Ein praller Fortbildungstag rund um die Wurzel
Den Bogen vom Notfall zur geplanten Wurzelkanalbehandlung schlug Prof. Dr. Michael Baumann, Universität Köln. Die planbare Behandlung müsse die Forderungen „cleaning – shaping – desinfection“ erfüllen: verbliebenes Pulpagewebe und Debris restlos entfernen, Mikroorganismen eliminieren; der präparierte Kanal solle glattwandig sein, den ursprünglichen Kanal umschließen und sich nach apikal verjüngen; das gesamte Pulpadach entfernen – „sonst keine erfolgreiche Schmerzbehandlung!“ Der auf Endodontie spezialisierte niedergelassene Zahnarzt Dr. Clemens Bargholz, Hamburg, konnte weitere wertvolle Hinweise geben. Die Anforderungen an das Füllmaterial: Ein auf den Fall abgestimmtes wählen, bei Stiften auf den richtigen, apikal füllenden Durchmesser achten. Ziel jeder gelungenen Wurzelfüllung sei der „vollständige dreidimensionale Verschluss aller Hohlräume“.
Management von Misserfolgen
Dr. Peter Velvart, Zürich, auch er niedergelassener Spezialist für Endodontie und Mikrochirurgie, sprach unter anderem über das Management endodontischer Misserfolge. Was lasse sich generell dagegen tun? Zunächst: Vorbehandelte Zähne vor einer Zahnersatz-Versorgung revidieren, um die Gefahr schneller apikaler Läsionen auszuschließen, die jeden Zahnersatz-Patienten erheblich verunsichern. Wie umgehen mit kalzifizierten Kanälen? Dafür hatte Velvart keine Patentlösung; die manuelle Aufbereitung verbrauche viele Instrumente, Reagenzien lösen in der Regel nur unzureichend auf. Zu denken sei an Ultraschall; ein Versuch, abgebrochene Instrumente hiermit zu lockern, solle jedenfalls unternommen werden. Weil der Satz „Alles, was Sie sehen, bekommen Sie auch wieder heraus“ wörtlich zu nehmen sei, plädierte Velvart vehement für das Op-Mikroskop.
Spannender Überblick
Einen wahrhaft spannenden Überblick über die sichere postendodontische prothetische Versorgung avitaler Zähne mit Stiften gab Dr. Paul Weigl, Frankfurt. Wie lässt sich die prothetische Wertigkeit eines Zahns im Voraus beurteilen – Lockerungsgrad, Restmenge Zahnhartsubstanz? Was muss er aushalten, eventuell als Pfeilerzahn? Häufigster Misserfolg bei wurzelstift-versorgten Zähnen seien Wurzelfrakturen – obwohl die Dentineigenschaften bei avitalen die gleichen seien wie bei vitalen. Die Ursachen, so Weigl, liegen im Langzeitverhalten rigider (metallischer wie keramischer) Stifte: Sie leiten quasi einen Ermüdungsbruch ein an der Übergangsstelle vom relativ biegsamen Zahn/Dentin zum starren Stift. Eine gewisse Stabilisierung dieser Zähne erreiche man mit Onlays und adhäsiv befestigten Kronen, jedenfalls im Vergleich zu nicht adhäsiven Aufbauten. Risikovergleiche mit und ohne Wurzelstifte haben Weigl dann ein eigenes Behandlungskonzept entwickeln lassen: Weil man um Wurzelstifte nicht herum komme zur Schaffung zusätzlicher Retention für den adhäsiven Aufbau, brauche man Wurzelstifte mit anderen Eigenschaften: elastische Glasfaser- oder Quarzfaserstifte mit mechanischen Eigenschaften ähnlich denen des Dentins; darüber dann ein Komposit.
Ein schwieriger Stand
Alles in allem ein praller Fortbildungstag, bei dem auch die Berufspolitik ihr Recht fand. Den schwierigen Standort der Zahnärzteschaft umriss Schleswig-Holsteins KZV-Vorsitzender Dr. Peter Kriett mit den Worten: „Der Freie Verband hat ein neues Feindbild – die Staats-KZV. Die Kieferorthopäden suchen den Ausstieg ohne auszusteigen, die Medien suchen ein Opfer der Gesundheitsreform und die Rechtsaufsichten suchen einen Anlass einzugreifen. Und wo bleibt Schleswig-Holstein? Hier sind die emotionalen Amplitudenausschläge geringer – der Kurs weder zick noch zack, sondern energieschonend geradeaus.“
Dr. Jörg FeldnerFeldstraße 3824105 Kiel