Die Dentalwelt wird komplexer\r
Gehen Zahnarzt und Zahntechniker miteinander über die Messe, so beginnt Teamwork bereits dort.“ So stellt sich ein CAD-CAM-Hersteller laut Vorab-Pressemitteilung die künftige Arbeit vom Zahnarzt im Team vor. In der Tat legen CAD-CAMSysteme und zugehörige Materialien, die in ihrer spannenden Weiterentwicklung vom 13. bis 16. April in Köln zu besichtigen sind, eine enge Abstimmung der Arbeit mit dem Zahntechniker nahe.
Denn umfassende Rekonstruktionen mit Füllungen, festsitzenden und abnehmbaren Restaurationen erfordern aufeinander abgestimmte Materialien und Geräte, im Idealfall aus einer Hand. Gerüstmaterial und Keramik müssen ebenso zueinander passen wie Restauration, Befestigungsmaterial und gegebenenfalls das Adhäsiv. Hinter dieser Entwicklung stehen rechtliche Vorschriften (Medizinproduktegesetz) ebenso wie medizinische Notwendigkeit und der Patientenwunsch nach zuverlässigen, farblich korrekten und biologisch verträglichen Versorgungen. Das gilt für die Metallkeramik ebenso wie für Vollkeramik, CAD/CAM-basierte Systeme und die Implantologie.
Kooperation hoch im Kurs
Da diese komplexe Aufgabe von einzelnen Unternehmen kaum noch allein zu bewältigen ist, schließen sie immer häufiger Kooperationen. Im Vorfeld der diesjährigen IDS wurde zum Beispiel ein Joint Venture angekündigt, bei dem Sirona das Spektrum der in hauseigenen CAD/CAM-Systemen einsetzbaren Rohlinge um Legierungen von Bego erweitert. Bego erweitert im Gegenzug die Verbreitung seiner CAM-fähigen Legierungen und bietet seinen Kunden die Möglichkeit, mit dem eigenen System eingescannte Stümpfe mit gefräster Vollkeramik zu versorgen. Da beide Firmen Zentren zur CAM-gestützten Fertigung auf der Basis von Datensätzen haben (Procera-Prinzip), besteht eine weitere Vernetzung, die die bisher engen Systemgrenzen einzelner Anbieter sprengt. Weitere Kooperationen werden mit Sicherheit folgen und in Köln vorgestellt.
Aber auch bei den indirekten Restaurationsmaterialien wird es auf der IDS viel Neues zu entdecken geben. So kündigt Ivoclar Vivadent für Herbst 2005 ein neues Vollkeramik-Materialsystem an, das aus verschiedenen kompatiblen Rohlingen und Blöcken für die Presstechnik und CAD/CAM-Technologie besteht. Dazu passend soll es eine Schichtkeramik geben, die sowohl für Presskeramikals auch für CAM-gefräste Gerüste verwendbar ist. KaVo wird für das Everest System eine neue, beim Sintern volumenstabile „Zirkonsilikatkeramik“ und einen fräsbaren Polymerkunststoff für Langzeitprovisorien vorstellen. 3M Espe gibt bekannt, dass das Gerüstmaterial LAVA frame für Frontzahnkäppchen mit nur noch 0,3 Millimetern Schichtdicke freigegeben wird. Nobel Biocare hat sein Materialkonzept um eine hochfeste Verblendkeramik für Aluminiumoxid- und zirkonverstärkte Gerüste erweitert (NobelRondo).
Teamarbeit – total digital
Zahntechniker verfolgen diese Entwicklungen sehr aufmerksam. Doch auch Zahnärzte sollten gut informiert sein. Sie sind bei jedem Patienten für die Materialauswahl verantwortlich und machen es sich leichter, wenn sie „mit ihrem Labor Hand in Hand arbeiten und zusammen nach der besten Lösung suchen“ (Pressemitteilung). Auf der IDS ist dies auf vielen Ebenen der restaurativen Versorgung möglich. So gibt es immer neue digitale Systeme und Software-Lösungen für die Übertragung von Patientendaten in das zahntechnische Labor, zum Beispiel digitale Farbdaten oder gnathologische Datensätze. Dasselbe gilt für den Austausch mit zahnärztlichen oder ärztlichen Kollegen. Übertragbar sind neben Röntgenbildern zum Beispiel 3D-Datensätze für die komplexe Implantat- oder KFO-Planung. Hier kommt eine weiter gehende Teamarbeit zwischen Chirurgen und prothetisch versorgenden Zahnärzten ins Spiel, für die es entsprechende Röntgen-, CT- und Volumentomographie-Geräte (neu zum Beispiel von Planmeca) und ausgefeilte Diagnostik- und Planungsprogramme gibt. Auch die Möglichkeiten der computergestützen Restauration am Behandlungsstuhl haben sich mit Cerec 3 (Sirona) stark erweitert und erlauben zum Beispiel die Versorgung mittlerer Frontzähne mit gespiegelten Veneers. Neue Geräte wie digitale Apexlokatoren für die Endodontie (VDW, SybronEndo) haben fast selbstverständlich einen PC-Anschluss.
Trotz aller technischen Euphorie und der zum Teil verbesserten Anwenderfreundlichkeit werden digitale Praxisausrüstungen von vielen Zahnärzten als noch zu teuer angesehen. Auch aus diesem Grund beträgt der Anteil digitaler Praxen in Deutschland nur zehn bis 15 Prozent. Die IDS 2005 wird zeigen, ob der Einstieg in dieses spannende Segment preisgünstiger geworden ist.
Biologie statt Mechanik
Neben digitalen sind auch biologisch orientierte Produkte immer häufiger anzutreffen. So bieten inzwischen fast alle größeren Implantathersteller so genannte biologisch aktive Oberflächen, die die Anlagerung von Knochen erleichtern und beschleunigen. Dies soll einerseits über die Struktur geschehen, zum Beispiel mit „interkonnektierenden nanoporösen Strukturen“ (Puretex, Oraltronics) oder über spezielle Beschichtungen, zum Beispiel mit Fluorid (Osseo-Speed, Astra). Passend zu diesem „Biotrend“ gibt es zahlreiche zahnfarbene Zirkonoxidaufbauten und (wieder) Keramikimplantate, ebenfalls aus biokompatibler Zirkonoxid-Keramik (Z-Lock3, Z Systems).
Auch in der nicht oder minimal invasiven Karies- und Füllungstherapie gibt es biologisch orientierte Neuheiten und Weiterentwicklungen. So bietet GC unter dem Namen Tooth Mousse „flüssigen Zahnschmelz“ an, der den Speichelfluss anregen und die natürliche Remineralisation verstärken soll, zum Beispiel nach dem Bleaching oder im Zusammenhang mit kieferorthopädischen Behandlungen. Der Wirkstoff ist aus dem Milchprotein Kasein abgeleitet.
Das Ozongerät HealOzone (KaVo) ist jetzt neben der Kariestherapie auch für die Endodontie freigegeben. Der bereits 2003 vorgestellte Polymerbohrer SmartPrep zur Substanz schonenden Kariesexkavation heißt jetzt SS White SmartBurs und wurde für längere Verwendbarkeit im Arbeitsteil verstärkt. Das Instrument ist seit Ende Februar auch in Deutschland erhältlich. Carisolv zur Kariesentfernung heißt jetzt Carisolv Gel Multimix (Mediteam) und wirkt laut Informationsmaterial schneller als das bisherige Produkt.
Evolution statt Revolution
Wer in den letzten Monaten die PR-Schlacht bei den Füllungskompositen (Tetric Evo-Ceram, Ceram X, Filtek Supreme und viele mehr) verfolgt hat, fragt sich vielleicht, was an „Nano“ wirklich dran ist. Die superkleinen Teilchen verbessern tatsächlich die Materialeigenschaften der Komposite, zum Beispiel die Polierbarkeit, allerdings nicht auf revolutionäre Weise. In Adhäsiven bewirken Nanopartikel eine verbesserte Suspension der Inhaltsstoffe und damit eine gleichmäßigere Schichtbildung. Das nicht schrumpfende Komposit wird auch in diesem Jahr in Köln nicht vorgestellt. Es soll sich aber bereits in der Entwicklung befinden. Vielleicht gibt es vorher das Hydroxylapatit-Mousse, das die Füllungstherapie überflüssig macht. Eine japanische Forschergruppe stellte im Februar eine Paste vor, die kleine Kavitäten innerhalb von 15 Minuten von den Rändern her zuwachsen lassen soll.
Dass nützliche Produkte nicht immer High-Tech bedeuten, werden in Köln wieder viele, zum Teil auch kleinere Anbieter demonstrieren. So vermarktet Pauli Zahntechnik (Mühlheim) ein Set aus Drehmomentschlüsseln und Aufsätzen, das für das chirurgische Einbringen und das Verschrauben prothetischer Teile der meisten wichtigen Implantatsysteme verwendbar ist. Mit Rins-Endo hat Dürr Dental zusammen mit PD Dr. Rainer Hahn ein neues mechanisches Spülsystem für die Endodontie entwickelt. Das Hartmetallinstrument Great White Ultra (SS White Burs) trägt Zahnsubstanz nach ersten Anwendererfahrungen effektiver als Diamanten ab und sorgt gleichzeitig für glatte Präparationsgrenzen. Mit einem Pulpenpflaster aus Titan (MeiPulp, Meisinger) lässt sich eine partielle Pulpotomie abdecken und nach Firmeninformationen zusammen mit einem Kalziumhydroxidpräparat die reizlose Ausheilung unterstützen.
Jenseits der Produkte
Zahnheilkunde existiert auch jenseits der in Köln angebotenen Produkte und Dienstleistungen. Was in Fachzeitschriften häufig zu kurz kommt – Diagnostik, Planung und synoptische Zahnheilkunde – spielt im Praxisalltag eine große Rolle. So sind für die Diagnostik von Paro-Endo-Läsionen neben einer Sonde und Röntgenbildern vor allem Fachwissen und viel klinische Erfahrung notwendig. Die Früherkennung von Mundschleimhauterkrankungen erfordert medizinischen Verstand und möglicherweise eine Bürstenbiopsie.
Für die Patientenversorgung nach dem Stand der Technik ist häufig auch Teamarbeit notwendig. Im Gespräch und (Daten-) -Austausch mit Zahntechnikern und, eventuell auch spezialisierten Kollegen, lassen sich viele Fälle besser lösen als allein. Bleiben Sie also am Ball und schauen Sie sich auf der IDS nach Lösungen um.