Chance mal wieder vertan
„Der Testballon Zahnersatz ist ganz sicher nicht für alle Zeiten geplatzt“, erklärte der KZBV-Chef im Auditorium der Katholischen Akademie vor Journalisten aus Fach- und Tagesmedien. Fedderwitz rechnet „spätestens kurz nach der nächsten Bundestagswahl“ mit dem nächsten Versuch, das für den Umbau des Gesundheitssystems ideale Experimentierfeld „zahnmedizinische Versorgung“ zu nutzen.
Fedderwitz unterstrich zwar die Bedeutung, die die im GMG vorgesehene Auslagerung des Zahnersatzes aus der GKV letztlich für die Zahnärzte habe. Dennoch sei die „Wucht des Wirbels, den dieses Thema in letzter Zeit verursacht hat“ erstaunlich. Und die Erklärung? „Immer dann, wenn im Leistungsbereich Zahnersatz ein grundlegender Umbau diskutiert wird – und diesmal war dieser Umbau bereits gesetzlich manifestiert – werden alarmierte, hartnäckige Kritiker auf den Plan gerufen.“ Die Sorge sei zu groß, „dass es dann nur noch ein kurzer Weg ist zu einem grundlegenden Umbau des gesamten GKV-Systems“. Der Bereich Zahnersatz sei optimal für die Vorreiterrolle geeignet, wenn es um die Ausgliederung von Leistungen und die künftige Finanzierung des Systems geht: Dieser Bereich sei klar von anderen abzugrenzen, in der Zahnmedizin gebe es „so gut wie keine“ lebensbedrohlichen Erkrankungen, und in keinem Bereich sei das Auftreten von Krankheiten so vom Vorsorgeverhalten des Patienten abhängig. Hier bestünde für Politiker die Chance, „unsere Patienten ‘behutsam’ auf eine grundlegende und umfassende Reform, von der alle wissen, dass sie kommen muss und kommen wird, vorzubereiten“. Wäre die Zahnersatzpauschale Wirklichkeit geworden und hätte sie die Möglichkeit gehabt, sich zu bewähren, so wären auch künftige, einschneidende Reformschritte „mit Sicherheit leichter umzusetzen und vor allem für unsere Patienten einfacher nachvollziehbar gewesen“. Fedderwitz: „Hier, denke ich, wurde eine wirklich große Chance viel zu leichtfertig verspielt.“
Festzuschüsse: Alles läuft nach Plan
Unberührt davon blieben „die über alle Parteigrenzen hinweg“ anerkannten „unübersehbaren Vorteile befundorientierter Festzuschüsse. Ganz planmäßig zum Stichtag 30. September habe der Gemeinsame Bundesausschuss wie im Gesetz vorgesehen den bundeseinheitlichen Punktwert beschlossen. Die endgültige Festlegung der Preise für die Einzelleistungen und die Höhe der Honorierung werde derzeit berechnet und erfolge am 30. November durch den Bundesausschuss.
Zur Frage, ob Deutschland in Sachen Umbau des Gesundheitssystems von der Schweiz lernen könne, referierte der Schweizer Gesundheitsökonom Dr. Willy Oggier. Das seit langem in der Schweiz praktizierte Modell auf Basis von Prophylaxe und Eigenverantwortlichkeit der Bürger habe bewirkt, dass „die gut sechs Prozent der Gesundheitsausgaben, welche für die Zähne verwendet werden“, wegen der eigenverantwortlichen Finanzierung „in der Öffentlichkeit selten Thema seien“. Zwar werde heute mehr als früher thematisiert, dass bei Kindern im Vorschulalter zunehmend Karies vorkomme. Dies sei aber weniger auf eigenverantwortliche Finanzierung, sondern eher auf rückgängige Prophylaxetätigkeit in einzelnen Regionen sowie den Gewöhnungseffekt der Eltern an einen guten Zahnstatus und damit nachlassende Aufmerksamkeit für Mundhygiene und Ernährung zurückzuführen. Hier sieht Oggier durchaus Korrekturbedarf. Während sich einzelne Kommunen aus finanziellen Erwägungen mehr und mehr aus der Verantwortung für Prävention zurückzögen, hätte die Schweizerische Zahnärztegesellschaft inzwischen eine Kampagne gestartet, „Kinder, Eltern und Behörden“ erneut für Prophylaxe zu sensibilisieren.
Oggiers Rückschlüsse für die Systematik in Deutschland: „Solidarisch finanzierte Versorgungssysteme müssen sich die Frage gefallen lassen, ob sie am richtigen Ort solidarisch sind“: Erforderlich sei die Stützung der Prävention, nicht die der Reparatur. Deutschland könne in diesem Sinn von der Schweiz lernen: Während der Schweiz etwas mehr gezieltes öffentliches Engagement im Bereich der Prävention tendenziell gut täte, sei „für Deutschland – genau umgekehrt – wohl weniger Finanzierung über die gesetzliche Krankenversicherung unter Beachtung des notwendigen öffentlichen Engagements besser“.