Rückzieher von Fall zu Fall
Oft genug treten die privaten Krankenversicherungen vom einem bestehenden Vertrag zurück, mit der Begründung, der versicherte Zahnarzt habe – angeblich oder tatsächlich – beim Vertragsabschluss die so genannte Anzeigepflicht verletzt. Ein solcher Rücktritt kann den privat Versicherten schwer treffen: Er verliert seinen Versicherungsschutz. Mit zunehmendem Alter wird es für ihn schwierig, einen gleichwertigen Ersatz zu finden.
Deshalb sollte man beim Ausfüllen des Versicherungsantrages alle Vorerkrankungen und alle bisherigen ärztlichen Behandlungen angeben. Keinesfalls sollte man sich darauf verlassen, was Vertreter sagen. Diese wollen nämlich manchmal den Eindruck erwecken, man könne diese Fragen eher allgemein beantworten. Hinzu kommt, dass der entsprechende Abschnitt im Antragsformular oft sehr klein gehalten ist. Da kann schon der Eindruck entstehen, viele Informationen seien hier gar nicht gefragt.
Immer den Grundregeln nach
Jeder Interessent für eine private Krankenversicherung sollte folgende Regel beherzigen: Es sind alle (!) Vorerkrankungen und ärztlichen Behandlungen anzugeben. Warum davor zurückschrecken, auch kleinere Erkrankungen wie Erkältungen oder Grippe anzugeben? Selbstverständlich gehören sämtliche Krankenhausaufenthalte dazu. Sicherheitshalber sollte man bei seinen früheren Ärzten nachfragen. Auch wenn der Vertreter ein belustigtes oder ärgerliches Gesicht macht: Alles aufschreiben.
Mit ziemlicher Sicherheit reicht der dafür vorgesehene Platz nicht. Dann genügt es dort „Siehe Anlage“ zu vermerken und die Angaben auf einem gesonderten Bogen beizuheften. Diese Anlage enthält optimalerweise sämtliche Angaben zur Anamnese. Sicherheitshalber lässt der Antragsteller sich diese vom Vertreter noch abzeichnen und sorgt für einen Zeugen, dass er die Anlage mit dem Antrag abgegeben hat.
Über Nacht im Dilemma
Dieses mag für manche Leser übertrieben klingen. Leider erleben Anwälte in der Praxis immer wieder Fälle, in denen die Krankenversicherung wegen unvollständiger Angaben vom Vertrag zurückgetreten ist. Die betroffenen Versicherten waren fast über Nacht in größten Schwierigkeiten.
In § 16 Abs. 2 VVG heißt es unmissverständlich, dass der Versicherer von dem Vertrage zurücktreten kann, wenn der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss „einen erheblichen Umstand“ nicht anzeigt. Wer aber definiert, welcher Umstand „erheblich“ genug ist, um die Versicherung zum Ausschluss zu berechtigen? Wer auf eine gerichtliche Klärung der Frage gerne verzichtet, gibt eben alle Umstände an, ohne zwischen „erheblich“ und „unerheblich“ zu differenzieren.
Alea iacta est
Viele der jetzt versicherten Zahnärzte haben ihre Verträge freilich längst abgeschlossen, können also den soeben erteilten Ratschlag nicht mehr befolgen. Deshalb hier einige Hinweise für den Fall der Fälle, wenn also die private Krankenversicherung zurückgetreten ist. Gesetz und Rechtsprechung geben nämlich zum Glück einige Hilfen:
• Der Versicherungsnehmer muss den Umstand bei Vertragsschluss überhaupt kennen. Das heißt, er kann nur Vorerkrankungen et cetera angeben, von denen er Kenntnis haben kann. Wer zum Beispiel noch nicht weiß, dass er Krebs hat, kann natürlich auch keine entsprechende Mitteilung machen. Aber Vorsicht: Die Krankenversicherung holt sich vom Versicherten eine umfassende Schweigepflichtentbindung und fragt bei sämtlichen vorbehandelnden Ärzten nach. Sollte sich in deren Aufzeichnungen ein Hinweis auf eine Belehrung des Patienten, also ihres des Versicherungsnehmers, über die fragliche Erkrankung finden, ist das Argument der Unwissenheit hinfällig. Allen Ärzten wie Zahnärzten sei in diesem Zusammenhang dringend empfohlen, die öfters erbetenen Gesundheitszeugnisse wahrheitsgemäß auszufüllen und nicht etwa zugunsten des Patienten die Aussagen zu „schönen“. Dann würden zivilrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen drohen.
• Eine weitere Hilfe ist, dass das Rücktrittsrecht entfällt, wenn der Versicherer von der Vorerkrankung wusste. Hierbei ist es von Vorteil, dass dem Versicherer unter bestimmten Umständen das Wissen des Vertreters zugerechnet wird. Wenn man also beweisen kann, dass man dem Vertreter alles gesagt, dieser es aber in den Vertrag nicht eingetragen hat …
• Manche Anträge enthalten zwar Angaben, sie verharmlosen jedoch den Sachverhalt. Unter bestimmten Umständen ist der Versicherer verpflichtet, solchen Zweifeln nachzugehen. Tut er das nicht, gefährdet er sein Rücktrittsrecht.
• Der Versicherer muss sich im Übrigen beeilen. Sobald er davon erfährt, dass der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht verletzt hat, muss er binnen eines Monats vom Vertrag zurücktreten.
Optionen
Wenn die Versicherung erklärt, sie trete vom Vertrag zurück, ist also noch nicht alles verloren. Dem Laien wird allerdings die fundierte Argumentation schwer fallen, wann Kenntnisse des Vertreters berücksichtigt werden müssen, welche Angaben wesentlich sind und wie Fristen berechnet werden. Besser fährt er mit Sicherheit, wenn er statt eine Stellungnahme abzugeben, einen spezialisierten Rechtsanwalt einschaltet.
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