Die Hebel im Nebel
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
es wurde aber auch Zeit: Da haben wir schon Ostern und noch immer laufen die Festzuschüsse. Das darf doch nicht wahr sein! Wie gut, dass es noch ein paar Aufrechte in dieser Republik gibt ... Im Ernst: Die befundorientierten Festzuschüsse, das Quäntchen Gutes, das die Zahnärzteschaft aus dem GKV-Modernisierungsgesetz ziehen konnte, schmecken nicht jedem und rufen wieder einmal die ewigen Nörgler und Blockierer auf den Plan.
Zu erwarten war das. Der einzige Teil der so genannten Reform, der diesen Namen letztlich auch verdient, soll ausgetrocknet und madig gemacht werden. Die Ministerin, die in vielen Teilen des Gesetzes ihre Watschen bekam – wohlgemerkt: auch von den Zahnärzten –, verteidigt das Konzept. Und ihr Ministerium folgt. Danach wird in der Politik die Luft dann aber auch dünner. Vom Regierungspartner Bündnis 90/Die Grünen wird sie allenfalls durch Stillschweigen unterstützt. Auch von der CDU/CSU, die das Gesetz mit konsentierte, ist an dieser Stelle gegenwärtig wenig zu hören. Stille – selbst in der eigenen Partei. Und Ulla Schimdt allein zu Haus!
Erstaunlich, dass ausgerechnet immer in solchen Situationen der Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen in der „Lobby“ auftaucht, beim Ministerium anklopft und Katastrophenszenarien für Zahntechniker, Patienten und den Rest des Abendlandes an die Wand malt.
Es hat schon fast Tradition: Immer wenn die Zahnärzteschaft dabei ist, für Patienten, Praxen und Partner in der Dentalbranche Neuland zu erobern, tritt der VDZI auf den Plan. Natürlich sei er für das Festzuschusssystem, versichert VDZI-Chef Wolf. Aber in der Anhörung des Gesundheitsausschusses im Deutschen Bundestag klingt das ganz anders: „Das Festzuschusssystem und seine systematischen Ungereimtheiten führen zu einer uneinheitlichen Bezuschussungs- und Abrechnungspraxis bei einer systematisch höheren Zuzahlung.“ Ohne Änderung würde sich das Versorgungsniveau großer Teile der Bevölkerung reduzieren.
Papperlapapp. Horror im argumentativen Nebel. Seriöse Politik im Nirvana. Ich bleibe dabei: Das Versorgungsniveau bleibt erhalten. Die Alltagszahnersatzfälle in unseren Praxen werden die Patienten nicht mehr belasten, sondern vielfach eher entlasten.
Zugegeben: Manche Kombinationsversorgung – schon ehedem in der Grauzone der Überversorgung – wird teuerer. Doch wer Neues will, zum Beispiel Zuschüsse für Implantatkonstruktionen, kann nicht alles bewahren. Und GOZ-Freiheiten gibt es nicht umsonst.
Krankenkassen und Zahnärzte jedenfalls, so wurde in der Anhörung deutlich, teilen die Befürchtungen des VDZI nicht. Beide sind sich zumindest einig, dass es für Bewertungen des Systems schlichtweg zu früh ist. Auch wenn sich die Krankenkassen zurzeit in den gemeinsamen Ausschüssen in der noch zu leistenden Interpretation und Auslegung der Festzuschussregelungen unnötig schwer tun: Massive Kampagnen unterbleiben. Die meisten Kassen haben genug mit der vom Ministerium gewünschten Beitragssatzsenkung zu tun. Sie wollen zurzeit keine zusätzlichen Gräben.
Alle Kassen? Nein, es gibt Ausreißer. Einer ist Dieter Hebel, Vorstandsvorsitzender der Gmünder Ersatzkasse. Er schürt kräftig das Feindbild: Er mutmaßt, dass die Zahnärzte in Sachen Festzuschüssen fleißig „IGELn“ und besonders Teures und Überflüssiges verkaufen, um „ihren eigenen Geldbeutel zu füllen“. Hebel weiß schon jetzt, was andere Kassen und nicht einmal wir Zahnärzte wissen: Ungefähr 40 von 100 Patienten legen über die befundorientierten Festzuschüsse hinaus „nicht ganz unbedeutende Beträge“ zur Zahnarztrechnung dazu. Ein Augur? Oder doch nur ein Hebel im Nebel, der mit dem Lesen von kaltem Kaffeesatz kurzfristig verunsichern will?
Die GEK rühmt sich als kundenfreundlichste Krankenkasse Deutschlands. Wenn sich Hebels Schluss – Kundenfreundlich ist, wer auf die Zahnärzte drischt – da man nicht als intellektueller Kurzschluss erweist. Zu einer Zeit, da die Fallzahlen noch im Keller liegen und folglich etwaige Schlussfolgerungen gar nicht seriös belegbar sind, ist die Zielrichtung klar: Hebel ansetzen – volle Kraft zurück! Die GEK – die „gestrige Ersatzkasse“.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Dr. Jürgen FedderwitzVorsitzender der KZBV