Hoffnungsschimmer und das Finden neuer Ziele
Vor 550 Zahnärzten aus Sachsen-Anhalt hat Kammerpräsident Dr. Frank Dreihaupt in seiner Eröffnungsrede die Kritik der Zahnärzte an den Gesundheits-Reformplänen der Bundesregierung bekräftigt. Die bislang bekannt geworden Arbeitspapiere wiesen auf eine Verstaatlichung des Gesundheitswesens hin und seien die logische Fortführung der früheren Aussage von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, es müsse Schluss sein mit der Ideologie der Freiberuflichkeit. Insgesamt sei wieder eingetreten, was in der Vergangenheit schon zum Scheitern der Reformen geführt habe: Sie würden durchgepeitscht, ohne ernsthaft mit den Betroffenen darüber beraten zu haben. Dass Bundeskanzlerin Merkel nun die Notbremse gezogen und den Reformstart verschoben hat, wertete er als einen kleinen Hoffnungsschimmer.
Mit 850 Teilnehmern, darunter 300 Praxismitarbeiterinnen, konnte in Wernigerode ein neuer Rekord verzeichnet werden. Im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Programms unter Leitung von Prof. Dr. Dr. Johannes Schubert, Halle/Saale, stand die zahnärztliche Implantologie. Erfolgreich bewältigte er den Spagat, für Anfänger und für Zahnärzte, die nicht implantieren, wie auch für erfahrene Implantologen etwas zu bieten. 15 Referenten aus allen Teilen der Bundesrepublik vermittelten in Vorträgen und praktischen Kursen sowohl neueste wissenschaftliche Erkenntnisse als auch hilfreiche praktische Erfahrungen. Der thematische Bogen war dabei weit gespannt: Prof. Dr. Dr. Karl Donath, Rödinghausen, sprach zum Beispiel über die Bedingungen und Voraussetzungen der Osseointegration der Implantate als Fremdmaterialien, die in ein biologisches System eingefügt werden (wesentlichen Einfluss auf den notwendigen Knochenkontakt des eingebrachten Implantats habe die Rauigkeit der Oberfläche mit einer zusätzlichen chemischen Komponente). Dr. Michael Gahlert, München, gab einen Ausblick auf der Basis von tierexperimentellen Studien: Dass nämlich als Implantatmaterial künftig auch Zirkondioxyd Erfolg versprechend eingesetzt werden kann.
Aus einem reichen Fundus von Erfahrungen schöpfend, legte Prof. Dr. Gisbert Krekeler, Freiburg, dem Auditorium ans Herz, dass die solide Wiederherstellung der Kaufunktion das Hauptziel der Implantattherapie sein müsse. Hinsichtlich der Ästhetik bestünden sicherlich hohe Erwartungen – höhere bei den Zahnärzten allerdings als bei den Patienten, wie Studien zeigten. Maßstab müssten hier die Patientenwünsche sein: „Die Rehabilitation ist kuss- und kaufest – was wollen wir mehr, wenn der Patient glücklich ist?“
Zum Abschluss der Tagung erörterte Prof. Dr. Jürgen Setz, Halle/Saale, mit dem Auditorium die Parameter, die die Entscheidung zwischen festsitzendem und kombiniert festsitzend-abnehmbarem Zahnersatz beeinflussen. Dabei spiele für den Patienten neben dem Preis vor allem das Gefühl der Bewegungsfreiheit des Zahnersatzes auf Implantaten eine entscheidende Rolle.
In philosophische Gedankenwelten führte Prof. Dr. Constanze Peres, Dresden, als Festrednerin die Tagungsteilnehmer. „Erst das Fressen, dann die Kultur?“, modifizierte sie das bekannte Brecht-Zitat, um dann überzeugend darzulegen, dass Kultur und Menschsein nicht voneinander zu trennen sind. Kultur im weitesten Sinne sei alles Menschliche; Kultur im engeren Sinne sei Selbstzweck, und sie sei notwendig, gerade weil sie Selbstzweck sei. Die Natur nehme immer den direkten Weg, die Kultur hingegen stets den Umweg – und gerade der eröffne neue Möglichkeiten, ungeahnte Sichtweisen, das Finden neuer Ziele.
Sabine FiedlerGroße Diesdorfer Str. 16239110 Magdeburg