Das blaue Gold
Das Thema des 21. Jahrhunderts heißt Wasser. Der Stoff, ohne den es kein Leben gibt, ist knapp. Und was rar ist, wird teuer. Deshalb freut sich die Wasserbranche über die rosigen Zeiten, die auf sie zukommen. Für Anleger, die in die Zukunft investieren wollen, gibt es inzwischen genügend Angebote an Aktien, Zertifikaten und Fonds.
„Die Erde ist ein gebildeter Stern mit sehr viel Wasserspülung“, so beschrieb schon Erich Kästner das Verhältnis der Deutschen zum Wasser. Jeder von uns verbraucht 132 Liter des Lebenselexiers am Tag – etwa 13-mal so viel wie ein Bewohner Äthiopiens zur Verfügung hat. Während sich Nord- und Mitteleuropäer bislang kaum ernsthafte Gedanken über ihren Wasserverbrauch machen, bekamen im vergangenen Sommer die Spanier und Portugiesen zum wiederholten Mal den Mangel zu spüren. Ausgedörrte Böden, kleine Ernten und die Angst, dass es den Touristen an Bequemlichkeit beim Duschen fehlen könnte, lässt sie nun über Sparmaßnahmen im Umgang mit dem kostbaren Nass nachdenken.
Eine neue und schmerzhafte Erfahrung in Sachen Trockenheit machen derzeit die Engländer auf ihrer einst so feuchten Insel. Im Großraum London stöhnen 13 Millionen Menschen unter der Wasserknappheit. So dürfen ausgerechnet die berühmten englischen Gärten nicht mehr bewässert werden. Denn im letzten Jahr fiel extrem wenig Niederschlag und die Vorräte in den Reservoirs sind beinahe erschöpft. Auf die empfohlenen Sparmaßnahmen wie Duschen statt Baden setzen die Versorger noch eine Preiserhöhung von 500 Euro pro Jahr. Tatsächlich haben es die privaten Unternehmen versäumt, ausreichende Maßnahmen zu ergreifen, etwa die Renovierung der teilweise noch viktorianischen Leitungen. In ihnen versickern täglich zirka 3,6 Milliarden Liter Wasser – der Inhalt eines Stausees.
So viel Verschwendung erzürnt in entfernten Gegenden die Gemüter. Denn dort ist die Lage noch viel dramatischer. So beschreibt es Professor Klaus Töpfer, scheidender Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen: „Schon heute haben 1,2 Milliarden Erdenbürger keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und 2,9 Milliarden keine sanitären Einrichtungen. Jedes Jahr sterben mehr Menschen durch verseuchtes Wasser als an Aids oder den Folgen von Kriegen.“ Deshalb ruft er zum behutsameren Umgang mit Wasser auf, damit sich die Prognose des Vizepräsidenten der Weltbank, Ismail Serageldin, nicht bewahrheitet: „Die Kriege des 21. Jahrhunderts werden um Wasser geführt.“
Die Nachfrage steigt jährlich um 2,5 Prozent und damit schneller als die Weltbevölkerung. Die Vorräte an nutzbaren Vorkommen sind jedoch begrenzt. Zwar ist die Erde zu zwei Dritteln mit Wasser bedeckt, doch nur ein geringer Teil kann als Trinkwasser genutzt werden. Denn 97 Prozent sind salziges Meerwasser, gut zwei Prozent bedecken als ewiges Eis die beiden Polkappen und ein großer Teil der verbleibenden Menge ist verschmutzt.
Während der letzten 100 Jahre hat sich der Verbrauch von Süßwasser verneunfacht. Für die Herstellung eines Kilogramms Brot werden 1 000 Liter Wasser verbraucht und für die Aufzucht eines Rindes vier Millionen Liter. Ein Halbleiterproduzent benötigt sogar 400 000 Liter in der Stunde. Die Unesco schätzt, dass die Landwirtschaft mit einem Anteil von 70 Prozent weltweit das meiste Wasser verbraucht. Die Industrie bekommt 22 Prozent und acht Prozent verschwinden in den privaten Haushalten.
Da die Menge an Wasser auf der Erde endlich ist, sind Techniker, Umweltspezialisten, die Industrie und auch die Finanzexperten gefordert, Wasser für die Zukunft verfügbar zu halten.
Eine Studie der schweizerischen Vermögensverwaltung SAM (Sustainable Asset Management) beschäftigt sich mit den Möglichkeiten, das blaue Gold ökologisch sinnvoller zu nutzen und gleichzeitig Geld damit zu verdienen. Die eidgenössischen Experten legen das Geld ihrer Kunden in nachhaltigen Investitionen an.
Für den sinnvollen und gleichzeitig lukrativen Umgang mit Wasser teilen sie den Markt in vier Bereiche ein, in denen sich Investitionen lohnen:
■ Wasserverteilung
■ Wasserreinigung
■ Wasser effizient nutzen
■ Wasser und Ernährung
Die Verteilung von Wasser und seine Entsorgung liegen in Deutschland in den Händen der Kommunen, die meistens eigene Versorgungsbetriebe führen. Den meisten Gemeinden fehlt jedoch das nötige Geld, um Rohrleitungssysteme und Technik auf dem neuesten Stand zu halten.
Der Ruf nach mehr Effizienz und Kosteneinsparung führt deshalb zur Privatisierung und bringt zunehmend internationale Konzerne auf den Plan. Das Interesse ist groß, denn das Umsatzvolumen von verkauftem Wasser beläuft sich weltweit auf zirka 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Für den Transport des Wassers zum Verbraucher werden Leitungen benötigt, die meist von privaten Baufirmen gelegt werden. Auch hier beträgt das jährliche Investitionsvolumen zirka 100 Milliarden Dollar. Immer mehr Firmen spezialisieren sich auf alternative Verfahren zur herkömmlichen Methode, wobei das Erdreich aufgegraben wird. In vielen Fällen ist es unmöglich, eine Dauerbaustelle einzurichten. Stattdessen werden die Rohre mit ferngesteuerten Kameras durchleuchtet und auf Schadstellen hin untersucht. Marode Leitungen können dann beispielsweise per Schlauchrelining saniert werden. Dabei schieben die Firmen einfach ein Rohr aus widerstandsfähigem und flexiblem Material durch die alte Leitung.
Sanierungsbedarf gibt es weltweit in fast allen Städten. So das Beispiel New York: Hier bestehen die meisten Wasserrohre noch aus Holz. Die Folge: Das Wasser versickert in riesigen Mengen und ist zudem von schlechter Qualität.
Da die Kommunen nicht nur bei uns unter chronisch knappen Kassen leiden und die Vorschriften für die Wasserqualität ständig verschärft werden, dürften die Städte vor allem die Entsorgung immer mehr in private Hände geben.
Damit die vorhandenen Ressourcen ökonomisch sowie ökologisch sinnvoll genutzt und dabei gerecht verteilt werden, bedarf es neuer Techniken und Spezialisten. Beratungsfirmen, die sich dieses neue Arbeitsfeld zu eigen machen, benötigen Landinformations- und Satellitensysteme – neue Chancen für Hightech-Unternehmen.
Eines der dringendsten Probleme angesichts der knappen Reserven an Süßwasser ist die Reinigung von gebrauchtem Wasser. Auf diesem Markt werden jährlich etwa zehn Milliarden Dollar umgesetzt und pro Jahr steigt diese Summe um zehn bis 15 Prozent. Trotzdem werden derzeit nur fünf Prozent des Abwassers gereinigt. Ingenieure entwickeln ständig neue Techniken, deren Anwendung allerdings gleichzeitig neue Problemstoffe zutage fördern, die mit den herkömmlichen Kläranlagen nicht eliminiert werden können. Also besteht auch in diesem Bereich ein ständiger Nachholbedarf.
Das meiste Wasser wird desinfiziert, und zwar meistens mit Chlorgas, das immer stärker in Verruf gerät. Deshalb nutzen die Versorger zunehmend neue Techniken, wie die Bestrahlung des Wassers mit UV-Licht.
In den südlichen Ländern gewinnt die Entsalzung von Meerwasser stark an Bedeutung. Der hohe Energieverbrauch und die Produktionskosten, die rund fünfmal so hoch sind wie bei der normalen Wasseraufbereitung, halten Verbreitung und Anwendung dieser Methode derzeit noch in Grenzen. Allerdings zeigen sich die Experten optimistisch, was die Senkung der Kosten angeht.
Die schonende Nutzung der Wasserressourcen erreicht man am schnellsten mit Sparmaßnahmen. Wie wirkungsvoll sie sein können, zeigt das Beispiel Dusche: Im Durchschnitt strömen 20 Liter pro Minute aus der Leitung. In einem speziellen Brausekopf mischt sich Luft ins Wasser.
Er verbraucht so ohne Komforteinbuße nur noch die Hälfte Wasser. Pro Kopf und Jahr liegt das Sparpotential bei sechs Kubikmeter Wasser. Bei 450 Millionen Einwohnern ergibt sich europaweit eine Größenordnung von 2,7 Milliarden Kubikmetern Trinkwasser pro Jahr, die für andere Zwecke genutzt werden könnten.
Die steigenden Preise für Wasser dürften eigentlich für jeden Bürger Anreiz genug sein, seine Gewohnheiten und die Technik zu Hause zu überprüfen.
Von den hohen Kosten zum Umdenken fühlen sich etliche Industrieunternehmen bereits animiert. Manche von ihnen, die für die Produktion ihrer Waren viel Wasser brauchen, installieren eigene Wiederaufbereitungssysteme. In kleinerem Format wird diese Technik auch für den privaten Gebrauch interessant.
Regen und Schnee fallen regional in unterschiedlich großen Mengen. Stöhnen die Anwohner der Elbe in diesem Frühjahr zum wiederholten Mal über Hochwasser aufgrund von Regen und vor allem der Schneeschmelze, wissen die Engländer im Süden der Insel derzeit nicht, wie sie ihre Gärten bewässern sollen. Folgenreicher noch wirkt sich die Trockenheit in Südeuropa und vor allem in Afrika aus. Auf dem schwarzen Kontinent drohen Hungerkatastrophen, weil die Bauern ihre Felder nicht bewässern können.
Viele Landstriche weltweit sind von künstlicher Bewässerung abhängig. Derzeit werden weltweit 18 Prozent der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche berieselt, um darauf 40 Prozent aller Nahrungsmittel zu produzieren. Und der Anteil wird steigen. Dabei befindet sich die wenig effiziente Grabenbewässerung auf dem Rückzug und neuere Techniken, wie die sparsame Mikrobewässerung und Sprinkleranlagen, auf dem Vormarsch. Innovative Startup-Unternehmen entwickeln Methoden, die Erdfeuchte zu messen und so die Bewässerung zu regulieren.
Zu 100 Prozent abhängig von ausreichenden Wasserressourcen ist die Nahrungsmittelindustrie, die jährlich bis zu 3 000 Milliarden Dollar umsetzt. Einen besonders großen Teil des kostbaren Nass verschlingt die Getreideproduktion. Nur wenn es gelingt, Korn mit einem minimalen Aufwand an Feuchtigkeit wachsen zu lassen, können auch die Hungergefahren in den ärmeren Ländern gebannt werden. Der Einsatz von Pestiziden und die Überdüngung der Felder verseuchen das Grundwasser. Schonung bringt nur ein Umdenken der Bauern, die auf ökologische Produktion umstellen. Gleichzeitig muss ein Sinneswandel bei den Verbrauchern stattfinden, damit die Landwirte für ihre hochwertigen Produkte genügend Abnehmer finden, die bereit sind, höhere Preise zu zahlen. In den westlichen Ländern steigt der Bedarf an naturbelassenen Produkten derzeit um 20 Prozent pro Jahr.
In den Regalen der Supermärkte und Tankstellen nehmen die Flaschen und Kanister mit Trinkwasser einen immer größeren Raum ein. Die Wachstumsraten liegen zwischen fünf und 25 Prozent, in Indien sogar bei 80 Prozent. Können wir für die Asiaten aufgrund der dortigen schlechten Wasserqualität noch Verständnis aufbringen, dürfen sich Experten hier zu Lande wundern, dass die Verbraucher über gutes bis sehr gutes Leitungswasser verfügen und dennoch bereit sind, für abgefülltes Nass hundert- bis tausendmal mehr zu bezahlen. Kein Wunder, dass große Nahrungsmittelkonzerne hier ein lukratives Geschäft wittern. So besetzt Nestle mit den Luxusmarken Vittel, San Pellegrino und Perrier einen Marktanteil von 25 Prozent. Die Konkurrenten Danone (Evian, Volvic, Badoit) und Coca-Cola halten dagegen. 35 Prozent aller Menschen bevorzugen Flaschenwasser, obwohl dieses oftmals von schlechterer Qualität als Leitungswasser ist, wie Studien belegen. Viele von ihnen sind bereit, für bestimmte Labels, aber auch für Geschmack und Mineralstoffe, hohe Preise zu bezahlen.
Die Möglichkeiten, mit und ums Wasser herum Geld zu verdienen, sind vielfältig. Anleger, die ihr Geld direkt oder indirekt in diesen kostbaren Rohstoff investieren wollen, haben die Qual der Wahl. Interessant sind Aktien von Versorgern, Unternehmen der Wassertechnik und Mineralwasserhersteller.
Zu den interessantesten Versorger-Aktien gehört die französische Veolia. Das Unternehmen, das ehemals zur Vivendi Universal Gruppe gehörte, erzielt zwei Drittel seiner Erlöse mit Wasser bei 110 Millionen Kunden weltweit. Die stärksten Wachstumsimpulse erfährt das Unternehmen derzeit in Asien. So freut man sich bei Veolia gerade über einen Auftrag aus China mit einem Volumen von 8,5 Milliarden Euro. Die Aufgabe ist das Wassermanagement der Stadt Shenzen.
Eher auf Europa konzentriert ist der Branchenzweite Suez. In Spanien und Lateinamerika kümmert sich Aguas de Barcelona ums Wasser. Vor allem der südamerikanische Nachholbedarf an reinem Trinkwasser sorgt für Wachstum.
Im eher spekulativen Bereich der Wassertechnologie gilt die österreichische Aktie BWT (Best Water Technology) als Langzeitanlage. Der in Europa führende Spezialist bietet eine Produktpalette, die unter anderem Filteranlagen auch für Privathaushalte, Desinfektionstechniken bis hin zu Membrananlagen beinhaltet. Wasser mit UV-Licht und Ozon reinigt die deutsche Wedeco, die inzwischen zur amerikanischen Firma ITT Technologies gehört. Der in Singapur ansässige Konzern Hyflux verdient sein Geld hauptsächlich mit Meerwasserentsalzung mit Membrantechnik.
Anleger, denen das Risiko bei Einzelaktien zu hoch erscheint, können in Zertifikate oder Fonds investieren. So bietet die niederländische ABN Amro-Bank ein Wasser-Open-End-Zertifikat. Die Grundlage bildet der Wasserindex, den die Bank zusammen mit Standard&Poor’s entwickelt hat. Darin aufgenommen sind Unternehmen, die Aktien im Wert von mindestens 500 Millionen Dollar ausgegeben haben und die ihre Erträge zum großen Teil mit Wasser erzielen.
Eine Alternative bietet das Active-Zertifikat der WestLB. Die Bank überprüft halbjährlich die Zusammensetzung des darin enthaltenen Aktienkorbes. Allerdings sieht der Anleger von den Dividenden, die die darin enthaltenen Werte wie Suez oder RWE zahlen, nichts. Er profitiert nur von der Wertsteigerung des Zertifikats.
Bei den Fonds gibt es derzeit drei Angebote: Der schweizerische Pictet Water Fund investiert vorwiegend in die Blue Chips der Branche, wie Veolia, RWE oder Suez. Der Fonds existiert seit 2000 und hat im vergangenen Jahr um etwa 37 Prozent zugelegt. Das Fondsvermögen beträgt mehr als eine Milliarde Euro.
Konkurrent SAM Sustainable Water Fund B legt das Fondsvermögen zu 20 bis 25 Prozent in Versorgerwerte und den Rest in kleinere Technologiezulieferer der Wasserindustrie an. Der Fonds legte im vergangenen Jahr um rund 27 Prozent zu. Sein Vermögen liegt bei etwa 230 Millionen Euro.
Erst Ende Februar 2006 besann sich die größte deutsche Fondsgesellschaft DWS und legte den Fonds DWS Zukunftsressourcen auf. 40 Prozent der darin enthaltenen Aktien gehören zu Unternehmen, die mit Wasser ihr Geld verdienen.