deutschland bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt mit der Zuzahlungshöhe im Bereich der zahnmedizinischen Versorgung im unteren Mittelfeld liegt. Lediglich in den Niederlanden sowie in Frankreich ist die Zuzahlungsbelastung niedriger, während sie in Österreich auf etwa gleichem Niveau liegt. In Dänemark wird von den Patienten schon deutlich mehr an Eigenbeteiligung abverlangt; in der Schweiz beträgt die Zuzahlung im Schnitt sogar mehr als das Dreifache dessen, was der deutsche Patient an Zuzahlungen leistet.

Versorgungspolitische Perspektiven

Die Frage der Finanzierung (beziehungsweise Honorierung) von Gesundheitsleistungen im Allgemeinen beziehungsweise der Zuzahlung zu Gesundheitsleistungen im Speziellen ist eng mit dem konkreten Leistungsgeschehen verknüpft. Das Leistungsgeschehen wird mit Budgetierung ein anderes sein als ohne. Die Einführung beziehungsweise Erhöhung von Zuzahlungen ist immer auch der Versuch, dem Gesundheitssystem weitere Finanzierungsquellen zu erschließen. Ob damit zugleich die Versorgungsqualität steigt, ist eine andere Frage, die nur anhand von versorgungspolitischen Outcome-Parametern – in der Zahnmedizin also vor allem dem DMF-T-Wert für die Zahnkaries und dem CPI-Wert für die Zahnbetterkrankungen – beantwortet werden kann.

Die Befürworter von Zuzahlungsregelungen müssen sich die Frage gefallen lassen, inwieweit die medizinische Versorgung durch private Zuzahlungen verbessert beziehungsweise bedarfsgerechter gestaltet werden kann. Die gleiche Frage stellt sich indes auch denjenigen, die für einen Verzicht auf Zuzahlungen plädieren. Wie kann die Finanzierung der Gesundheitsleistungen dann alternativ sichergestellt werden? Wird die entsprechende Gesundheitsleistung ohne anteilige private Finanzierung überhaupt noch angeboten? Die Zuzahlungsquote an sich ist wenig aussagekräftig, wenn Teilbereiche des gesetzlichen Leistungskataloges komplett ausgegrenzt und in der Folge nicht mehr in diesem Umfang angeboten werden. An diesem Punkt werden auch die Grenzen internationaler, auf Finanzierungsstatistiken gestützter Vergleiche deutlich. Manchmal ist der Verzicht auf Selbstbehalte auch nur ein scheinbarer: So weist Großbritannien mit 3,2 Prozent zwar die geringste Zuzahlungsquote auf; dennoch kostet das britische System die Patienten vor allem eines: seine kostbare Zeit, besonders in Form von Warte- und Wegezeiten. „Being patient“ wird unter diesen Bedingungen schnell zu einem doppeldeutigen Begriff.

Aus versorgungspolitischer Perspektive sind intelligente Selbstbeteiligungsmodelle vorzugswürdig, die an der Gesundheitskompetenz der Patienten ansetzen. Das in Deutschland verankerte Modell der Bonusregelung (§30 Abs. 2 SGB V) setzt mit der Differenzierung des Eigenanteils grundsätzlich sinnvolle Anreize, indem es eigenverantwortliches Mundgesundheitsverhalten mit einem Bonus von zehn bis 15 Prozent belohnt.

Wohin die Reise geht

Vieles deutet darauf hin, dass die Unterschiede zwischen den europäischen Ländern hinsichtlich der Finanzierungsmodalitäten und der Formen der Leistungserbringung in Zukunft geringer werden. Obwohl der Maastrichter Vertrag keine Harmonisierung im Sinne einer nivellierenden Angleichung der europäischen Gesundheitssysteme vorsieht, sind auch im Bereich der Gesundheitsversorgung deutliche Anzeichen für eine Konvergenz der Gesundheitssysteme erkennbar. Stichworte wie Globalisierung und Massenarbeitslosigkeit verweisen auf länderübergreifende Probleme, auf die Deutschland ebenso wie seine Nachbarn mit sozialstaatlichen Reformen in allen Sicherungsbereichen reagiert hat und weiterhin reagieren muss.

Auch wenn es international keinen völlig einheitlichen Trend gibt (siehe Kasten), so sind dennoch im Bereich der zahnmedizinischen Versorgung systemübergreifend die beiden folgenden Reformtendenzen absehbar (vergleiche Abbildung 3):

• Der Anteil der öffentlichen Finanzierung wird deutlich zurückgefahren, der Anteil der privaten Finanzierung durch Selbstbeteiligungen beziehungsweise private Zusatzversicherungen steigt entsprechend an. Die europäischen Länder werden nach dem Vorbild der südeuropäischen Beveridge- Staaten zukünftig von den Patienten höhere direkte Selbstbeteiligungen an den Krankheitskosten fordern; die entsprechenden Entwicklungen sind systemübergreifend sowohl in den Bismarck-Staaten (D, NL), in den skandinavischen Beveridge-Systemen (S, DK) als auch in Großbritannien zu beobachten. Hinzu kommt eine generelle Stärkung der privaten Krankenversicherung, sei es in Form einer komplementären privaten Zusatzversicherung (zum Beispiel so genannte Zahnergänzungsversicherungen), sei es in Form einer substitutiven privaten Krankheitskostenvollversicherung. In den ehemaligen mittelund osteuropäischen Semashko-Staaten (CEE= Central and East European Countries) ist der Druck besonders hoch, im Rahmen der notwendigen Sanierung der Staatsfinanzen den Anteil der öffentlichen Finanzierung der Gesundheitsversorgung zurückzufahren und stattdessen verstärkt auf private Finanzierungsmodelle zu setzen.

• Auch der privaten Leistungserbringung wird in der zahnmedizinischen Versorgung zukünftig tendenziell mehr Gewicht beigemessen werden. So werden sich die Beveridge- Staaten in der Frage der Leistungserbringung künftig vermutlich stärker am Bismarck- System orientieren, das heißt die öffentliche Leistungserbringung durch staatliche und halbstaatliche Organisationen (so genannter Öffentlicher Gesundheitsdienst) wird künftig zunehmend auf spezielle Bereiche konzentriert; in erster Linie werden dies Versorgungsangebote für Kinder im Rahmen individual- und gruppenprophylaktischer Behandlungsprogramme sein. Die mittel- und osteuropäischen Transformationsländer mit früherem Semashko-System werden den Anteil der privaten Leistungserbringung in Abhängigkeit von den Beharrungstendenzen der überkommenen staatlich organisierten Leistungserbringung teils zögerlich, teils aber auch rasch erhöhen.

Chance: So bleibt zu hoffen, dass sich mit der zunehmenden privaten Finanzierung und Leistungserbringung zugleich eine stärkere Orientierung der Gesundheitssysteme an den Verbraucherentscheidungen, und das bedeutet, an den Patienteninteressen durchsetzt.

Dr. David KlingenbergerInstitut der Deutschen Zahnärzte (IDZ)Universitätsstr. 7350931 Köln

\n

Modell

Land

Finanzierungsanteile in %

Überwiegende

\n

Leistungsorganisation

\n

Öffentlicher Finanzierungsanteil

Privater

\n

Finanzierungsanteil

\n

Steuern

Sozialversicherung

Frei willige Krankenversicherung

Zuzahlungen/Selbst behalte

Andere

\n

Bismarck

D

\n

\n

\n

NL

\n

\n

\n

A

\n

\n

F

\n

\n

\n

B

\n

\n

\n

LUX

11,0

\n

\n

\n

10,0

\n

\n

\n

24,0

\n

\n

3,6

\n

\n

\n

38,0

\n

\n

\n

30,0

64,8

\n

\n

\n

68,0

\n

\n

\n

54,0

\n

\n

71,6

\n

\n

\n

36,0

\n

\n

\n

49,8

7,1

\n

\n

\n

15,0

\n

\n

\n

7,5

\n

\n

7,0

\n

\n

\n

\n

\n

\n

2,0

7,3

\n

\n

\n

7,0

\n

\n

\n

14,0

\n

\n

16,5

\n

\n

\n

17,0

\n

\n

\n

7,9

9,8

\n

\n

\n

\n

\n

\n

0,5

\n

\n

1,3

\n

\n

\n

9,0

\n

\n

\n

10,3

ambulant privat,

\n

stationär teils öffentlich

\n

überwiegend privat

\n

ambulant überw. privat,

\n

stationär überw. öffentlich

\n

ambulant privat,

\n

stationär überw. öffentlich

\n

ambulant privat,

\n

stationär teils öffentlich

\n

überwiegend privat

\n

Beveridge

\n

 

P

\n

GR

\n

E

\n

I

\n

IRL

\n

UK

\n

S

\n

DK

\n

FIN

55,2

\n

33,4

\n

59,3

\n

64,6

\n

68,1

\n

78,9

\n

69,7

\n

80,7

\n

62,2

\n

6,0

\n

24,1

\n

15,3

\n

\n

7,3

\n

12,3

\n

13,4

\n

\n

13,0

1,4

\n

2,1

\n

7,0

\n

2,6

\n

8,6

\n

5,6

\n

\n

1,9

\n

2,2

\n

37,4

\n

40,4

\n

16,3

\n

31,2

\n

13,9

\n

3,2

\n

16,9

\n

17,4

\n

20,8

\n

\n

2,1

\n

1,6

\n

2,1

\n

\n

\n

\n

1,8

\n

überwiegend öffentlich

\n

überwiegend öffentlich

\n

überwiegend öffentlich

\n

überwiegend öffentlich

\n

überwiegend privat

\n

überwiegend öffentlich

\n

überwiegend öffentlich

\n

überwiegend öffentlich

\n

überwiegend öffentlich

\n

Semashko

EST

\n

SLO

\n

CZE

12,0

\n

2,5

\n

9,7

\n

85,0

\n

87,0

\n

81,7

\n

3,0

\n

10,5

\n

\n

\n

\n

8,6

\n

\n

überwiegend öffentlich

\n

überwiegend öffentlich

\n

ambulant überw. privat,

\n

stationär überw. öffentlich

\n

\n

\n

B

Umfasst prophylaktische Maßnahmen, konservierende Behandlung, Extraktionen, Zahnersatz

\n

und Kieferchirurgie. Materialkosten nach Genehmigung durch Vertrauensarzt bis zu 100%

\n

nach Vollendung des 50. Lebensjahres bzw. vor Vollendung des 50. Lebensjahres bei besonderen

\n

Erkrankungen.

\n

DK

Selbstbeteiligung der Versicherten von 35% bis 60% der Kosten für in der Gebührenordnung

\n

aufgeführte Leistungen und von 100% für dort nicht aufgeführte Leistungen. Kinder sind vollständig,

\n

Behinderte teilweise von der Selbstbeteiligung befreit.

\n

D

Für Personen im Alter bis zu 18 Jahren umfassendes System von Prophylaxemaßnahmen zur

\n

Verhütung von Zahnerkrankungen. Volle Kostenübernahme bei zahnmedizinisch notwendiger

\n

konservierender und chirurgischer Behandlung. Zusätzlich volle Kostenübernahme der notwendigen

\n

kieferorthopädischen Behandlung von Versicherten bis zum 18. Lebensjahr.

\n

\n

GR

Keine Selbstbeteiligung.

\n

\n

E

Extraktionen und verschiedene Behandlungen. Im Falle eines Arbeitsunfalls und bei Berufskrankheit

\n

ist die wiederherstellende Kiefer-/Gesichtschirurgie gedeckt.

\n

\n

F

Präventive und konservierende Behandlung, Extraktionen und nach gebilligtem Antrag Zahnersatz

\n

und kieferorthopädische Behandlung. Erstattung nach Gebührentarif wie ärztliche Behandlungen.

\n

Selbstbeteiligung von 30%.

\n

\n

IRL

Keine Selbstbeteiligung bei voller Anspruchsberechtigung (full eligibility), für Kinder unter 6

\n

Jahren und Schüler öffentlicher Schulen bis zu 16 Jahren. Personen mit einkommensbezogenen

\n

Sozialversicherungsbeiträgen und ihre Ehepartner haben Anspruch auf volle oder teilweise

\n

Kostenübernahme bei bestimmten zahnärztlichen Behandlungen. Keine Selbstbeteiligung unter

\n

bestimmten Beitragsvoraussetzungen bei Zahnsteinentfernung, Untersuchungen und Polieren;

\n

begrenzte Selbstbeteiligung bei Füllungen, Extraktionen und anderen Leistungen. Andere

\n

Patienten zahlen die vollen Kosten selbst.

\n

\n

I

Kostenlose Behandlung in Zentren des Nationalen Gesundheitsdienstes (Servizio Sanitario Nazionale,

\n

S.S.N.) bzw. bei Vertragsärzten.

\n

\n

LUX

Präventive und konservierende Behandlung, Extraktionen, kieferorthopädische Behandlung

\n

und Prothesen nach den in den Vereinbarungen vorgesehenen Gebühren. Volle Erstattung bis

\n

zu € 35,57 im Jahr, darüber Erstattung zu 95%.

\n

\n

NL

Für Kinder: Zahnpflege, einschließlich Prophylaxe, maximal zwei Fluoridanwendungen pro

\n

Jahr (ab sechs Jahren), Versiegelungen, regelmäßige Zahnpflege und chirurgische Eingriffe.

\n

Für Erwachsene: Prophylaxe (Kontrolluntersuchungen mindestens einmal jährlich), Zahnprothesen

\n

und spezielle chirurgische Eingriffe.

\n

\n

N

Bis zum Alter von 20 Jahren besteht Anspruch auf öffentliche Grundversorgung, und zwar

\n

ohne Selbstbeteiligung bis zu 18 Jahren und mit begrenzter Selbstbeteiligung in den beiden

\n

übrigen Jahrgängen. Kieferorthopädie kann je nach Schwere des Falles ganz oder teilweise

\n

übernommen werden. Für Erwachsene gibt es sehr begrenzte Leistungen, so für Dentalchirurgie,

\n

bei bestimmten Krankheiten oder einem besonderen Bedarf für kostenlose Behandlung

\n

(Bewohner von Pflegeheimen oder Langzeit-Patienten von Krankenhäusern).

\n

\n

A

Zahnbehandlung und (unentbehrlicher) Zahnersatz werden nach Maßgabe der Satzungen

\n

gewährt. Die Zahnbehandlung umfasst: konservierende, chirurgische und kieferorthopädische

\n

Behandlung. Für kieferorthopädische Behandlung und abnehmbaren Zahnersatz beträgt die

\n

Kostenbeteiligung des Versicherten bzw. Angehörigen zwischen 25% und 50%; seit 1997 ist

\n

pro Zahnbehandlungsschein eine Selbstbeteiligung in Höhe von € 3,63 zu leisten (ausgenommen:

\n

für Kinder, Rentner, Bedürftige). Für außervertragliche Leistungen (z.B. Inlays, Kronen)

\n

beträgt der Kostenzuschuss des Versicherungsträgers zwischen € 24 und € 215 pro Einheit.

\n

\n

P

Freie Wahl unter den privaten Fachärzten. Kostenerstattung nach den von der Regierung festgelegten

\n

Gebührensätzen.

\n

\n

S

Bis zum Alter von 20 Jahren ist die allgemeine zahnärztliche Versorgung (folktandvården) kostenlos.

\n

Die zahnärztliche Versorgung umfasst einerseits die Grundversorgung (Kontrolluntersuchungen,

\n

Füllungen, Wurzelbehandlung und Notfallversorgung) und andererseits Zahnersatz

\n

und Kieferorthopädie. Die Preisbildung ist frei und der Anbieter bestimmt den Kostenanteil

\n

des Patienten. Für die Grundversorgung zahlt die Sozialversicherungskasse (försäkringskassan)

\n

einen von der Regierung bestimmten Festbetrag an den Leistungserbringer. Der Patient

\n

zahlt die verbleibenden Kosten. Die Grundversorgung ist auch auf Subskriptionsbasis möglich,

\n

wobei ein fester Gesamtpreis für einen 2-Jahres-Zeitraum gezahlt wird.

\n

\n

UK

Anteilige Selbstbeteiligung für Zahnbehandlungen und Kontrolluntersuchungen, die durch

\n

den Allgemeinen zahnärztlichen Dienst (General Dental Service) des NHS erfolgen. Der NHS

\n

trägt 80% der Behandlungskosten bis zu GBP 360 (€ 575). bzw. GBP 354 (€ 565) in Wales.

\n

Keine Selbstbeteiligung für: Schwangere bzw. Frauen, die in den 12 Monaten vor Beginn der

\n

Behandlung entbunden haben; Jugendliche unter 18 Jahren; Jugendliche unter 19 Jahren in

\n

Vollzeitausbildung; Bezieher (und deren Partner) von Sozialhilfe (Income Support), Arbeitslosenhilfe

\n

(Income-based Jobseeker's Allowance), des Steuerabsetzbetrags für Familien mit niedrigem

\n

Erwerbseinkommen (Working Families' Tax Credit) oder des Steuerabsetzbetrags für erwerbstätige

\n

Behinderte (Disabled Person's Tax Credit), die in einer Steuerbefreiungsbescheinigung

\n

(Tax Credit NHS Exemption Certificate) aufgeführt sind. Personen mit geringem Einkommen

\n

können einen Zuschuss zu den Behandlungskosten erhalten. Keine Selbstbeteiligung

\n

für Zahnbehandlungen (ausgenommen Prothesen und Brücken) durch Krankenhäuser oder

\n

zahnärztliche Dienste der Gemeinden.

\n

\n

\n

B

Zahnersatz wird von der Versicherung in der Regel nur an Personen im Alter von mindestens

\n

50 Jahren geleistet. Keine Altersbegrenzung gilt für bestimmte Ausnahmefälle bei medizinischen

\n

Gründen.

\n

DK

Keine Versicherungsleistung. Kosten werden vom Patienten getragen.

\n

D

Bei Zahnersatz leisten die Versicherten Anteile von 50% der medizinisch notwendigen Kosten

\n

(Material- und Laborkosten sowie zahnärztliches Honorar). Für im Zusammenhang mit Zahnersatz

\n

erbrachte konservierend-chirurgische und Röntgenleistungen entstehen den Versicherten

\n

keine Kosten. Bei Bemühungen des Versicherten zur Gesunderhaltung seiner Zähne erhöht

\n

sich der Zuschuss um einen Bonus von 10% bzw. 15%.

\n

GR

25% Selbstbeteiligung für Prothesen.

\n

E

Bei Zahnersatz ist finanzielle Unterstützung möglich.

\n

F

Bei vorheriger Genehmigung Kostenerstattung nach Tarif. Selbstbeteiligung von 30%.

\n

IRL

Personen mit voller Anspruchsberechtigung (full eligibility): Keine Selbstbeteiligung bei Zahnersatz,

\n

der vom Allgemein-Dentisten geliefert oder von ihm verordnet wird. Versicherte zahlen

\n

einen Kostenbeitrag (in der Regel 50%).

\n

I

Keine Versicherungsleistung. Kosten werden vom Patienten getragen.

\n

LUX

Bei Teilnahme an regelmäßigen zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchungen wird Zahnersatz voll

\n

erstattet, sonst Selbstbeteiligung in Höhe von 80%. Zusätzliche Kosten für Zahnersatz und

\n

Leistungen, die über den zweckmäßigen und notwendigen Umfang hinaus gehen, werden

\n

nicht übernommen.

\n

NL

Zahnprothese: Selbstbeteiligung in Höhe von 25%.

\n

N

Im Allgemeinen keine Leistungen. Begrenzte Leistungen für Personen, die Zähne durch Unfall

\n

oder aufgrund bestimmter Krankheiten verloren haben.

\n

A

(Unentbehrlicher) Zahnersatz wird nach Maßgabe der Satzungen gewährt. Für abnehmbaren

\n

Zahnersatz beträgt die Kostenbeteiligung des Versicherten bzw. Angehörigen zwischen 25%

\n

und 50%.

\n

P

Der Patient zahlt zunächst das Honorar selbst und erhält 75% der Sätze der Gebührenordnung

\n

erstattet.

\n

S

Siehe Zahnbehandlung.

\n

UK

Siehe Zahnbehandlung.

\n

 

\n

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