Schutz gegen Geldentwertung
Die Angst vor der Entwertung ihres Vermögens sitzt speziell den Deutschen fest im Nacken. Zu bekannt sind die Horrorgeschichten der Großeltern, wenn sie von der Hyperinflation nach dem Ersten Weltkrieg erzählen. Da kostete ein Brot im Januar 1923 noch 280 Mark, im Juli desselben Jahres 6 600 Mark und schließlich im September 69 000 Mark. Jeder warf nur so mit den Tausend-Mark Scheinen um sich – und bekam so gut wie nichts dafür.
Auch der Zweite Weltkrieg zog eine Inflation nach sich. Das über den Krieg gerettete Vermögen löste sich in Nichts auf. In den vergangenen Jahren hatten Sparer kaum etwas zu befürchten. Die Inflationsrate hielt sich in engen Grenzen zwischen einems und zwei Prozent. Kaum ein Anleger dachte darüber nach, wie viel sein längerfristig investiertes Geld am Ende der Anlagefrist noch wert sein wird. Derzeit scheint sich die Lage zu ändern. Die Inflationsrate liegt jetzt bei 2,4 Prozent. Die Europäische Zentralbank greift nun ein und erhöht die Zinsen für geliehenes Geld, um so die Inflation wieder unter die Zwei-Prozent- Grenze zu drücken. So kann es nicht zu Steigerungsraten von zehn Prozent kommen wie sie uns noch aus den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Erinnerung sind. Denn schon eine Inflation in dieser Größenordnung vermindert den Wert langfristiger Anlagen deutlich. Sie trifft Sparkonten und Bargeld genauso wie Anleihen. Sie wirkt sich im täglichen Leben beim Kauf von Brot und Milch genauso aus wie bei der Vorsorge fürs Alter.
Wen solche Ängste plagen, findet in der neuen Anleihe der Bundesfinanzagentur ein wirksames Rezept dagegen. Finanzminister Peer Steinbrück braucht dringend Geld, um den maroden Staatshaushalt zu sanieren. Mit dieser Anleihe will er zunächst 5,5 Milliarden Euro für zehn Jahre einsammeln. Zwei weitere Abschnitte sollen folgen. Dafür bietet er einen eingebauten Schutz gegen Geldentwertung. Und der funktioniert so: Wie bei einer traditionellen Anleihe überweist der Schuldner regelmäßige Zinszahlungen an den Anleger und am Ende der Laufzeit bekommt er sein eingesetztes Geld zurück. Der Unterschied liegt darin, dass Zins und Tilgung über einen Index an die Entwicklung der Inflationsrate gebunden sind. Die Finanzagentur entschied sich für den „unrevidierten harmonisierten Verbraucherpreisindex des Euro- Raums ohne Tabakprodukte“ – kurz HVPIxT genannt. Dieser wird auf den Zinssatz (Kupon) von 1,5 Prozent sowie auf den Nennwert während der Laufzeit aufgeschlagen.
Die Entwertung im Kalkül
Für den Sparer bedeutet das: Gibt er 1 000 Euro für eine herkömmliche Anleihe mit festem Zins aus, die zehn Jahre läuft und beträgt der Zinssatz eben 3,5 Prozent bei einer Inflationsrate von zwei Prozent, bleibt ihm eine reale Verzinsung von 1,5 Prozent. Bleibt die Inflationsrate auf dem derzeitigen Niveau, geht die Rechnung auf. Steigt aber die Rate der Geldentwertung auf 3,5 Prozent, gleicht der Kupon gerade mal die Inflation aus. Ganz schlecht sieht die Rechnung für den Anleger aus, wenn der Kaufkraftverlust vier Prozent und mehr beträgt. Dann verliert seine Anlage an Wert.
Bei einer inflationsindexierten Anleihe hingegen kann der Sparer sicher sein, dass ihm sein Geld erhalten bleibt. Steigen die Kosten für die Lebenshaltung um fünf Prozent, erhöht sich der Nennwert (und damit der Rückzahlungsbetrag) von beispielsweise 1 000 Euro auf 1 050 Euro. Auch der Kupon erhöht sich. Er ist zwar auf 1,5 Prozent festgelegt. Er bezieht sich aber auf den Nennwert der Anleihe und somit steigt die jährliche Zinszahlung entsprechend.
Deutschland ist der letzte wichtige Industriestaat, der solche Anleihen auflegt. In den USA haben sie Tradition. Auch in Japan und Großbritannien schätzt man die „Linker“ (Fachjargon). Aus Frankreich kommen die meisten Index-Anleihen auf den Euro- Markt. Allerdings sind die ausländischen Papiere hier kaum zu bekommen.
Als Patentrezept für eine Geldanlage frei nach dem Motto: einmal gekauft und dann hat man zehn Jahre lang Ruhe – versteht sich diese Anlageform nicht. Vor dem Kauf lohnt es sich die herrschenden Marktbedingungen und die Prognosen zu beachten. Ob sich der Einstieg in inflationsgeschützte Anleihen eher lohnt als in Festzinspapiere, hängt von der Entwicklung der Geldentwertung ab. Sinkt die Inflationsrate unter die für die nächsten Jahre prognostizierten zwei bis 2,2 Prozent, lohnt sich der Einstieg in die Innovation nicht und der Anleger ist mit den herkömmlichen Wertpapieren besser bedient. Für den Staat rechnet sich diese Entwicklung. Steigt aber die Inflation, wird er stärker zur Kasse gebeten. Deshalb – zum Trost für den Anleger – ist der Bund nach Kräften bemüht, die Inflationsrate so niedrig wie möglich zu halten.
Interesse an diesen Papieren haben vor allem institutionelle Anleger wie Pensionsfonds und Versicherungen. Sie legen Kundengelder langfristig an und gehen gern auf Nummer sicher. An die Engagements auf dem Aktienmarkt haben sie keine guten Erinnerungen.
Für private Anleger ist der Linker eine gute Sache, wenn sie ihn für die Altersvorsorge benutzen. Er bietet Sicherheit für den Werterhalt der Anlage und wirkt sich auch steuerlich günstig aus. Denn: als Finanzinnovation unterliegt die neue Anleihe der vollen Besteuerung. Der Fiskus kassiert seinen Anteil von den Zinsen und von der Rückzahlung. Fällt jedoch das Ende der Laufzeit in die Pensionszeit des Anlegers, fallen für ihn weniger Steuern an.
Als Alternative zur Bundesanleihe bieten sich Fonds an, die in inflationsgeschützte Anleihen investieren. Der Vorteil liegt darin, dass diese Fonds weltweit nach geeigneten Anlagen suchen. Das bedeutet eine Streuung des Risikos. Der Nachteil liegt darin, dass bei einer globalen Strategie der Bezug zur Inflation in den Euro- Ländern fehlt. Hinzu kommt, dass die meisten Anleihenfonds mit Inflationsschutz erst vor ein paar Jahren aufgelegt worden sind und daher nur über eine kurze Wertentwicklung (Performance) verfügen.
Der Sparer kann sich so nur schwer ein Bild von der Qualität dieser Fonds machen. Zu diesen Spezialfonds gehören der Schroders Inflation Linked Bond Fund, der Invesco Euro Inflation-Linked Bond Fund und der KBC Bonds Inflation-Linked Bonds Fund.
Sowohl einzelne Anleihen als auch die Anlage in einen Fonds eignen sich nur als Beimischung in einem Depot. Das Risiko, dass sich die Inflationsrate zuungunsten des Sparers entwickelt, ist dank der strengen Aufsicht der Währungshüter gering.