Neue EU-Länder: interessante Ziele für Anleger und Reisende

Go East

Seit dem 1. Mai 2004 gehören die zehn Neuen zur Europäischen Gemeinschaft. Bereits jetzt ist klar, dass sich dort ein großes wirtschaftliches Potenzial bietet sowohl für Investoren als auch für private Anleger. Die Börsen boomen und das Bruttosozialprodukt wächst sehr viel schneller als bei uns. Am besten ist, man fährt hin und guckt sich gleich mal selber um.

Mit einem Riesenfeuerwerk feierten die Malteser ihren Beitritt zur EU. Wir alle konnten die großartigen Bilder im Fernsehen verfolgen. Inzwischen ist auf der Mittelmeerinsel längst wieder der Alltag eingekehrt. Doch ist das kleine Eiland nun vielen Alteuropäern ein Begriff und möglicherweise ein attraktives Ziel für den nächsten Urlaub geworden.

Das etwas andere Feuerwerk

Wird sich auf Malta und Zypern speziell der Tourismus zu einem einträglichen Wirtschaftszweig entwickeln, sind es Feuerwerke der anderen Art, die derzeit immer noch vor allem an den Börsen in Prag, Budapest und Warschau brennen: Allein in Tschechien stiegen die Kurse schon in den ersten vier Monaten des Jahres um stolze 29 Prozent, in Ungarn um 24 und in Polen um 17 Prozent an.

Während in Frankfurt die Kurse nur Minimalausschläge nach oben und unten vorweisen, stellen diese Kernländer unter den neuen EU-Mitgliedsstaaten für die europäische Finanzwelt einen Lichtblick dar. Und noch immer sind die Märkte nicht ausgereizt. „Trotz der ausgezeichneten Entwicklung sehe ich nach wie vor Potenzial an den osteuropäischen Börsen“, sagt Angelika Millendorfer, Leiterin des Aktienfondsmanagements Osteuropa bei Raiffeisen Capital Management in Wien. Am besten dürften in naher Zukunft Branchen wie Baugewerbe, Finanzdienstleister, Versorgungsunternehmen oder Telekommunikation verdienen.

Ein wichtiger Grund für die vehemente Entwicklung ist sicherlich die Aussicht auf Subventionen aus Brüssel. Die Rede ist von rund 24 Milliarden Euro bis 2006. Gut zwölf Milliarden gehen allein an Polen, das größte Land unter den neuen. Insgesamt verspricht man sich durch die Brüsseler Finanzspritzen einen Wachstumsschub von rund 1,5 Prozentpunkten. Viele ausländische Unternehmen, darunter etliche deutsche, lassen sich von den günstigen Konditionen, wie niedrige Steuern und geringe Lohnkosten, locken. Die Wirtschaft in den Ländern wächst vehement. Das Ziel dieser Staaten ist ganz klar: Sie wollen alle so schnell wie möglich den Euro einführen. Das gilt nicht nur für die drei genannten, sondern vielmehr für alle Beitrittsländer.

Um die dafür notwendigen Kriterien erfüllen zu können, ergreifen die jeweiligen Regierungen jetzt die entsprechenden Maßnahmen. Denn bislang hinken die neuen EU-Staaten den „Alten“ noch deutlich hinterher. So erwirtschaften die Neulinge ein Bruttosozialprodukt von 5 900 Euro pro Kopf im Vergleich zu „Old Europe“, das es doch immerhin auf 24 000 Euro bringt. Doch der Geldfluss aus den Nachbarstaaten wird die Konjunktur anschieben.

In diesem und im nächsten Jahr erwarten die Analysten der Dresdner Bank für die drei Kernländer Ungarn, Polen und Tschechien ein Wirtschaftswachstum von drei bis fünf Prozent pro Jahr. Die rund 60 Millionen Einwohner dieser Staaten werden ihre Konsumlust ausleben und so die Unternehmensgewinne hochtreiben. Doch Vorsicht ist angesagt: Auch an den östlichen Aktienmärkten lauert hinter so viel Euphorie immer der Absturz. Jetzt strömt das Geld der institutionellen und der privaten Anleger. Sie alle wollen von dem rasanten Aufschwung profitieren. Die Kurse heben ab wie ein Drachenflieger im Aufwind. Doch ändert sich die Richtung des Warmluftstroms – sprich das Kapital findet ein attraktiveres Ziel, zum Beispiel steigende Zinsen in den USA, – kann es einen Absturz geben. Die Gefahr für eine Bruchlandung ist allerdings nicht sehr hoch, denn die Attraktivität der Osteuropa-Märkte bleibt und bildet eine solide Basis für einen weichen Aufsetzer.

Eine zusätzliche Chance oder – je nach Sichtweise – ein zusätzliches Risiko bieten die osteuropäischen Währungen. Anleger finden allerdings nicht überall gute Bedingungen für ihre Geschäfte.

In Litauen und Lettland fehlt einfach noch das Angebot auf dem Anleihenmarkt. In Tschechien und Polen bremsen eher magere Renditen zwischen zwei und sieben Prozent die Interessenten ab. Mit heißen neun Prozent Rendite locken ungarische Anleihen ausländische Interessenten in den Forint. Doch ist das ein gefährliches Spiel, denn die Währung schwankt sehr stark. Der Grund ist das hohe Haushaltsdefizit. Deshalb ist es günstiger, sich für lang laufende Anleihen zu entscheiden, dann wirken sich Abwertungen des Forint nicht so stark aus. Allerdings reduziert sich der Zinsvorteil, wenn man ihn mit dem Finanzamt teilen muss.

Warten auf den Euro

Solider und überschaubarer wird eine Anlage in Osteuropa, wenn dort der Euro eingeführt ist. Bis dahin werden sich die Renditen der Osteuropäischen Märkte denen im Westen angeglichen haben.

Voraussetzung für die Einführung des Euro ist die zweijährige Mitgliedschaft im Europäischen Wechselkurssystem II. Während dieser Zeit müssen die Zehn zeigen, dass sie ihre Wechselkurse parallel zum Euro-Trend halten können.

Tiger und Musterschüler

Als erste mit Euro bezahlen werden wahrscheinlich die Slowenen. Sie gelten als die Musterschüler unter den Neuen. Kaum länger werden Estland, auch der „baltische Tiger“ genannt, Litauen und Zypern auf die Gemeinschaftswährung warten müssen. Sie können vielleicht schon in drei Jahren das nächste Feuerwerk zünden. Vor allem in den großen Ländern Polen, Ungarn und Slowakei wird die Einführung des Euros noch bis zum Ende dieses Jahrzehnts auf sich warten lassen. Dort konzentriert man sich erst einmal auf die Konsolidierung der Staatsfinanzen.

Nervenkitzel oder Laienspiel

Wer kennt schon Namen wie Orszagos Takar oder Cesce Radiokommunikace? Wahrscheinlich kaum jemand. Denn die Namen dieser Aktien sind für Hiesige schon schwer auszusprechen, aber noch wichtiger: Es gibt fast keine Informationen über diese Papiere. Deshalb sollten sich vor allem private Anleger hüten, sich durch Versprechungen von Traumrenditen beeindrucken zu lassen.

Wer vom ersten Boom profitieren will, sollte sich auf solide Aktien- oder Rentenfonds konzentrieren. Als Laie braucht man sich nicht selbst um Informationen zu kümmern, sondern darf sich auf die gründliche Recherche der Fondsmanager verlassen, vorausgesetzt die Wahl fällt auf eine erste Adresse. Dazu gehört bei den Aktienfonds sicherlich der Griffin Eastern European, der Raiffeisen-Osteuropa-Aktien-A oder der Adig Fund European Emerging Market. Sie alle zählen laut „Finanztest“ zu den „stark überdurchschnittlichen Fonds“. Sie alle legten bei der Wertentwicklung im letzten Jahr um 50 und mehr Prozent zu. Diese Fonds investieren vor allem in Polen, Tschechien und Ungarn. Doch die Fonds verfügen derzeit über so viel Geld, dass das Angebot auf den kleinen Märkten nicht ausreicht, um ausschließlich dort zu investieren. Deshalb fließen bis zu 50 Prozent des Kapitals in russische Unternehmen. Experten glauben, dass diese Aktien unterbewertet sind. Doch für die Anleger ist es wichtig zu wissen, dass man damit nicht nur auf die Chancen hinter der Ostgrenze der EU setzt, sondern auch die Risiken in der russischen Wirtschaft mitträgt.

Für ein Engagement in Rentenfonds spricht das geringere Risiko, dagegen stehen die geringeren Chancen. Noch sind die Zinsen in den neuen EU-Staaten höher als in den alten. Doch sie werden sich innerhalb der nächsten Jahre dem westlichen Niveau angleichen. Dann sinken zwar die Zinsen, doch die Kurse der Anleihen werden steigen. Das wollen einige Rentenfonds, wie der UniEuroAspirant, nutzen.

In jedem Fall aber sollten Anteile an Aktien- oder Rentenfonds, die in den neuen EU-Staaten investieren, nur ein kleiner Bestandteil des Depots sein. Denn die Risiken sind groß und die Chancen noch zu wenig kalkulierbar.

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