GKV: Liberale schwingen Abrisshammer
„Was wir brauchen, ist eine Revolution des gesamten Gesundheitssystems!“ Denn ob Bürgerversicherung oder Kopfpauschale – keiner der bisherigen Vorschläge löse das Problem der demographischen Entwicklung in Deutschland, urteilte FDP-Parteichef Guido Westerwelle.
Die Antwort der Liberalen liegt nun vor: Fraktionschef Wolfgang Gerhardt und der gesundheitspolitische Sprecher Dieter Thomae präsentierten das FDP-Eckpunktepapier vor kurzem in Berlin.
Kernidee: Die gesetzliche Krankenversicherung wird in ein privates kapitalgedecktes System überführt, nur Privatanbieter teilen sich den Markt. Ein Basisschutz wird für alle Bürger Pflicht – über Zusatzversicherungen entscheidet jeder selbst. So will die FDP die Wahlfreiheit der Versicherten stärken und außerdem den Beitragssatz auf zwölf Prozent drücken.
Die Grundversorgung soll in etwa dem Niveau der heutigen Kassenleistungen entsprechen, allerdings reduziert um bestimmte Krankengeldleistungen und zahnmedizinische Behandlungen für Erwachsene, die über rein konservierend-chirurgische Maßnahmen hinausgehen. Favorisiert wird das Kostenerstattungsprinzip, Arbeitgeberzuschüsse werden ausgezahlt.
Voraussetzung dafür, dass die Bürger genügend private Vorsorge treffen können, sei eine deutliche Steuersenkung. Die FDP befürwortet ein Steuermodell mit drei Stufen: zwölf, 25 und 35 Prozent. Wo die eigenen Mittel für den Basisschutz nicht ausreichen, soll der Staat einspringen. Eltern müssen für ihre Kinder eine Pauschale zahlen, die aber über ein aufgestocktes Kindergeld abgedeckt wird.
Gebot der Fairness…
Westerwelle betonte gegenüber dem Handelsblatt, es sei schließlich „ein Gebot der Fairness“, dass die Vorsorge für Kinder nicht nur auf die Schultern der gesetzlich Versicherten verteilt werden dürfe. Längerfristig müsse eine Versicherungspflicht für alle eingeführt werden. Das sieht Unions-Experte Horst Seehofer (CSU) anders: „Es gibt keine beitragsfreie Mitversicherung für Kinder oder nicht erwerbstätige Ehegatten. Die Privatversicherung ist folglich familienfeindlich.“ Es sei an der Zeit, auch mit der Illusion aufzuräumen, die private Versicherung habe die Ausgabenentwicklung im deutschen Gesundheitswesen problemlos im Griff. Das Gegenteil sei der Fall.
…oder Taschenspielertricks
Auch die SPD attackiert den FDP-Vorstoß. Auf ihrer Homepage ist zu lesen: In einem Atemzug den Haushalt „aufzublähen“ und massive Steuersenkungen zu verlangen, sei „einer der vielen Taschenspielertricks, mit denen die Westerwelle-FDP die Menschen hinters Licht führt.“
Trotz aller Kritik will die FDP einen entsprechenden Antrag auf ihrem Parteitag im Juni in Dresden vorlegen. Dann soll es weitergehen. Doch das Projekt ist kein Pappenstiel: „Für die komplette Umstellung brauchen wir mindestens zwei Wahlperioden“, schätzt Thomae.