Leitartikel

Wer mit dem Wolf tanzt

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

"der Mensch ist des Menschen Wolf", meinte Friedrich Nietzsche zynisch zu den grundsätzlichen Schwierigkeiten gesellschaftlichen Miteinanders. Wer wissen will, ob aus Not oder schwierigem Charakter, mag beim umstrittenen Philosophen nachschlagen oder eigene Studien anstellen.

Für die Zahnärzteschaft stellt sich diese Frage zur Zeit bei Lutz Wolf, dem Chef des Verbandes Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI). Unisono haben Politik, Krankenkassen, Zahnärzte - und nicht auch die deutschen Zahntechniker (?) - in den Festzuschüssen ein Reformkonzept zur Sicherung der GKV-Zukunft gesehen. Noch im Sommer letzten Jahres mahnte Wolf sogar die natürlich hart und kontrovers verhandelnden Zahnärzte und Krankenkassen zur Einigkeit. Jetzt hat er offensichtlich Wackersteine im Bauch.

Der Dachverband - er selbst wollte im Vorfeld statt der jetzt geltenden 50 doch wohl lieber 6.800 Festzuschüsse - beklagt jetzt, das System sei nicht praktikabel. Im Rudel mit der Gemündener Ersatzkasse - der Haus- und jetzt auch Hof-(Schranzen-)Krankenkasse der Zahntechniker - prangerte er das Projekt als patientenfeindlich an. Die Primitivisierung der zahnärztlichen Versorgung hält er für eingeläutet.

Ganz klar: Die gegenwärtige Situation ist für manche Zahnärzte und erst recht für die Laboratorien nicht erfreulich. Doch die Zurückhaltung der Patienten kam nicht unerwartet, auch wenn der starke Einbruch zu Beginn des Jahres überraschte. Aber mittlerweile scheint sich die Erkenntnis, die Politik und Öffentlichkeit längst haben, auch bei den Patienten durchzusetzen: In den allermeisten, vor allem den alltäglichen Praxisfällen, ändert sich für den Patienten nichts. Dass es bei Reparaturen hingegen oft teurer wird, wussten alle im Vorfeld - auch die Politik. Doch am Zahntechniker-Reparaturwesen werden Berufsstand und -system nicht genesen! Wir alle - auch Herr Wolf - kennen die Bäuche á la Blüm - und die sich daran anschließenden Dellen á la Seehofer. Denn eines wollen wir doch nicht vergessen: 1998 - zu Seiten des damaligen prozentualen Festzuschusssytems - sank übers Jahr das Abrechnungsvolumen im Zahnersatz um knapp 30 Prozent. Mit Wackersteinen im Bauch vergisst man offensichtlich schneller.

Dass miese Konjunktur und gesetzliche Neuerungen wie die Praxisgebühr die Patienten vom Zahnarztbesuch abhalten, trägt zu den gegenwärtigen Schwierigkeiten zusätzlich bei. Von daher ist eine einseitige Schuldzuweisung Richtung Zahnärzte mehr als vermessen. Sie ist ungehörig. Bei aller politischen Lautstärke werden wir Zahnärzte uns von Lutz Wolf und seinem VDZI nicht fressen lassen, da können sie noch so viele rote Käppchen aufsetzen.

Berufspolitiker mit gutem Gedächtnis dürften das zweifelhafte Gebahren des VDZI allerdings kennen. Schon zu Zeiten der unter Horst Seehofer eingeführten prozentualen Festzuschüsse war die Innungsspitze sehr schnell und lautstark unter denen, die gegen das System knurrten und manchmal auch hörbar kläfften. Der SPD-Abgeordnete Schmidtbauer - er ist einer der wenigen in der Sozialdemokratie, die noch bereitwillig zumindest dieses rote Käppchen tragen - wird sich ebenso daran erinnern wie die Bildzeitung. Ein verlässlicher Mitstreiter der Zahnärzte war Lutz Wolf noch nie.

Dass er seine eigene Kollegenschaft, die über 7 000 deutschen Zahntechnikerbetriebe, auf falsche Fährten lockt, sollte den zahntechnischen Berufskollegen zu denken geben. Zum Wolfsrudel sollten sie sich zu schade sein. Wer die Patienten vor den Zahnärzten warnt oder gar aus den Praxen treibt, holt keine Aufträge.

Vielleicht hat aber die Techniker-Verbandsspitze wirklich Kreide gefressen und versucht von ihrem Unvermögen abzulenken, die eigentliche Strukturkrise der Branche in den Griff zu bekommen: Technischer Fortschritt mit zunehmend automatisierter Fertigung von Zahnersatz, nach wie vor extreme Überkapazität, ein im internationalen Vergleich extrem hoher Laborkostenanteil und wache ausländische Konkurrenz, die im vereinten Europa zunehmend ihre Chancen suchen wird, bilden die wahren Gefahren des zahntechnischen Berufsstandes. Hiergegen sollten die Innungen anheulen, statt sich gegen die zu wenden, die ihnen als Auftraggeber Arbeit beschaffen. Das ist schon seltsam: Die Zusammenarbeit zwischen Zahnärzten und Zahntechnikern vor Ort - so höre ich immer wieder - läuft problemlos. Der Zahnarzt anerkennt die Kompetenz des Zahntechnikers, der Zahntechniker weiß, wer letztlich die Aufträge vergibt.

Die Innungsspitze hingegen hat einen beträchtlichen politischen Flurschaden angerichtet.

Aber eines sollte sich doch längst herum gesprochen haben: Wer auch immer (noch) mit dem Wolf tanzt, wir Zahnärzte sind es nicht.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Jürgen Fedderwitz; Vorsitzender der KZBV

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