Jahrestagung des Arbeitskreises Psychologie und Psychosomatik

Psychologische Aspekte der Behandlung älterer Patienten

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Anfang Februar 2004 traf sich der Arbeitskreis Psychologie und Psychosomatik in der Zahnheilkunde in der DGZMK unter der Leitung des 1. Vorsitzenden PD Dr. Peter Jöhren zu seiner 16. Jahrestagung in Witten. „Psychologische Aspekte der Behandlung älterer Patienten“ wurden im Rahmen eines umfangreichen wie interessanten Programms von allen Seiten beleuchtet und boten eine breite Basis für Diskussionen.

Die Bedeutung des Arbeitskreis sowie die Aktualität des Themas wurden vor allem dadurch unterstrichen, dass der Präsident der Bundeszahnärztekammer Dr. Dr. Jürgen Weitkamp und der Generalsekretär der DGZMK Dr. Karl-Rudolf Stratmann eigens angereist waren.

Altsein ist ebenso schön wie Jungsein

In seinem Grußwort lobte Dr. Dr. Jürgen Weitkamp die Aktivität des Arbeitskreises, die auf allen Ebenen positiv wahrgenommen wird und als wichtige interdisziplinäre Schnittstelle gesehen wird. Bezugnehmend auf das Tagungsthema sieht er angesichts unserer demographischen Entwicklung die Aufgabe der Zahnärzteschaft darin, dem Anspruch gerecht zu werden, den Hermann Hesse mit den Worten: „Altsein ist eine ebenso schöne Aufgabe wie Jungsein“ zusammenfasst. Der Generalsekretär der DGZMK Dr. Karl-Rudolf Stratmann betont in seinem Grußwort gleichfalls den außerordentlichen Stellenwert der Psychologie und Psychosomatik in der Zahnmedizin.

Zahn-, medizinische und psychologische Aspekte

In drei Hauptvorträgen wurde das Thema des Alterns aus allgemeinmedizinischer Sicht, unter psychologischen Aspekten sowie aus speziell prothetischer Sicht beleuchtet. PD Dr. Hans J. Naurath aus Neumünster führte aus, dass alte, multimorbide Menschen in einem sehr instabilen Gleichgewicht leben. Selbst geringe Verschlechterungen des Gesundheitszustandes haben weitreichende psychosoziale Folgen, die dem bis dahin für sich selbst sorgenden alten Menschen pflegebedürftig und damit abhängig werden lassen. Daher sollte das Ziel einer immer interdisziplinär koordinierten Behandlung alter Menschen nicht ausschließlich auf die vollständige Heilung ausgerichtet sein, sondern vielmehr auf die Aufrechterhaltung beziehungsweise die bestmögliche Wiederherstellung körperlicher, geistiger und seelischer Gesundheit. PD Dr. Renate Deinzer aus Düsseldorf stellte in ihrem Vortrag richtig, dass das bislang vorherrschende Defizitmodell des Alters, das von einem regelhaften Eintreten deutlichen psychischen Abbaus ausgeht, nicht richtig ist. Vielmehr sind in allen Funktionsbereichen die Unterschiede innerhalb der Altersgruppe deutlich größer als zwischen den Altersgruppen. Die vordringliche Aufgabe im Umgang mit alten Menschen ist es, sich einerseits loszulösen von dem vor allem von den Medien aufgebauten negativ verzerrten Bild der Lebenssituation älterer und alter Menschen und andererseits in um so größerem Maße der Individualität alter Menschen gerecht zu werden. Die Unterstützung der Leistungsfähigkeit und realistische Zielvorgaben lösen dabei positive Effekte aus.

Prof. Dr. Frauke Müller aus Genf unterschied in ihren Ausführungen die jungen Alten von den alten Alten. Während die jungen Alten den Zahnverlust als Trauma erleben, das eine psychogene Prothesenunverträglichkeit auslösen kann, sind die Kennzeichen der alten Alten Multimorbidität, eingeschränkte Mobilität, nachlassende Motivation sowie nachlassende Adaptationsleistung. Letzteres wirkt sich auf die Eingliederung neuen, in der Regel totalen Zahnersatzes besonders erschwerend aus. Eingefahrene, von der Morphologie der alten Prothese abhängige Reflexmuster, können allenfalls unzureichend verändert werden. Hier helfen ein schrittweises Umarbeiten der gewohnten Prothese, ausgehend von einem Duplikat derselben, Trainingsplatten und gegebenenfalls eine Implantatunterstützung diesen Schwierigkeiten entgegenzuwirken.

Orale Lebensqualität

Die Marburger Arbeitsgruppe Dr. Ronald Metzen, Dipl.-Psych. Dr. Jutta Margraf- Stiksrud und Prof. Ulrich Lotzmann konnten nachweisen, dass für die subjektive Patientenzufriedenheit funktionelle Aspekte wichtig sind, wohingegen Ästhetik und natürliches Aussehen im Rahmen eines halbstrukturierten Interviews als weniger wichtig bewertet wurde. Es besteht ein signifikanter Unterschied zwischen der Akzeptanz der Prothese und der eigenen Einstellung zu Zahnverlust und Zahnlosigkeit. Die „orale Lebensqualität“ erwies sich indessen als abhängig von der Art der Versorgung und unabhängig vom Alter. Dieses, wie die Tatsache, dass Einschränkungen der Lebensqualität mit der Wahrnehmung negativer Behandlungsverfahren korrelieren, konnten PD Dr. Ulrich Klages und seine Arbeitsgruppe aus Mainz im Rahmen einer sehr umfangreichen Studie nachweisen. Mit der Frage, welche Schwierigkeiten sich bei der Behandlung älterer Menschen in Senioreneinrichtungen ergeben, setzten sich Dr. Ina Nitschke und Mitarbeiter aus Leipzig auseinander. Anders als erwartet sind es nicht die Konfrontation mit Gebrechlichkeit, Älterwerden und Tod, die Zahnärzte zu vermeiden suchen, sondern die Arbeitsbedingungen und der hohe Kostenaufwand stellen die größten Schwierigkeiten dar und verlangen den Kollegen viel persönliches Engagement ab. Dr. Peter Macher aus Achern berichtete anhand eines Streitfalls durch mehrere Instanzen über die Schwierigkeiten, die auftreten angesichts des Krankheitsbildes der psychogenen Prothesenunverträglichkeit.

Aktuelle Daten zur Ätiologie und Prävalenz der Behandlungsphobie stellten Gabriele Marwinski und PD Dr. Peter Jöhren aus Bochum auf der Basis einer Passantenumfrage durch ein zertifiziertes Institut vor. Danach leidet unabhängig von Schulbildung und Geschlecht in der Bundesrepublik jeder zehnte an einer Zahnbehandlungsphobie. Traumata während der zahnärztlichen Behandlung stellten die häufigste Ursache für die entstandene Zahnbehandlungsangst dar. 20 Prozent der Befragten führten ihre Angst auf eine schmerzhafte Erfahrung während der kieferorthopädischen Behandlung zurück.

Dipl.-Psych. Frank Hagenow aus Hamburg stellte die hochsignifikanten Erfolge eines Trainingsprogramms für Zahnärzte zur Verbesserung der Gesprächsführung mit ängstlichen Patienten vor. Der Autor konnte nachweisen, dass sich die erworbene Gesprächsführungskompetenz auch positiv auf das Vertrauensverhältnis und die durch den Patienten eingeschätzte fachliche Qualifikation des Behandlers auswirkte. Dr. Walter Schulze, Rotenburg/Wümme, Dr. Susanne Fiedler und Dr. Dipl.-Psych. Manfred Prior, Kriftel bei Frankfurt, stellten ein Therapieschema zur Behandlung schwerer Phobien in Hypnose vor. Wesentlich dabei ist es, einen positiven Zielzustand zu benennen und zu aktivieren. Diese positive Erfahrung stellt dann die Grundlage für die zahnärztliche Therapie dar. Am Beispiel eines 39-jährigen Patienten „mit massiver Angst vor zahnärztlichen Eingriffen“ demonstrierten Dr. Johannes Träger-Born, München und Dr. Peter Macher, Achern, ein Anti-Angst-Training, welches als Grundlage eine tiefenpsychologische und psychoanalytische Betrachtungsweise des oralen Systems hat.

Workshops

Traditionell schlossen sich an das Vortragsprogramm Workshops an, die sich einerseits mit patientenspezifischen Problemen wie psychogene Prothesenunverträglichkeit und altersbedingte Risiken bei der zahnärztlichen Versorgung auseinandersetzen, andererseits wurden Schwierigkeiten auf Seiten der Zahnärzte thematisiert. Dieses waren das Burn-Out-Syndrom in der Zahnmedizin und die Ergonomie am zahnärztlichen Arbeitsplatz.

Mitgliederversammlung

Der Vorstand informierte die Mitglieder darüber, dass das Curriculum „Psychosomatische Grundkompetenz“ im Rahmen der Akademie Praxis und Wissenschaft nun fertiggestellt ist und im neuen Programm für 2004 auch angekündigt wird. Inhalte wie patientenzentrierte Gesprächsführung, strukturierte Interviewführung, Ursachen, Symptome und der Umgang mit speziellen psychosomatischen, psychiatrischen und zahnmedizinischen Krankheitsbildern sowie Schmerztheorien, Schmerzformen, Schmerzwahrnehmung, Schmerzbewertung und Schmerz-therapie sollen in elf Kurstagen (Acht-Tagesblock und Drei-Tages-Block) dem Zahnarzt das nötige Handwerkszeug vermitteln, welches im Umgang mit allen Patientengruppen wichtig ist.

Tagungen

Die Jahrestagung 2005 wird im Rahmen der DGZMK-Tagung am 26. bis 30. Oktober in Berlin stattfinden. Das Tagungsthema bezieht sich auf ein Zitat von Prof. Ketterl aus Mainz: „Ein guter Zahnarzt ist immer auch ein guter Psychologe“. Die Jahrestagung 2006 wird in Marburg stattfinden.

PD Dr. Anne WolowskiWaldeyerstraße 3048149 Münster

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