Pandemie-Vakzine aus inaktivierten H5N1-Viren
Jiantao Lin vom Chinesisch-Japanischen Freundschaftshospital in Beijing (VR China) und einer Reihe anderer Wissenschaftler aus verschiedenen Forschungslabors der chinesischen Hauptstadt und vom Institut für Biologische Standards in Herfordshire (UK) publizierten in der jüngsten Ausgabe des „Lancet“ erstmals eine Prüfarbeit zur Entwicklung einer Vakzine zum Schutz gegen die erwartete Influenza-Pandemie. Die Vakzine wurde an 120 Freiwilligen im Alter zwischen 18 und 60 Jahre erprobt. Es wurden Impfdosen zwischen 1,25 und 10,0 μg eingesetzt. Die Impfung erfolgte in zwei Dosen am 1. und 28. Tag.
Die aus abgeschwächtem (attenuiertem) H5N1-Virus gewonnene Vakzine führte bei den Teilnehmern zu einer 78-prozentigen Serokonversion. Die Abbildung zeigt die Werte am Tag 42 nach der zweiten Gabe. Die Kurven bilden ab, welcher Anteil der Probanden so viele Antikörper gebildet hatte, dass die ansteigenden Mengen inokulierten Virusmaterials neutralisiert werden konnten.
Kommentar
Der britische Infektiologe Iain Stephenson vom Royal Infirmery in Leicester würdigt zwar in der selben Ausgabe der Zeitschrift den Erfolg der chinesischen Kollegen, doch merkt er an, dass die nach konventionellem Verfahren in bebrüteten, sterilen Hühnereiern gewonnene Vakzine mit der wirksamen Dosis von zwei Mal 10 μg Hämagglutinin im Falle der mit Sicherheit erwarteten Pandemie nicht in ausreichender Menge produziert werden könnte. Mit den bei den weltweit tätigen Impfstoffherstellern verfügbaren Kapazitäten ließen sich in einer Produktionszeit von mindestens einem halben Jahr gerade 450 Millionen Personen schützen – viel zu wenig, wie der britische Fachmann meint.
Es müsste also noch weiter konventionell geforscht werden, oder unkonventionell, wie es die chinesischen Kollegen in der Republik China auf Taiwan tun. Der Autor dieses Berichtes konnte sich im Frühjahr dieses Jahres selbst in Taipeh davon überzeugen, dass dort an den National Institutes of Health Research die Produktion einer Pandemie-Vakzine aus embryonalen Hühnerzellen in Zellkultur bereits in der Erprobungsphase befindlich ist. Zellkulturen können anders als bebrütbare Hühnereier in großem Stil hochgefahren werden, wenn dies nötig sein sollte.
Hier hätte man also einen Ansatz, der zur Beruhigung Anlass böte, wenn Taiwan nicht völlig isoliert (und nicht einmal als assoziiertes Mitglied in der WHO) forschen müsste, was bis heute den wissenschaftlichen Austausch und den Nutzen für die Weltbevölkerung minimiert. Viele Beobachter hatten erwartet, dass der Druck, unter dem weltweit die Forscher – auch in Festlands- China – stehen, die harte Blockadehaltung aus Beijing Taiwan gegenüber aufweichen würde, so dass eine Annäherung des Inselstaates an die WHO möglich sein sollte. Bislang blieb diese Hoffnung aber unerfüllt, so dass etwa wir Europäer von den Erkenntnissen der Forscher auf Taiwan im Ernstfall nicht profitieren können.