Kriminelle Kopierwut
Bereits Ende März hatte das Bundeskabinett eine Änderung des Urheberrechts durchgewunken, die aus CD brennenden Schulkindern kleine Kriminelle macht. Die „Bagatellfall- Regelung“ ist nämlich Geschichte, und das bedeutet weitgehend das Aus für die bislang geduldeten Privatkopien. Wer künftig wild kopiert und sich erwischen lässt, dem drohen bis zu zwei Jahre hinter Gittern, professionelle Raubkopierer müssen mit fünf Jahren Haft rechnen. So weit, so gut. Was aber blüht dem kleinen Mann, der sich privat ein paar Scheiben brennt? Zum Beispiel, damit die Kinder nicht die Original-CD zerschrammeln. Oder um auch im Auto gute Mucke zu hören. Grundsätzlich darf man von jeder gekauften CD, Kassette oder Schallplatte eine Kopie zum Hausgebrauch herstellen. Die massenhafte Anfertigung von Kopien und deren Verbreitung sind und waren sowieso schon immer verboten. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs von 1978 gehen Juristen davon aus, dass fünf bis sieben Kopien als Faustregel auch weiterhin in Ordnung gehen. Das Urhebergesetz setzt selbst keine Obergrenze. Statt klar zu definieren, wo die Gesetzestreue endet und das Vergehen anfängt, überlässt das Gesetz es den Staatsanwälten, ob sie ein Verfahren einleiten oder nicht.
Minenfeld Urheberrecht
Eindeutig kriminell wird es, wenn die betreffende CD beziehungsweise Software durch einen Kopierschutz gesichert ist. Wer den knackt, macht sich strafbar – egal, ob die Dublette für seine Mutter, den besten Freund oder ihn selbst bestimmt war. Trotz des Rechts auf die Privatkopie ist es also illegal, den Kopierschutz zu umgehen. Einzige Ausnahme: die Sicherheitskopie. Das neue Urheberrecht gestattet dem Nutzer weiterhin, von einem original Datenträger eine Sicherheitskopie zu ziehen, sogar dann, wenn dieser mit einem Kopierschutz versehen ist. Diese Sicherheitskopie darf man jedoch nicht verschenken, verleihen oder verkaufen und darüber hinaus muss man auch noch das Original besitzen.
Kreativer Kopf wird um verdienten Lohn gebracht
Oft wird das Raubkopieren als Bagatelldelikt abgetan – man vergisst schnell, dass der kreative Kopf hinter der Software um den Lohn seiner Arbeit gebracht wird. So genannte Verwertungsgesellschaften – für Tonträger ist etwa die GEMA zuständig, für Texte die VG Wort – zahlen an die geistigen Eigentümer zwar Entschädigungen, allerdings sind die Pauschalen verschwindend gering und können keine zehntausend Kopien ausgleichen.
Etwa 27 Prozent aller installierten Programme in Deutschland sind Raubkopien, meldete jüngst der Industrieverband Business Software Alliance (BSA). Sage und schreibe 1,5 Milliarden Euro Schaden verursachte die Software-Piraterie im Jahr 2005 allein in der Bundesrepublik. Der Internationale Verband der Phonoindustrie (IFPI) beklagte kürzlich, das illegale Geschäft mit Musik habe immer noch riesige Ausmaße. Im vergangenen Jahr seien weltweit mehr als 1,2 Milliarden gefälschte CDs verkauft worden. Damit sei jede dritte CD, die in den Handel kommt, schwarz gebrannt. Dies entspricht in etwa den Zahlen des Vorjahres. Der Verband schätzte zudem, dass 2005 rund 20 Milliarden Titel ohne Bezahlung übers Internet heruntergeladen wurden.
Dass selbst der Software-Riese Microsoft die illegalen Kopien nicht als Kleinigkeit abtut, beweist eine Nachricht aus der amerikanischen Computerwelt: 26 Klagen reichte Microsoft Mitte Juli bei verschiedenen Bundesgerichten gegen US-Unternehmen im Zusammenhang mit Software-Piraterie ein. Microsoft wirft den Firmen vor, illegale Kopien des Betriebssystems Windows und der Office Business Software verkauft zu haben. Die Internet-Tauschbörse Kazaa wird künftig keine illegalen Musikstücke und andere urheberrechtlich geschützten Inhalte mehr anbieten. Außerdem einigten sich die Betreiber mit der Plattenindustrie angeblich auf Schadensersatz in Höhe von 100 Millionen Dollar. Vor der außergerichtlichen Einigung hatten die großen Plattenfirmen Kazaa durch ein Gerichtsurteil gezwungen, die Dateitauschbörse in Australien zu schließen. Aber nicht nur Massen-Software wandert von einem PC zum anderen, auch Programme für bestimmte Berufsgruppen tauchen urplötzlich ohne Kaufbeleg auf dem Bildschirm des Kollegen auf. Für den Hersteller einer solchen Spezial-Software ist das fatal: Er kommt aufgrund der entsprechend geringeren Auflage der Software und des kleineren Kundenkreises zu einem größeren Schaden als der Hersteller einer weit verbreiteten Standardlösung.
Verbraucherverbände behaupten, dass das neue Gesetz den Schutz des geistigen Eigentums eher verschlechtern statt verbessern wird: Es sorge sich nämlich weniger um die Urheber als um die Industrie. Außerdem sei es völlig realitätsfern, eine Tat unter Strafe zu stellen, wenn sich die Mehrheit der Bevölkerung dann jeden Tag strafbar macht.
Claudia KluckhuhnSabine NemecDipl.-Wirtsch.-Ing. (FH)Oberdorfstr. 4763505 Langenselbold