Sie kommt, sie kommt nicht …
Wenn ein Zahnarzt sich auf ein neues Mitglied im Team fest eingerichtet hat, die neue Helferin ihre Stelle aber nicht antritt, hat der Zahnarzt Probleme.
Verständlicherweise ist er zunächst verärgert. So ein Verhalten belastet ihn und seine Mitarbeiter erheblich: Zum einen muss er das gesamte Bewerbungsverfahren noch einmal durchführen, das kostet Zeit und Geld. Zum anderen dürfte der Ausfall den Praxisbetrieb belasten, da ihm für einige Zeit eine Mitarbeiterin fehlt.
Wer für den Schaden aufkommt
Bald stellt sich die Frage, ob er nicht zumindest die entstandenen Kosten der abgesprungenen Mitarbeiterin auferlegen kann. Dies ist grundsätzlich schwer. Der Zahnarzt wird nämlich den genauen Schaden kaum beziffern können: Welcher Umsatzausfall ist entstanden? Wie viele Patienten sind wegen der längeren Wartezeiten abgesprungen? Für solche Fälle gibt es das Instrument der Vertragsstrafe: Es wird bei Vertragsabschluss festgelegt, welche Summe im Falle eines bestimmten Fehlverhaltens zu zahlen ist. Dieses Instrument ist allgemein anerkannt. Seine Anwendbarkeit im Arbeitsrecht wird allerdings immer wieder bestritten. Die Arbeitnehmer seien schutzbedürftig.
Wer nicht kommen will, muss zahlen
Das Bundesarbeitsgericht (BAG), das höchste deutsche Gericht in Arbeitssachen, hält die Vertragsstrafe für anwendbar. Es hat schon Arbeitnehmer zur Zahlung von Vertragsstrafen verurteilt (BAG 8 AZR 301/99). Allerdings müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
• Zunächst muss überhaupt eine Vertragsstrafe vereinbart worden sein, also der Arbeitsvertrag einen entsprechenden Passus
enthalten.
• Weiter muss sichergestellt sein, dass der Arbeitnehmer von dieser Klausel nicht überrascht wird. Um das zu vermeiden, soll
der Passus drucktechnisch hervorgehoben werden oder eine eigene Abschnittsüberschrift haben. Eine mitten in einem langen Vertragstext versteckte Klausel dagegen kann übersehen werden und ist deshalb eventuell nicht wirksam.
• Außerdem sollte der Arbeitnehmer – möglichst vor Zeugen – vor dem Vertragsschluss mündlich auf die Vertragsstrafe hingewiesen werden.
Hierzu mag mancher einwenden, nach solch einer Belehrung bekämen viele Kandidaten Angst und würden lieber nicht unterschreiben. Diese Angst nimmt der Zahnarzt leicht, indem er erklärt, dass er mit der Klausel sein Team und sich vor der eingangs geschilderten Überraschung schützen muss. Außerdem gehe es nur darum, abzusichern, dass die vereinbarten Pflichten eingehalten werden. Hält sich die Bewerberin an ihre Zusage, zum vereinbarten Termin die Stelle anzutreten, bleibt die Klausel ohne Folgen.
• Außerdem muss in der Klausel deutlich werden, welches Fehlverhalten welche Vertragsstrafe bewirkt, also zum Beispiel durch die Nichtaufnahme der Arbeit.
Die Vertragsstrafe kann nicht in beliebiger Höhe vereinbart werden. Das BAG hält grundsätzlich eine Vertragsstrafe in Höhe von einem Bruttomonatsverdienstes für angemessen.
Allerdings gibt es von dieser Regel eine Ausnahme: Wird zum Beispiel eine zweiwöchige Probezeit vorgesehen, muss eine geringere Vertragsstrafe vereinbart werden. Der Arbeitnehmer könnte ja die Arbeit antreten und kurzfristig entsprechend der vertraglichen Vereinbarung wieder kündigen, ohne gegen vertragliche Pflichten zu verstoßen. Deshalb hat das BAG kürzlich entschieden, dass in einem solchen Falle eine geringere Vertragsstrafe – etwa ein halber Bruttomonatsverdienst – zu vereinbaren ist (BAG, 8 AZR 196/03).
Zahnärzte können also das Instrument der Vertragsstrafe nutzen, um die Vertragstreue ihrer Mitarbeiterinnen zu fördern. Sie müssen dazu eine entsprechende Vereinbarung in den Arbeitsvertrag aufnehmen und dafür sorgen, dass die beschriebenen Vorgaben des BAG eingehalten werden.
Dr. Wieland SchinnenburgZahnarzt – RechtsanwaltGüntherstr. 9422087 Hamburg