Frauen ante portas
Das, was schon lange gewünscht war, geschieht – der Anteil weiblicher Zahnärzte wächst und wird, betrachtet man die Zahl der weiblichen Zahnmedizinstudenten heute, schon in den nächsten Jahren zu einer erheblichen Dominanz von Zahnärztinnen in unserem Beruf führen.
Wenn man die Stellengesuche in der letzten zm-Ausgabe durchzählt, wird deutlich, dass schon jetzt fast 50 Prozent der Kollegen, die eine Vollzeitstelle suchen, weiblich sind. Betrachtet man die Anzeigenmenge bei der Stellensuche Teilzeit, so sind hier die Frauen zu zwei Dritteln vertreten.
Natürlich freuen sich alle Zahnärztinnen und Zahnärzte über die stattgefundene Emanzipation, müssen sich aber doch gleichzeitig fragen, wie sich unser Berufsbild dadurch verändern wird.
Derzeit sind über 90 Prozent der Zahnärztinnen und Zahnärzte in Deutschland in Freier Praxis tätig, als Einzelkämpfer oder in verschiedenen Kooperationsformen, die heute möglich sind.
Doch die Lebensplanung von Frauen unterscheidet sich bei bestehendem Kinderwunsch grundlegend von der ihrer männlichen Kollegen. Sie müssen Ausfallzeiten durch Geburt und Erziehungszeiten in ihren Lebenslauf einplanen und werden sich schon deshalb bei den Kosten einer Praxisgründung und der erschwerten Kreditvergabe heute fragen, ob sie den Weg in die Freiberuflichkeit heute überhaupt noch gehen können.
Sehr interessant sind die Aussagen einer Studie, die das Institut der Deutschen Zahnärzte in Zusammenarbeit mit der Apo Bank im Jahre 2003 über die zahnärztliche Praxisgründung erstellt hat. Auch hier wird eine Feminisierung des Berufsstandes sichtbar, noch deutlicher ist es in den neuen Bundesländern. Frauen fragen niedrigere Betriebsmittelkredite nach als ihre männlichen Kollegen. Auch gründen sie weniger häufig eine neue Praxis, sondern lassen sich häufiger als Männer in einer Gemeinschaftspraxis nieder.
Nicht selten wird dabei wahrscheinlich auch der Karrierewunsch des Ehemannes, der seine Familienplanung durch den Kinderwunsch nicht umstellen muss, den Ausschlag für die Wohnortwahl geben, so dass die Ehefrau sich dann gezwungenermaßen nach einer Teilzeitstelle umsehen muss.
Dieses wäre allerdings der ideale Arbeitsplatz für eine junge Mutter, würde nicht das Kassenzahnarztrecht mit Budgets und nicht vorhandenen Punkten für den angestellten Zahnarzt dem Arbeitgeber und damit auch der angestellten Teilzeitzahnärztin einen großen Strich durch die Rechnung machen. Da lockt doch das staatlich gewollte Versorgungszentrum. Hier wird ihrem Wunsch nach stundenweiser Beschäftigung entsprochen. Hier geht sie kein finanzielles Risiko ein, arbeitet als Angestellte mit allen (angenehmen?) Schutzmaßnahmen, die der Staat für Schwangere und Mütter festgelegt hat.
Im Deutschen Ärzteblatt vom Juni 05 steht es schwarz auf weiß: „Einer der wesentlichen Gründe, warum Ärzte sich für die Berufsausübung in einem MVZ (medizinisches Versorgungszentrum) entscheiden, ist die Möglichkeit, in Teilzeit zu arbeiten. Dies sei besonders für Ärztinnen interessant. Manche Ärzte lockt auch die Aussicht, als Angestellter nicht mehr das wirtschaftliche Risiko der Praxisführung zu tragen.“
Schauen wir über den Tellerrand – in anderen akademischen Berufen ist der Anteil der Angestellten, sicher auch durch den hohen Frauenanteil, bei 50 Prozent und mehr angekommen – bei den Ärzten, bei den Apothekern, bei den Juristen, von den Lehrerinnen ganz zu schweigen.
Ärztinnen haben die Möglichkeit, in einem Krankenhaus zu arbeiten, die Apothekerinnen in einer Apotheke, die Juristinnen in einer Kanzlei. Hier existiert ein Markt, den es bei uns durch die Budgets nicht gibt. In Amerika arbeiten viele Kolleginnen an den zahlreichen dental schools, wie viele Universitäten bieten aber in Deutschland einen sicheren und vor allem langfristigen Arbeitsplatz? Keine!
Im Ärzteblatt war jüngst zu lesen, dass es für junge Ärzte lukrativer ist, mit langfristig gebuchten Billigfliegern nach England zu fliegen und gut bezahlte Notdienste an Samstagen und Sonntagen im Public Health System zu übernehmen, als eine eigene Praxis auf dem Lande zu gründen. Skandinavien winkt per Annonce mit festen Arbeitszeiten in staatlichen Ambulatorien, eine Chance auch für unsere jungen männlichen Kollegen. Doch die Ehefrau und Mutter kann nicht aus dem Radius des Familienmittelpunktes fliehen. Also, was liegt näher, als sich einen sicheren Arbeitsplatz in einem politisch gewollten Versorgungszentrum als Angestellte zu suchen.
Und hier ist nicht nur die Freiberuflichkeit in individueller, selbstständiger, eigenverantwortlicher Tätigkeit ein Auslaufmodell, sondern vielleicht auch die so bewährte Altersversorgung in unseren Versorgungswerken. Um Mitglied in einem Versorgungswerk zu werden, muss ein Antrag auf Befreiung an die BfA (Bundesanstalt für Arbeit) gestellt werden. Die Befreiung erfolgte bislang problemlos, da Ärzte und Zahnärzte Mitglieder eines Freien Berufes sind. Wird das so bleiben, wenn ein Großteil der Mitglieder als Angestellte arbeiten? Wird uns der Nachwuchs wegbrechen und sich damit die zurzeit sehr ausgewogene Altersverteilung verändern? Wie hoch werden die Beitragssätze sein, die eine stundenweise arbeitende Angestellte aufbringen muss? Wie viele Jahre wird die Frau und Mutter überhaupt berufstätig sein?
Wird die niedergelassene Kollegin, die schon bei der Praxisgründung oder Übernahme weniger investiert als ihre männlichen Kollegen, da sie für sich langfristig geringere Einnahmen kommen sieht, noch die Beitragssätze aufbringen können, so wie heute?
Frauen leben bekanntlich länger als männliche Kollegen. Damit wird auch ihre Rente teurer, weil diese statistisch gesehen fünf Jahre länger ausbezahlt werden muss.
Derzeit ist der überwiegende Teil der Kolleginnen noch selbständig und zahlt somit den hohen Beitrag der Selbständigen ein. Auch liegt der Anteil der niedergelassenen männlichen Kollegen über 50 Prozent, die Längerlebigkeit der Frauen wird also momentan noch von allen Kollegen in Solidargemeinschaft finanziert. Doch, wenn die Frauen mit niedrigen Beitragszahlungen die überwiegende Mehrheit stellen, wird das Rentenniveau für alle sinken. In den Versorgungswerken, in denen der Frauenanteil hoch ist, fordern die Kolleginnen schon heute Gelder für Kindererziehungszeiten ein. Ein berechtigter Wunsch, denn Gelder für Kindererziehungszeiten kommen heute für Mütter, die in der BfA versichert sind, aus Steuergeldern. Wenn der Staat diese Gelder für Versorgungswerke nicht freigibt, müssen sie vielleicht, dem Druck der Mehrheit folgend, aus dem Beitragsaufkommen aller finanziert werden.
Es ist allgemein bekannt, dass es immer schwieriger wird, Geld so anzulegen, dass der von vielen Versorgungswerken garantierte Rechnungszins von vier Prozent noch verdient werden kann. Verändert sich das Klientel der Versicherten im oben dargestellten Szenario, so ist eine Absenkung der Rente für zukünftige Generationen unausweichlich.
Verehrte Kollegen und Kolleginnen, wir alle gemeinsam müssen für unsere Kollegen und Kolleginnen die Zukunft jetzt gestalten. Der demographische Wandel mit Längerlebigkeit und Feminisierung des Berufsstandes geht uns alle an. „Die Wahl zwischen unternehmerischer Selbständigkeit oder abhängiger Anstellung werde jetzt getroffen“, so äußerte sich Dr. Adam, Verein für integrative Patientenversorgung.
Kämpfen wir also gemeinsam in KZVen und Kammern für Teilzeitarbeitsmöglichkeiten in Freien Praxen, definieren wir Freiberuflichkeit in einer neuen Berufsordnung in dem Sinne, dass Therapiefreiheit und Eigenverantwortlichkeit nur in der Freien Praxis und nicht im medizinischen Versorgungszentrum erhalten bleibt.
Wenn das gelingt, dann ist mir für die Zukunft nicht bange.
Dr. Ursula von SchönbergMittelstraße 1332683 Barntrup