Curriculare Fortbildung Implantologie

Wissenschaft und Praxis als starke Partner

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Heftarchiv Zahnmedizin
Jan H. Koch Alle reden über Implantate und manchem ist der boomende Implantatsektor unheimlich. Doch Implantate ermöglichen häufig die prothetisch beste Lösung und verhelfen Patienten zu höherer Lebensqualität. Nicht zuletzt macht die Implantologie die zahnärztliche Arbeit interessanter. Für viele ist das Grund genug, sich gezielt fortzubilden. Zum Beispiel beim Curriculum Implantologie der DGI.

„Mag sein, dass Implantologen eher zur Extraktion neigen. Aber dafür feilen Endodontologen gern zu viel und Parodontologen kratzen zu lange.“ Im kleinen Kreis diskutieren die Teilnehmer des letzten Kurses des DGI-Curriculums Implantologie ganz offen. Thema ist die Augmentation. Der Erlanger MKG-Chirurg Dr. Andreas Schlegel stellt gleich zu Beginn klar, wo er die Ziele implantologischer Maßnahmen sieht: Zahnsubstanz schonen, Kaufunktion erhalten, soweit möglich abnehmbaren Zahnersatz vermeiden und Knochen und Weichgewebe vor frühzeitiger Resorption schützen. Nach einer kurzen Begrüßung beginnt der zweitägige Kurs an der Erlanger Universitätsklinik mit drei Live-Operationen. Diese werden direkt auf einen Bildschirm in den Hörsaal übertragen und simultan vom Operateur erläutert. Ein weiterer Arzt aus dem jungen kieferchirurgischen Team von Professor Friedrich Neukam steht mit dem Operateur in Funkkontakt und leitet Fragen aus dem Auditorium weiter. Dr. Schlegel zum Konzept des Kurses: „Wir versuchen, die Thematik möglichst umfassend aufzubereiten und den wissenschaftlichen Background zu liefern. Am Erlanger Zentrum werden auch sehr komplexe Fälle gelöst. Deshalb haben die Teilnehmer bei uns Gelegenheit, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen.“

Eine freie Hand gewinnen

Die Live-Demonstrationen – ein Sinuslift, eine Nachimplantation und eine Implantation im zahnlosen Unterkiefer – sind dennoch bewusst auf das Spektrum der zahnärztlichen Praxis ausgerichtet. Privatdozent Dr. Emeka Nkenke zeigt, wie er bei der Unterkieferversorgung Richtungsindikatoren einsetzt und dadurch oft auf Messaufnahmen verzichten kann. In der Diskussion gehen die Referenten intensiv auf praxisrelevante Details ein: „Hängen Sie – wenn neben dem Chirurgiemotor eine zusätzliche Kühlmittelquelle notwendig ist – einen 1,5-Liter-Tank Ringerlösung und einen Infusionsschlauch über dem Behandlungsstuhl auf. Zum Stoppen knicken Sie einfach den Schlauch ab oder drehen das Rädchen zu. So gewinnt Ihre Assistenz eine zusätzliche freie Hand.“ ] An der Erlanger Klinik werden zahlreiche neue Techniken am Patienten eingesetzt. So testen Neukam und Kollegen ein medizinisches Kollagenprodukt für die Wundtamponade, das als Trägermaterial für Osteoblasten bei Sinusliftoperationen eingesetzt wird – nach sechs Monaten mit gutem Erfolg. In Zukunft könnte laut Schlegel möglicherweise durch Genanalyse herausgefunden werden, warum ein bestimmtes Verfahren bei einem Patienten funktioniert, bei einem anderen aber nicht.

Zellen als Nichtschwimmer

Wegen der Infektionsgefahr und der geringen osteoinduktiven Wirkung von Knochenspänen verwendet das Erlanger Team keine Knochenfallen. Stattdessen entnehmen sie zum Beispiel retromolar oder im Kinnbereich Knochendeckel oder verwenden mit dem Raspatorium mobilisierte Knochensplitter, häufig in Verbindung mit Knochenersatzmaterialien. Knochengewebe wird intraoperativ in steriler Gaze aufbewahrt, die in Ringerlösung getränkt ist. „Lassen Sie den Knochen nicht schwimmen, Zellen sind Nichtschwimmer.“ Wenn immer möglich, untermauern die Referenten ihre Empfehlungen mit Ergebnissen wissenschaftlicher Studien. Schlegel: „Fallberichte reichen nicht aus. Wir bemühen uns, evidenzbasiert zu arbeiten.“

Der letzte Baustein des Curriculums an der Erlanger Universitätsklinik ergänzt durch seine bewusst wissenschaftliche Ausrichtung andere Kursbausteine, die in zahnärztlichen Praxen stattfinden. Schlegel: „Manchem Praktiker, der am liebsten die Ärmel aufkrempelt und klinisch arbeitet, mögen unsere theoretischen Einheiten entbehrlich erscheinen. Nach unserer Überzeugung sind aber gerade gründliche Kenntnisse die Basis dafür, dass in der Praxis auf neuestem Stand gearbeitet wird. Das entspricht auch dem Konzept des Curriculums als Synthese aus Wissenschaft und Praxis.“

Der theoretische Hintergrund kommt daher in keinem Kursbaustein zu kurz. Zum Beispiel studieren Kursteilnehmer mithilfe einer DVD, die vom (niedergelassenen) Kursleiter eigens produziert wurde, schon im Vorfeld des Seefelder Einsteigerkurses anatomisches Grundlagenwissen. Umgekehrt kommt auch in der Uniklinik die Praxis zu ihrem Recht: So werden in Erlangen am Freitagnachmittag für zwei Stunden Nervlateralisierungen und andere chirurgische Techniken am Schweinekiefer geübt.

Der Samstag beginnt dann wieder mit einer Übersicht zum Thema Knochenersatzmaterialien. „Für Patienten und Behandler ist es gleichermaßen von Interesse, welche Knochenersatzmaterialien gut und welche weniger gut dokumentiert sind.“ Als Kriterien nennt Schlegel unter anderem die Qualität und mechanische Belastbarkeit des gebildeten Gewebes und den zeitlichen Rahmen der Integration. „Versicherer fragen immer häufiger nach Wirksamkeitsnachweisen für das verwendete Material.“ Da auch in einem forensischen Streit sehr präzise Fragen nach dem Wie, Wann, Warum und Womit gestellt werden, sind die Absolventen des Curriculums auch für diesen Fall eines Falles gut vorbereitet.

Fragen von Kursteilnehmern sind meist praxisorientiert und häufig produktbezogen. „Wie soll ich entscheiden, ob eine Sofortbelastung möglich ist oder nicht?“, „Welches Knochenersatzmaterial wurde verwendet?“, „Welche Partikelgröße?“, „Wo gibt es die Spezialzange zum Herausnehmen von Knochendeckeln?“ – Schlegel gibt Antworten, versucht jedoch, neben dem speziellen Aspekt die übergeordnete Thematik im Auge zu behalten: „Bis zehn Millimeter Defektdurchmesser funktionieren regenerative Maßnahmen meist sehr gut. Bei größerem Durchmesser wird es schwieriger.“ Wegen der großen Distanz zum ortsständigen Gewebe ist der physiologische Ablauf mit Fremdkörperreaktion, Fibrose, Degradation und Osseointegration laut Schlegel oft gestört und es kommt zur Abstoßung oder Infektion. „Antibiotika gelangen dann nicht an den Wirkort. Und Explantationen von Knochenersatzmaterialien sind oft sehr unangenehm.“

Fazit

Curriculare Fortbildung ist sehr beliebt. Mehr als 1000 Zahnärztinnen und Zahnärzte haben seit 1998 das Curriculum Implantologie von DGI, APW und DGZMK bereits mit einer Prüfung abgeschlossen. Neben ihrem zertifizierten Tätigkeitsschwerpunkt haben sie damit ein aktuelles und solides Grundwissen erworben, das ihnen die nötige Sicherheit für die implantologische Praxis gibt. Wenn man Teilnehmer fragt, was ihnen besonders gut gefallen hat, erhält man fast immer zwei Antworten: „Die gute Mischung aus Theorie und Praxis und der gute Kontakt zu den Kollegen und Referenten.“

Dr. Jan Hermann KochParkstraße 1485356 Freisingwww.dental-journalist.de

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