Kopfschmerzen und Materialunverträglichkeit

Auf den Zahnersatz gefühlt

Sitzt, wackelt und hat Luft – Diesem Prinzip aus dem Volksmund sollte guter Zahnersatz möglichst nicht folgen. Im Gegenteil: Er muss passgenau und bioverträglich sein, sonst kann er für den Patienten leicht zur Qual werden. Welche Probleme denkbar sind, war Thema auf der Herbstpressekonferenz des Kuratoriums perfekter Zahnersatz in Hamburg.

„Etwa 80 Prozent der Anfragen, die uns von Patienten erreichen, haben mit Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Materialunverträglichkeit zu tun“, erklärt Dr. Karin Uphoff, Pressesprecherin des Kuratoriums. Es sei also eine naheliegende Entscheidung gewesen, die Veranstaltung unter das Motto „Auf den Zahnersatz gefühlt: Zähne und ihre Wechselwirkung mit Körper und Psyche“ zu stellen. In Fachvorträgen zu diesem Thema wurden mögliche Ursachen erörtert. Es ging aber auch darum, in welchen Fällen Zahnärzte weiterhelfen können und wann andere Fachdisziplinen am Zug sind.

Gewitter im Kopf

Zahnersatz kann unter Umständen Kopfund Gesichtsschmerzen verursachen. Zum Beispiel, wenn es durch ihn zu Vorkontakten zwischen Ober- und Unterkiefer kommt oder er deren horizontale und vertikale Lagebeziehung stört, erklärte Prof. Dr. Hans-Christoph Lauer, in seinem Vortrag „Gewitter im Kopf – kann Zahnersatz schuld sein?“. Der Direktor der Poliklinik für zahnärztliche Prothetik der Uni Frankfurt weiß: „Schon sehr geringe Unterschiede beim Zahnreihenschluss werden wahrgenommen.“ Ob Patienten Verschiebungen im Kausystem als schmerzhaft empfinden, liegt seiner nach auch an deren psychosomatischer Verfassung. Unter Stress sei man in der Regel anfälliger für Beschwerden. Von übereilten Korrekturen am Zahnersatz rät er daher ab. Zunächst müsse eine Funktionsanalyse von Kaumuskulatur, Kiefergelenken und Okklusion der Zähne zeigen, ob wirklich ein zahnärztliches Problem vorliege. „Wenn das nicht zutrifft, muss für Diagnostik und Therapie ein interdisziplinärer Ansatz gewählt werden.“ Dazu gehören laut Lauer neben Orthopädie und HNO-Heilkunde auch Neurologie und die psychosomatische Medizin.

Material und Psyche

Brennen der Mundschleimhaut oder unklare Kiefer-Gesichtsschmerzen können in Einzelfällen auf eine Materialunverträglichkeit des Zahnersatzes zurückgehen. Möglich sind aber auch andere Ursachen, wie der Vortrag „Goldfieber – Beeinflusst die Psyche die Materialverträglichkeit?“ von Dr. Anne Wolowski, Oberärztin und Leiterin der Ambulanz für Psychosomatik in der Zahnheilkunde an der Uni Münster, zeigte. Ein Hinweis auf psychosomatische Probleme sei es, wenn Patienten zusätzlich über Schwindel, Übelkeit oder Müdigkeit klagten: „In solchen Fällen ergibt die Anamnese meist einen langen Leidensweg. Fragt man geschickt, kommt auch oft heraus, dass die Beschwerden schon da waren, bevor der Zahnersatz ins Spiel kam.“

Wolowskis Ausführungen zufolge ist jeder dritte Deutsche von psychosomatischen Störungen betroffen. Wie schwierig deren Behandlung ist, weiß die Ärztin aus Erfahrung: „Die Patienten erwarten somatische Gründe für die Materialunverträglichkeit. Auf psychologische Erklärungen reagieren sie oft verärgert. Sie befürchten, stigmatisiert zu werden.“ Diesen Patienten helfe eine sachliche und systematische Ursachenforschung am besten. Das richtige Vorgehen: Zunächst müssen physiologische Fehlpositionen der Kiefergelenkköpfchen oder Entzündungen unter Prothesen ausgeschlossen werden. Das Gleiche gilt für andere systemische Auslöser wie hormonelle Störungen, Vitaminmangel oder Blutkrankheiten. Erste Indizien für eine allergische Reaktion auf das Material des Zahnersatzes könne ein Epikutantest am Rücken liefern, erklärte Wolowski. Ein Allergieverdacht dürfe allerdings nicht vorschnell geäußert werden: „Viele Patienten ziehen eine Vergiftung den psychosomatischen Gründen vor.“Offene Fragen erwünscht„Krankes Zahnfleisch – kranker Körper?“ Welche Auswirkungen Parodontitis auf den Organismus haben kann, war Thema von Dr. Michael Stelzel, Abteilung Parodontologie der Uni Marburg. „Sowohl Diabetes als auch Frühgeburten sind wahrscheinlich mit der Parodontitis assoziiert. Einige Studien konnten auch einen Zusammenhang mit koronaren Herzerkrankungen aufzeigen“, so Stelzel. Leider ließe sich aus Mangel an umfangreichen Studien noch kein endgültiger Beweis führen. Alles spreche jedoch dafür. Dass auch offene Fragen zur Sprache kamen, wurde vom Kuratorium perfekter Zahnersatz begrüßt. Prof. Dr. Klaus Lehmann, wissenschaftlicher Leiter der Organisation, betonte: „Eins unserer Ziele ist es immer gewesen, auf Wissenslücken und Forschungsbedarf hinzuweisen.“ 

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