Leitartikel

Vorbildlich und mit Engagement

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

es ist immer wieder Berlin – die Stadt, die die Mehrheit der Bundesbürger 1991 zur neuen Hauptstadt gewählt haben und die auch seit dem 1.1.2000 die neue Heimat der Bundeszahnärztekammer darstellt. Aus dieser Metropole werden oftmals Berichte von Kolleginnen und Kollegen über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt, die sich in außerordentlicher Weise für Patienten eingesetzt haben. Denken wir nur an die MUT-Praxis, eine Initiative, ursprünglich von einer Berliner Zahnärztin gegründet, die inzwischen mit der Unterstützung der Berliner Zahnärztekammer und vielen anderen Gemeinnützigen Organisationen und Verbänden eine stete Einrichtung darstellt, damit Obdachlose zahnärztlich versorgt werden (siehe auch zm 21/2001).

Auch diesmal ist es eine Berliner Zahnärztin, die zusammen mit einer Drogenberatungsinitiative und finanziellen Mitteln aus diversen spendablen Taschensäckeln bekannt geworden ist. Die Kollegin Marina Bracht hat für ihren Einsatz zusammen mit ihrem Team den Wrigley-Prophylaxepreis gewonnen, der anlässlich der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung im Juni diesen Jahres in Wuppertal überreicht wurde. Der Erlös kommt wieder der Initiative zu Gute, die in diesem Heft vorgestellt wird.

Wie eine Umfrage bei allen Länderkammern ergeben hat, werden zwar Drogenabhängige in Zahnarztpraxen oder, sollten größere Eingriffe erforderlich sein, in den Kliniken behandelt. Aber all die Menschen, die auf Grund ihrer Sucht am Rande unserer Gesellschaft stehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, kommen erst gar nicht mehr zu Ihnen auf Ihren Behandlungsstuhl. Hier ist es nötig, zumindest in den Brennpunkten unserer Republik, zu ihnen zu gehen und sie dort abzuholen, wo sie leben.

Unsere Berliner Kollegin hat es gewagt, sich zusammen mit Sozialarbeitern und einem kleinen sehr ideell eingestellten Team direkt dorthin zu begeben, wo diese Menschen sich treffen. Eine mutige Aktion für eine junge Frau, deren Engagement Vorbild sein sollte für manch einen, der seine Praxis in einem ähnlichen Umfeld hat oder einfach nur etwas mehr „tun“ möchte. Sie können – wenn Sie in Ihren Alltag fest eingebunden sind – auch etwas tun, sei es finanziell zu unterstützen, oder mit der einen oder anderen Sachspende der Berliner Initiative unter die „Arme greifen“.

Auch zeigt die Arbeit des „Teams vom Kottbusser Tor“ einmal mehr, dass die Zahnheilkunde gar nicht von der Medizin zu trennen ist. Denn wenn ein derart kranker Mensch behandelt werden soll, zählt nicht nur die Kenntnis um seine Zahnsanierung. Vielmehr sind die medizinische und soziale Kompetenz hier mehr gefordert denn je.

Dies bedeutet für jeden von uns, sein medizinisches Wissen ständig über die Fortbildung zu aktualisieren und zu erweitern. Gleichzeitig ist aber auch der gesamte Berufsstand gefordert, auf Grund sozialmedizinischer Erkenntnisse die Herausforderungen anzunehmen, die sich im Umgang mit Hochrisikogruppen stellen. Wir müssen uns bewusst machen, dass spezielle Konzepte und Zugangswege notwendig sind, um hier gezielt Hilfe zu leisten. Dazu gehört auch der Abbau von Hemmschwellen sowie eine interdisziplinäre Kooperation.

Erforderlich ist ein Engagement nicht nur im Sinne unserer ethischen Verpflichtung. Wir müssen vielmehr nachhaltig unter Beweis stellen, dass sich die Zahnärzteschaft mitten in einer sich ständig wandelnde Gesellschaft platziert.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Dietmar OesterreichVizepräsident der Bundeszahnärztekammer

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