Fester Stand für Festzuschüsse
„Das System ist stimmig“, freute sich der KZBV-Vorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz auf der Pressekonferenz zum Bericht am 3. November in Berlin: „Das Versorgungsniveau wird gehalten, die Kassenzuschüsse der Patienten sind fast durchweg gleich hoch wie im letzten Jahr, und die Zahnärzte rechnen sehr moderat ab.“
Das erste Resümee nach einem Dreivierteljahr im neuen System, so war aus dem KZBV-Vorstand zu vernehmen, habe auch BMGS-Staatssekretär Schröder als Bestätigung für das neue Modell zur Kenntnis genommen. Die Daten der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen haben eindeutig aufgezeigt, dass der Ausgabenrückgang der Krankenkassen für Zahnersatz in den ersten Monaten des Jahres auf vorübergehende Umstellungseffekte und, so Fedderwitz, „nicht auf Systemfehler zurückzuführen ist“. Fedderwitz konstatierte auf der Pressekonferenz als Status quo: „Die Patienten kommen wieder vermehrt in die Praxen. Die Zahl der Zahnersatz-Behandlungsfälle nähert sich von Monat zu Monat mehr dem Vorjahresniveau. Die Kassenausgaben für Zahnersatz lagen im Juli 2005 schon wieder bei 88,2 Prozent des Vorjahresmonats.“
Der seitens der Krankenkassen von langer Hand vorbereitete Vorwurf – die Zahnärzteschaft rechnet mit entsprechenden Angriffen nach Vorlage der GKV-Bewertungen zum Ende November – die Zahnärzte hätten sich zu Lasten der Patienten im neuen System die Taschen gefüllt, ist nach Lage der Dinge keinesfalls haltbar. Im Gegenteil hätten sich die Zahnärzte, so KZBV-Vorstandsmitglied Dr. Wolfgang Eßer, äußerst verantwortungsbewusst verhalten: „Wo Privatleistungen im neuen System zum Tragen kamen, lagen die Abrechnungssätze sichtbar unter dem Niveau von 2003.“ Ein eher systemgetreues Verhalten, das um so beachtlicher sei, wenn man die durch Kassenverweigerung nicht zustande gekommenen Übergangsregelungen wie auch die durch Verunsicherung von Patienten, aber auch die durch künstlich verursachte Budgetüberschreitungen in 2004 bewirkten Lücken im zahnärztlichen Ergebnis festhalte. Schon deshalb habe die KZBV im Gespräch mit dem BMGS ausdrücklich darauf verwiesen, dass die auf diese Weise provozierten „Ersparnisse“ der Krankenkassen nicht zum Stopfen anderweitig verursachter Haushaltslöcher im GKV-System missbraucht werden dürften, betonte Eßer.
Sondereffekte bewältigt
Wie aber sieht der Bericht der KZBV im Einzelnen aus? Die dem Bundesgesundheitsministerium überreichte Analyse beruft sich auf Grundsatzfragen, erörtert möglicherweise erforderlichen Weiterentwicklungsbedarf der Festzuschüsse und gibt eine Prognose auf die Ausgabenentwicklung der Krankenkassen für Zahnersatz im Laufe des Jahres 2006.
Deutlich erkennbar ist aus den validierten Daten, dass die ersten Monate des Festzuschusssystems im Zahnersatzbereich mit einführungsbedingten Sondereffekten verbunden waren. Daraus erwuchsen in der vorrangig seitens Krankenkassen und Zahntechnikern angestrengten öffentlichen Diskussion im Wesentlichen folgende Fragen:
• Wie haben sich die Ausgaben nach Einführung der Festzuschüsse entwickelt?
• Ist die Versorgung für die Versicherten durch die Umstellung auf befundbezogene Festzuschüsse teurer geworden?
• Wurde das Versorgungsniveau 2004 korrekt nach 2005 transferiert?
• Ist das Versorgungsniveau gesunken?
Die Daten bestätigen den bisherigen Kurs
Die auf Basis dieser Fragestellung geprüften Daten lassen, so macht die KZBV in ihrem Bericht deutlich, in den „Essentials“ eindeutige Analyseergebnisse zu. Danach bestätigen die Kernaussagen zur bisherigen Entwicklung des Festzuschusssystems die verfasste Zahnärzteschaft in ihren, auch auf den Jahresversammlungen von KZBV und Bundeszahnärztekammer erneut bekräftigten Einschätzungen. Die wesentlichen Topics:
• Das Versorgungsniveau auf Grundlage der Regelleistung ist im neuen System fast unverändert geblieben (für über 97 Prozent aller Versicherten).
• Nahezu auf bisherigem Niveau liegt zurzeit auch die Höhe der Kassenanteile.
• Die Versichertenanteile sind bei den meisten Versorgungen gleich geblieben.
• In fast allen Bereichen sind die Festzuschüsse korrekt ermittelt worden.
• Ursache für die geringeren Kassenausgaben in 2005 ist der Rückgang der Fallzahlen, nicht der Fallwerte.
• Die Entwicklung weist – abgesehen von der Übergangsphase der ersten Monate – eindeutig auf eine Stabilisierung in Richtung der Vorjahreswerte.
Die Zahlen sind ein klarer Beleg für diese erste Bewertung: Die Kassenausgaben lagen im Juli 2005 nur noch um 11,8 Prozent unter den Ausgaben des entsprechenden Vorjahresmonats (Durchschnitt der letzten drei abgerechneten Monate Mai bis Juli 2005: - 17,7 Prozent).
Also ein Durchmarsch für die im Bundesausschuss beteiligten Verhandlungsgegner, wenn auch auf Seiten der Krankenkassen „wider Willen“? KZBV-Vorstandsmitglied Eßer: „Auch wenn wir aus Sicht der Patienten, der Zahnärzteschaft und diesmal auch des Gesetzgebers mit den Ergebnissen, die erstaunlich zielgenau unsere gemeinsamen Absichten umgesetzt haben, zufrieden sein können, wäre es vermessen, an dieser Stelle nicht die Chance zur Verbesserung der Systematik zu nutzen.“
Akute Nachbesserungsmöglichkeiten sieht die KZBV-Spitze allenfalls im Bereich der Reparaturen. Fedderwitz: „Da Reparaturkosten bei Zahnersatz stark varrieren, können die festgelegten Festzuschüsse manche Fälle nicht im gewünschten Umfang berücksichtigen.“ Hier seien Nachbesserungen möglich.
Das Szenario für 2006
Allerdings warnte der KZBV-Vorsitzende vor weitergehenden Eingriffen in das noch frische System: „Schon jetzt ist klar, dass die Ausgaben für Zahnersatz im Jahresschnitt 2006 deutlich höher liegen werden als in diesem Jahr.“ Kämen 2006, so die Annahmen der KZBV, so viele Patienten wie 2004 – was angesichts der derzeitigen Sachlage zu erwarten sei – werde auch das Ausgabevolumen von 2004 erreicht.
Fedderwitz warnte: „Wer unter diesen Umständen glaubt, Struktur oder Höhe der Festzuschüsse leichtfertig antasten zu können, der gräbt das nächste große Finanzierungsloch in der GKV.“
In der Tat versprechen die bisherigen Daten ein Niveau, das kein großartiges Drehen an den Stellschrauben des Systems zulässt:
Die Kassenausgaben 2006 werden gegenüber 2005 selbst bei unveränderten Verhältnissen weiter ansteigen. Basis für die Verhandlungen der Festzuschüsse waren die Ausgaben für Zahnersatz im Jahr 2004 in Höhe von 3,312 Milliarden Euro. So sich die Fallzahlen weiter normalisieren, die Fallwerte sich aber wie in den Monaten Mai bis Juli 2005 unverändert fortschreiben, werden die Ausgaben der Kassen 2006 nach den Hochrechnungen der KZBV auch ohne Veränderung der Festzuschüsse schon 3,356 Milliarden Euro betragen. Jede Veränderung in Struktur und Höhe der Festzuschüsse werde demnach zu Ausgabensteigerungen führen, die durch die Beiträge nicht gedeckt sind.
Bei der Vorstellung ihrer Analyse verweist die KZBV ausdrücklich darauf, dass jeder korrekte Vergleich des Festzuschusssystems mit der ehemaligen prozentualen Bezuschussung Sondereffekte berücksichtigen muss, die mit dem Systemwechsel von 2004 auf 2005 verbunden waren und sich auf die Ausgaben der Krankenkassen im ersten Halbjahr 2005 erheblich auswirkten:
Da die andersartigen Versorgungen nicht mehr über die KZVen abgerechnet werden, finden sie sich nur in den Buchungsergebnissen der Krankenkassen (KV 45) wieder. Diese Änderung des Abrechnungsweges schlage sich statistisch deutlich in den Zahlen nieder.
Negativ habe sich in der Umsetzung ausgewirkt, dass anders als in allen bisherigen Reformen der Abrechnungssystematik zwischen Krankenkassen und Zahnärzteschaft dieses Mal keine Übergangsregelung vereinbart wurde, um nach einer Änderung Einbrüche in der Versorgung zu verhindern.
Diese von den Zahnärzten in den Verhandlungen mehrfach geforderte Vereinbarung haben die Kassen beim Systemwechsel zu den Festzuschüssen aber verweigert. Das Resultat: Im Jahr 2004 erfolgte Behandlungen mussten entsprechend in 2004 abgerechnet werden. Im Bereich Zahnersatz meist aufwändige Behandlungen kamen im Jahr 2005 – nach Systemwechsel – zum Teil erst Monate später zur Abrechnung. Eßer: „Die auf das Jahr bezogenen Einbußen der Zahnärzteschaft werden auf Grund der kontraproduktiven Weigerung der Krankenkassen erheblich sein. Sie sind, im Gegensatz zu anderen verniedlichenden Verlautbarungen eben nicht in anderen Leistungsbereichen kompensierbar.“ Wie bei anderen Gesundheitsreformen zuvor kam es auch bei Einführung der Festzuschüsse zu Vorzieheffekten in der Bevölkerung. Damit erhöhte sich nachweislich die Datenbasis des Jahres 2004. Diese Verschiebung ließ die KZBV bei ihren Betrachtungen weitestgehend unberücksichtigt.
Obwohl das Versorgungsniveau laut Datenlage von der Selbstverwaltung korrekt von 2004 nach 2005 übertragen und auch die Höhe der Festzuschüsse richtig berechnet wurde, gibt es auch nach Ansicht der KZBV Teilbereiche im neuen System, in denen Nachbesserungen ohne Gefährdung der Gesamtsystematik sinnvoll und machbar sind.
So weise die Datenlage im Bereich der Reparaturen aus, dass ihre Häufigkeit je 100 Fälle im ersten Halbjahr 2005 deutlich zugenommen habe. Basis bei der Festlegung der Festzuschüsse war die Vorgabe, dass in der Regel der doppelte Festzuschuss die Kosten der Regelversorgung abdecken soll. Bei einigen Befunden im Bereich Wiedermassiven Unterdeckung und damit überproportionalen finanziellen Belastung der Patienten gekommen.
Da Reparaturen über 50 Prozent der Gesamtfallzahl ausmachen, dürfte sich eine Erhöhung der Festzuschüsse für einzelne Reparaturpositionen daher spürbar finanzwirksam für die Krankenkassen niederschlagen.
Ganz anders bewertet die KZBV den Bereich der Teleskopkronen. 56 Prozent der Teleskope werden nach wie vor in der Regelversorgung beziehungsweise als gleichartige, 27 Prozent als andersartige Versorgungen erbracht. Die KZBV sieht in diesem Anteil, der schon 1993 vom Gesetzgeber deutlich eingeschränkt wurde, eher ein Indiz für Überversorgungen, wie sie auch vom Sachverständigenrat angeführt wurden. 17 Prozent der Teleskope, die noch in 2004 eingesetzt wurden, werden heute nicht mehr erbracht. Sie schaffen – da offenbar entbehrlich – als mögliche Fehlversorgung das Einsparziel, das nach dem Willen des Gesetzgebers die Finanzierung des wissenschaftlichen Fortschritts ermöglichen soll. Das scheint mit dem Festzuschusssystem geschafft: Schon jetzt entfallen 20 Prozent der andersartigen Versorgungen auf Suprakonstruktionen.
Moderater Umgang mit Privatliquidationen
Vereinzelt geäußerte Befürchtungen, dass die zwischen Patient und Zahnarzt im Bereich Zahnersatz nach Systemwechsel möglichen Privatliquidationen andersartiger Leistungen über das normale Maß ausgenutzt werden, haben sich nicht bestätigt. Im Gegenteil liegen die für den seitens der Bevölkerung gut angenommenen Bereich der für zahnmedizinisch hochwertigere Lösungen angesetzten GOZ-Faktoren sogar leicht niedriger als im alten System. mn
• Die zm werden über die detaillierten Ergebnisse der Analyse in den kommenden Ausgaben ausführlich berichten.