Chancen wahren
Für den größten Teil der arbeitenden Bevölkerung war die Steuererklärung schon immer ein Buch mit sieben Siegeln. Doch nun kommen dank der Änderungen und neuer Vordrucke sogar Fachleute ins Schleudern. In diesem Jahr trifft es die Anleger besonders hart. So war die vorgeschriebene Jahresbescheinigung der Banken eigentlich als Hilfe für die Berechnung der Steuern aus Kapitalerträgen gedacht. Sie offenbart Gewinne und Verluste aus den privaten Wertgeschäften. Sie ungeprüft an das Finanzamt weiterzureichen, wäre allerdings ein schlechter Rat. Denn in manchen Fällen sehen sich die Banken nicht dazu in der Lage, klare Informationen zu geben; statt für einen größeren Durchblick sorgen sie oft für mehr Verwirrung.
Neue Vorschriften und geänderte Gesetze lassen die Umfänge der Formulare erneut wachsen. So umfasst die Anlage N für Arbeitnehmer jetzt drei statt zwei Seiten. Freiberufler dürfen zusätzlich eine Anlage EÜR – also eine Einnahmen- /Überschussrechnung – anfertigen. Mit von der Partie sind jetzt auch die Rentner. Auch sie bekommen ein eigenes Formular – die Anlage R. Statt wie bisher ihre Einkünfte zusammengefasst darzulegen, dürfen sie nun alle Einnahmen nach Zahlungen und Personen aufschlüsseln.
Nervtötend aber lohnend
So mühsam und nervtötend sich das Ausfüllen einer Steuererklärung auch gestaltet, in den meisten Fällen lohnt sich die Arbeit. Im Durchschnitt darf sich jeder Arbeitnehmer über 900 Euro Rückerstattung freuen. Vorausgesetzt, er geht bei der Auflistung von Einnahmen und Ausgaben akribisch vor.
Besonders im Bereich der Kapitalerträge gilt es viele Besonderheiten zu beachten:
•Aktien
Wie früher gilt für die Besteuerung von Gewinnen aus Aktienverkäufen die Spekulationsfrist von einem Jahr. Gewinne aus einem späteren Verkauf bleiben steuerfrei. Verkauft der Anteilseigner seine Wertpapiere innerhalb dieser Zeit und erzielt er über 512 Euro Gewinn, muss er ihn nach dem Halbeinkünfteverfahren versteuern: Danach unterliegen Spekulationsgewinne nur zur Hälfte der Abgabenpflicht, entsprechend werden auch Verluste und Werbungskosten nur zur Hälfte anerkannt. Gleiches gilt für die Dividenden. Die Bank behält gleich 20 Prozent der Hälfte der Dividenden ein und führt den Betrag als Vorabzahlung an das Finanzamt ab. Der Anleger muss dennoch in seiner Steuererklärung den gesamten Betrag angeben. Die bereits gezahlten Steuern werden dann berücksichtigt.
Gar keine Steuern zahlt der Anleger, wenn seine Erträge aus Dividenden und Zinsen den Freibetrag von 1 370 Euro plus einer Werbungskostenpauschale in Höhe von 51 Euro (Ehepaare 2 740 plus 102 Euro) nicht überschreiten. Steuern sparen lassen sich ebenfalls mit Verlusten aus anderen Spekulationsgeschäften – sie darf der Aktionär mit Gewinnen verrechnen. Bleiben dann noch rote Zahlen übrig, erlaubt der Fiskus die Verrechnung mit Gewinnen des vergangenen Jahres oder den Vortrag auf zukünftige Gewinne.
•Anleihen, Sparbriefe, Bundesschatzbriefe, Sparbuch
Alle regelmäßigen Zinszahlungen unterliegen dem persönlichen Steuersatz des Sparers. Ihm steht ein Freibetrag in Höhe von 1 421 Euro (Verheiratete: 2 842 Euro) zu. Bis zu dieser Summe bleiben die Zinsen abgabenfrei. Bei Fälligkeit der Zinsen kassiert die Bank gleich 30 Prozent und führt sie ans Finanzamt ab. Bei Tafelpapieren sind es sogar 35 Prozent. Wie bei Dividenden muss der Steuerzahler trotzdem die gesamten Erträge in seiner Steuererklärung aufführen. Der Fiskus verrechnet dann die bereits gezahlten Steuern. Bei Papieren wie Zerobonds oder Bundesschatzbriefen vom Typ B, bei denen die Zinsen im Kurs enthalten sind und somit erst am Ende der Laufzeit fällig werden, führt die Bank ebenfalls 30 Prozent an das Finanzamt ab.
•Fonds
Grundsätzlich fallen für alle Erträge aus Investmentfonds Steuern zum persönlichen Satz an. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Zinsen, Dividenden oder Mieten ausgeschüttet oder thesauriert (wieder angelegt) werden. Für Dividenden gilt das Halbeinkünfteverfahren. Sie sind also nur zur Hälfte steuerpflichtig. Verkauft der Anleger Fondsanteile im ersten Jahr nach dem Kauf, unterliegen die Gewinne daraus dem vollen persönlichen Steuersatz. Die Fondsgesellschaft beziehungsweise die Bank fertigen für jeden Kunden Steuer- und Erträgnisaufstellungen an. Die Daten daraus kann man in die Steuererklärung übernehmen. Besonders gut aufpassen muss der Anleger, wenn er Fondsanteile vor dem Ausschüttungsbeziehungsweise Thesaurierungstermin verkauft. Die bis zu diesem Zeitpunkt erworbenen Gewinnanteile sind im Kurs enthalten und unterliegen der Steuerpflicht. In 2004 spielten sie keine Rolle. Jetzt aber zahlen der Verkäufer mehr und der Käufer weniger Steuern für diese Anteile.
Auf die Jahresbescheinigung seiner Bank beziehungsweise der Fondsgesellschaft kann sich der Anleger dabei nicht unbedingt verlassen. Darin taucht nur ein Saldo auf. Gegen eine Gebühr rücken die Institute meist eine detailliertere Aufschlüsselung heraus. Die Ausgabe lohnt sich vor allem für Anteilseigner, die im vergangenen Jahr größere Summen investiert haben.
Wer dennoch Probleme mit dem Ausfüllen des Formulars hat, dem bietet der Bundesverband Investment und Asset Management (www.bvi.de) übers Internet Hilfe an.
Gewinne, die die Fondsgesellschaft aus dem Verkauf von Aktien erzielt, bleiben steuerfrei. Von den Dividenden zieht der Fonds 20 Prozent ab, die er ans Finanzamt weiterreicht. Hat der Kunde einen Freistellungsauftrag bis zu einer Höchstgrenze von 1 421 Euro (Verheiratete: 2 842 Euro) eingereicht, gilt der 20-Prozent-Abzug nur für Beträge, die über die Grenze hinausgehen.
Dieselbe Methode gilt für Rentenfonds und offene Immobilienfonds, die in inländische Gebäude investieren. Nur behält der Fonds von den gezahlten Zinsen beziehungsweise Mieten 30 Prozent ein, die später in der Steuererklärung des Kunden berücksichtigt werden. Erzielt der Fonds aus dem Verkauf inländischer Immobilien Gewinne, bleiben diese steuerfrei, wenn zwischen Kauf und Verkauf mindestens zehn Jahre liegen. Für ausländische Immobilien gilt diese Spekulationsfrist nicht.
Hat der Kunde vergessen, einen ausreichend hohen Freistellungsauftrag einzureichen, kann er sich über die Steuererklärung die abgezogenen Zinsabschläge zurückholen – vorausgesetzt, der Freibetrag ist noch nicht ausgeschöpft.
•Zertifikate
Zertifikate gehören inzwischen zu den beliebtesten Anlageformen überhaupt. Sie erlauben dem Sparer sich in Bereichen zu engagieren, in die er sich wegen der damit verbundenen Risiken normalerweise nicht vortraut. Mit den Zertifikaten kann er sich an Werten wie Aktien, Indizes oder Rohstoffen beteiligen ohne sich direkt zu beteiligen. Der Fiskus setzt die Höhe der Steuer danach fest, wie der Emittent des Papiers dem Anleger dessen eingesetztes Kapital garantiert. Steht der Herausgeber des Zertifikats für das Anleger-Kapital ganz oder teilweise gerade, muss der Sparer den Gewinn unabhängig von der Laufzeit oder der Haltedauer des Papiers voll versteuern. Die Erträge aus den übrigen Zertifikaten sind nach Ablauf der Spekulationsfrist steuerfrei.
Das gilt beispielsweise auch für Discountzertifikate. Der Käufer kauft damit bestimmte Aktien zum Vorzugspreis, kassiert aber den Kursgewinn dafür nicht komplett. Für das eingesetzte Kapital gibt es keine Garantie. Gewinne unterliegen der Spekulationsfrist. Das gilt ebenso für Bonus-, Express- und Roll-over- Zertifikate. Steuerfrei bleiben alle Beträge bis zur Grenze von 512 Euro (Verheiratete 1 024 Euro). Fällt der Gewinn höher aus, will der Fiskus von der gesamten Summe seinen Anteil.
•Innovationen
Alle Gewinne aus neuen Finanzinstrumenten sind in der Regel steuerpflichtig. Dazu gehören Aktien-, Disagio- und Umtauschanleihen oder neue Zertifikate. Wie hoch der zu versteuernde Betrag ist, geht aus der Jahresbescheinigung der Bank hervor. Darin ermittelt das Institut die Differenz aus Kaufbetrag und Verkaufserlös eines Papiers. Steuern lassen sich vielleicht sparen – falls der Anleger seine Innovation rechtzeitig zum Jahreswechsel verkauft hat. Die Bank führt in ihrer Abrechnung immer das Datum des Verkaufs auf, entscheidend für die Berechnung der Steuer ist aber das Datum der Gutschrift auf dem Konto des Anlegers. Für gewöhnlich klaffen die beiden Daten deutlich auseinander. Und so kann es durchaus sein, dass der Gewinn für das Ende 2005 verkaufte Zertifikat erst im Januar 2006 steuerpflichtig geworden ist.
•Vermögensverwaltung
Anleger, die das Fachwissen von Spezialisten für die Verwaltung ihres Vermögens nutzen, dürfen die Kosten dafür steuerlich geltend machen, so lange sich die Beratung nicht auf den Kauf eines speziellen Wertpapiers beschränkt. Auch an den Kosten für die Fahrt zu den Terminen beteiligt sich das Finanz
Wer sich selber schlau machen möchte und sich die entsprechende Literatur oder Computerprogramme kauft oder einen Börsendienst abonniert, darf die Kosten von der Steuer absetzen. Ins Geld gehen auch die Gebühren für die Kontoführung und die Depotverwaltung. Sie darf der Anleger geltend machen, wenn er sich Erträge aus seinen Anlagen erhofft. Steuerfreie Kursgewinne unterstützt der Fiskus nicht.
Anleger, die nur einen geringen Aufwand mit der Verwaltung ihres Vermögens betreiben, nutzen die Werbungskostenpauschale in Höhe von 51 Euro. Wer mehr angibt, muss Einzelnachweise vorlegen.
Lassen sich durch geschicktes Taktieren in der Geldanlage durchaus Steuern sparen, gilt es in den Bereichen des täglichen Lebens alle Chancen auf Steuerersparnis zu wahren.
So dürfen die Besitzer von Eigenheimen beziehungsweise Eigentumswohnungen zum letzten Mal die lukrative Eigenheimzulage geltend machen – sofern sie ihre Immobilie vor dem Jahreswechsel gekauft haben. Vermieter, die für Renovierungsarbeiten hohe Kosten zu tragen haben, sollten diese nicht auf einmal absetzen.
Denn inzwischen können die Ausgaben wieder über ein bis fünf Jahre verteilt werden. Für Anbauten oder der Ausbau eines Dachgeschosses hingegen bekommen Vermieter keine schnelle Steuervergünstigung. Für die Verteilung der Kosten setzt der Fiskus 50 Jahre an. Ein Tipp lohnt sich dennoch: Hat der Vermieter eine Handwerkerrechnung erst im Dezember bezahlt, darf er die Abschreibung für das ganze Jahr geltend machen.
•Kinder
Die Tatsache, dass Kinder Geld kosten, auch wenn diese bereits selbst welches verdienen, verblüfft so manche Eltern. Das kann jedenfalls passieren, wenn die erwachsenen Kinder beispielsweise in den Semesterferien arbeiten. Dann ist das Kindergeld gefährdet und bei Eltern mit Spitzeneinkommen der Kinderfreibetrag. Der Studentenjob wird zum teuren Vergnügen für die ganze Familie. Deshalb sollten die Sprösslinge maximal 7 680 Euro pro Jahr verdienen. Überschreitet der Verdienst diese Grenze, kann das die Streichung von Zulagen in Höhe von 3 500 Euro pro Kind und Jahr bedeuten. Doch es besteht Hoffnung auf Einsicht bei den Zuständigen.
Bisher durften die Steuerzahler von den Einkommen der Kinder die Werbungskosten und die Ausgaben fürs Studium abziehen. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt festgestellt, dass die Sozialversicherungsbeiträge ebenfalls abzugsfähig sind. Wer schon Streichungen beim Kindergeld und Freibeträgen hat hinnehmen müssen, kann neu rechnen. Bleibt er dann unter der Grenze von 7 680 Euro, kann er die Abzüge einfordern.
Bisher durften Eltern nur bei Ausgaben für eine private inländische Schule auf steuerliche Unterstützung für 30 Prozent der Kosten hoffen. Eltern, die ihren Kindern eine möglichst optimale Ausbildung gönnen, schicken den Nachwuchs aber gern für ein halbes oder ganzes Jahr ins Ausland. Jetzt besteht die Aussicht, dass Schulgeld, auch wenn es ins Ausland fließt, berücksichtigt wird: Das Finanzgericht Köln geht davon aus, dass vielleicht ein Verstoß gegen EU-Recht vorliegt.
Der Europäische Gerichtshof prüft jetzt das Anliegen (C- 76/05). Betroffene Eltern, die auf eine Erstattung hoffen, legen gegen ihren Steuerbescheid mit Hinweis auf dieses Verfahren Einspruch ein.
•Ruheständler
Nicht nur bei den Jungen auch bei den Alten holt sich der Fiskus einen immer größeren Anteil am Einkommen. Um die Abgaben so niedrig wie möglich zu halten, sollten Ruheständler alle Vorsorgeaufwendungen geltend machen. Dazu gehören selbstverständlich die Ausgaben für die Kranken- und Pflegeversicherung aber auch die Beiträge für die Haftpflicht- und die Unfallversicherung. Das neue Alterseinkünftegesetz setzt eine Höchstgrenze von 1 500 Euro pro Person fest. Noch gilt die Übergangsregelung, laut der Singles Beiträge bis zu 4 402 Euro (Verheiratete 8 804 Euro) geltend machen dürfen. Reicht diese Summe nicht, gibt es eine Zugabe von maximal 167 Euro für maximal 50 Prozent der zusätzlichen Beiträge.
Die aufgeführten Regeln und ihre Ausnahmen zeigen naturgemäß nur einen kleinen Ausschnitt aus der komplizierten Steuergesetzgebung und ihre Anwendung. Genervte Steuerzahler wenden sich deshalb an einen guten Steuerberater. Dafür hat sogar das Finanzamt (noch) Verständnis und beteiligt sich – leider zum letzten Mal – an den Kosten.