Symposium in Karlsruhe zur Zukunft der Profession

Schluss mit der Fachidiotie

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Unter dem etwas provokant gewählten Titel „Zahnarzt und Gesellschaft – Fachidiotie oder endlich ein modernes Berufsverständnis“ setzte das Karlsruher Symposium 2006 neue Akzente in der professionellen Standortbestimmung. Fazit: Tradierte Denkmuster aufzubrechen und den Blick über den Tellerrand schweifen zu lassen, hilft der Weiterentwicklung des Berufsstandes.

Konsequentes Querdenkertum und das Beschreiten neuer Wege – damit hat sich die Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe einen Namen gemacht, auch durch ihre Symposien der letzten Jahre zur Professionalisierung des Zahnarztes. Die diesjährige Veranstaltung am 14. Juli bot geladenen Gästen aus Wissenschaft, Praxis und Standespolitik einen – wie der badenwürttembergische Kammerpräsident Dr. Udo Lenke es ausdrückte – „weitreichenden Blick über den eigenen Tellerrand“. Es galt, die Bedingungen für ein modernes Berufsverständnis sowohl von Vertretern der Wissenschaft wie auch der Standespolitik herauszuarbeiten.

Sein Unbehagen mit dem Handwerkermodell Zahnmedizin machte Akademieleiter Prof. Dr. Michael Heners zum Gegenstand seines Vortrags. Die simple Annahme, „wenn man immer ordentlich arbeitet, dann kann einem nichts passieren“, zeuge von einem falschen Verständnis von Medizin. Indem man sich nur auf Handwerkliches („das Modell der trivialen Maschine“) konzentriere, verbaue man sich den Weg auf weitergehende Sichtweisen. Ein modernes Berufsverständnis verlange aber, sich die Komplexität des Heilberufes Zahnarzt zu eigen zu machen. Professionalisierung erfolge dadurch, dass Wissenschaft und Praxis als gleichberechtigte Partner ihren Erfahrungsaustausch pflegten. Der zahnärztliche Eingriff müsse in seiner wirklichen Kompliziertheit beschrieben werden. Dadurch erhielten Praxis wie Wissenschaft eine zukunftsträchtige und emotionsfreie Basis. Das Erfahrungswissen der praktisch tätigen Zahnärzte gelte dabei als gleichberechtigte Bezugsgröße.

Von innen heraus

Aus Sicht der Standespolitik umriss der Präsident der BZÄK, Dr. Dr. Jürgen Weitkamp, die sich ändernden Herausforderungen für die Ausübung der Zahnheilkunde. Dazu zählten beispielsweise die wachsende Feminisierung des Berufsstandes, veränderte Formen der Niederlassung, das weitreichende Firmament an Fort- und Weiterbildungen, die Weiterentwicklung der präventionsorientierten Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde sowie Evidenzbasierung und Qualitätsförderung. Ganz wichtig sei, so der Präsident, dass all diese Entwicklungen von innen, aus dem Berufsstand heraus, erfolgten. „Die wirklichen Einflüsse und Tendenzen liegen in uns selbst. Politikunabhängig blicken wir in eine Zukunft des Berufsstandes, die keine schlechte ist. Jeder einzelne Zahnarzt kann dazu beitragen, dass sich die Profession weiterentwickelt.“ Der Berufsstand dürfe aber nicht aufgesplittet werden. Keine leichte Aufgabe hatte der Vorsitzende der KZBV, Dr. Jürgen Fedderwitz, bei der Beantwortung der Frage „Wie begründe ich den Wert der zahnärztlichen Leistung?“. Die Antwort sei vielschichtig. Der Wert der zahnärztlichen Leistung ermittele sich zum einen aus der betriebswirtschaftlichen Kostenkalkulation mit Preisberechnung aufgrund von Aufwand, Nachhaltigkeit und erzielter Lebensqualität bei einer Behandlung. Zum anderen beruhe der Wert auch auf der Qualifikation und dem Engagement des einzelnen Zahnarztes. Faktoren wie Qualität der Behandlung und Patientenzufriedenheit seien hier zu berücksichtigen. „Eine Leistung bewertet sich aber auch nach der gesellschaftlichen Leistungskraft des Berufsstandes“, ergänzte Fedderwitz. „Dabei spielen Gesichtspunkte wie die Verbesserung der Mundgesundheit, die volkswirtschaftliche Bedeutung der Praxen oder der gesellschaftliche Wertewandel (dental awareness) eine Rolle.“

Um den Blick über den Tellerrand abzurunden, waren zwei Geisteswissenschaftler geladen, aus ihrer Sicht die Rolle der Professionen in der Gesellschaft zu beleuchten. Prof. Dr. Theo Wehner, Zürich, stellte heraus, wie wichtig die Pflege der eigenen Wissensbestände für eine Profession ist. Der Verweis auf Erfahrung allein reiche aber nicht aus, um Wissen zu begründen, sie müsse erst in Wissen transferiert werden. Innovation entstehe dadurch, dass man sich neu zu dem hinwende, was man bereits habe.

„Expertentum muss sich reflexiv modernisieren“, lautete die Forderung von Prof. Dr. Harald Mieg, Berlin. Er gab einen Überblick über die Merkmale (Autonomie) und Entwicklungspotentiale einer Profession. Diese müsse sich drei künftigen Herausforderungen stellen: der Akademisierung (inklusive wissenschaftlicher Ausweis), der europäischen Harmonisierung und der zunehmenden „Demokratisierung“ der Leistungsbewertung.

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