Ein schöner Mund – ein schönes Gesicht
Prolog zur Definition eines „schönen“ Gesichtes
Noch nie haben Menschen die Tatsache akzeptiert, dass sie sich eine begrenzte Zeit auf diesem Planeten aufhalten und dass sie Alterungsprozessen unterworfen sind. Augenscheinlich wird diese Alterung im Gesicht.
Die Beurteilung, ob ein Gesicht schön ist, hängt vor allem von gesellschaftlichen Idealen und auch vom Alter des Wahrnehmenden ab. Der Wunsch nach einem schönen Gesicht ist dagegen altersüberschreitend und nimmt im Laufe des Lebens zu [Todd et al., 2005]. Bei der Beurteilung der Schönheit des Gesichtes haben Mund und Augen einen besonderen Stellenwert, ein schönes Gesicht ohne einen schönen Mund ist nicht vorstellbar.
Ältere Betrachtungen beschreiben die Symmetrie und eine harmonische Relation der Gesichtsproportionen als schön. Gerade Linien sollen parallel durch Augenbrauen, Pupillen, Nasenflügel sowie die Mundspalte verlaufen. Abweichungen des Mundes in Ruhe, eine Schrägstellung in Ruhe und in Bewegung, eine schräggestellte Okklusionsebene und Asymmetrien von Zahnstellung und -inklination werden als weniger schön gewertet.
Auch nach Grammer wird ein schönes Gesicht hauptsächlich durch diese Symmetrie und durch eine Durchschnittlichkeit gekennzeichnet. Größte Bedeutung bei der Beurteilung von Schönheit kommt einer hohen Expressivität, also einer starken Ausdruckskraft zu [Grammer, 2002].
Rechte und linke Gesichtshälfte sind nicht symmetrisch. Legt man eine imaginäre Medianlinie von der Glabella über Nasenrücken und Filtrum zur Kinnmitte, kann durch Spiegelung jeweils einer Gesichtshälfte eine neue Symmetrie erzeugt werden, die zu einer unterschiedlichen Beurteilung der Attraktivität für jede Spiegelung führt.
Untersuchungen der Universität Regensburg zeigen, dass sich die Attraktivität von Frauengesichtern in Abbildungen steigern lässt, wenn virtuell kindliche Merkmale (große runde Augen, kleine, kurze Ausprägung von Nase und Kinn) computergestützt beigemischt werden. Bei Bildern von Männern erhöht ein markantes Unterkiefer- / Kinnprofil die Attraktivität. Ein Durchschnittsgesicht, das am Computer aus mehreren Gesichtern zusammengestellt ist, wird oft als attraktiver als die einzelnen Originale bewertet [Langlois, 1990].
Im Grunde beruhen die oft eindrucksvollen Erfolge von Dysgnathieoperationen häufig auf einer Korrektur skelettaler Extreme, beziehungsweise auf dem Rückführen der Gesichtsproportionen zu einer allgemein als attraktiver angesehenen Durchschnittsrelation (Abbildungen 1 a-d).
Für die Beurteilung der Schönheit eines Gesichtes von vorne wie im Profil ist die Position des Mundes beziehungsweise der Lippen von großer Bedeutung. Volle Lippen werden in der Regel als schön bewertet. Die Projektion von Ober- und Unterlippe wird dabei durch die Zahnreihe und den Alveolarfortsatz beziehungsweise den Knochen geprägt.
Bei ruhiger Lippenhaltung soll das inzisale Drittel der Oberkieferzähne hervortreten. Diese Lachlinie kann typahängig in unterschiedlicher Höhe verlaufen und dennoch als schön angesehen werden. Als weniger schön wird angesehen, wenn die Zähne beim Lachen nicht zu sehen sind oder ein relativ hoher Schleimhautanteil (Gummy smile) sichtbar wird [Schwarz, 1958; Strub et al., 1999; Strub et al. 2001].
Heute mehr als aktuell – Schönheits-Operationen
Obwohl erste Methoden zur Korrektur erschlaffter Oberlider in ihren Anfängen auf arabische Chirurgen im zehnten Jahrhundert zurückgehen, begann die eigentliche Reifung der ästhetischen Chirurgie mit den allgemeinen Fortschritten der Chirurgie und der Anästhesie.
Erste Operationen waren darauf ausgerichtet, Falten unsichtbar zu machen und überschüssiges Gewebe zu entfernen. Vereinfacht ausgedrückt waren viele ästhetische Korrekturen seit jeher ein Kampf gegen die Schwerkraft und die nachlassende Elastizität der Weichgewebe.
Erst später und auch insbesondere durch die Fortschritte der Knochenchirurgie war es möglich, nicht nur Alterserscheinungen chirurgisch zu korrigieren, sondern auch bei jüngeren Patienten Veränderungen vorzunehmen, die zu einer Verschönerung des Gesichtes und des Mundes durch Verlagerungen des Ober- und / oder Unterkiefers beitrugen.
Die ersten geschriebenen Veröffentlichungen über ästhetische Eingriffe wurden Anfang des 20. Jahrhunderts verfasst, nachdem Von Graefe den Begriff der Blepharoplastik, die im Detail von Dupuytren 1839 beschrieben wurde, prägte und Dieffenbach 1845 die erste Nasenkorrektur durchführte. 1907 erschien von Miller eine ausführliche Anleitung zur Korrektur von Falten und zur Lidkorrektur.
Die ersten Gesichtshautstraffungen bestanden in elliptischen Hautexzisionen an Stirn und Hals, auf ein Unterminieren und Verschieben der Haut im heutigen Sinne wurde dabei verzichtet. Es war eher die Regel als die Ausnahme, dass diese Eingriffe häufig wiederholt werden mussten. Eine der ersten systematischen Beschreibungen des Faceliftes geht auf Lexer 1906 zurück, dabei wurde diese Operation erst 1931 veröffentlicht. Wesentlich jünger sind Verfahren des Einbringens von unterschiedlichen Materialien zur Faltenunterspritzung und zum „chemical peeling“ meist der Mundregion [Bames, 1927; Rogers, 1971; Baker und Gordon, 1984].
In der Zahnmedizin erhielt die ästhetisch ausgerichtete Sichtweise einen besonderen Schub durch die Entwicklung der Implantologie. Nachdem materialkundliche Aspekte, Grundlagen der Einheilung und statisch-prothetische Gesichtspunkte als weitgehend geklärt gelten konnten, wurde ästhetischen Aspekten implantatgetragener Versorgungen in zunehmenden Maße zu viel Aufmerksamkeit geschenkt. Durch die Wahl der Implantatpositionen, aber auch zum Beispiel durch Knochenaugmentate, kann das Lippenvolumen über die Möglichkeiten der konventionellen Prothetik hinaus verändert werden. Dabei kann zum Beispiel eine zurückliegende eingefallen wirkende Oberlippe, die dem Patienten ein älteres Aussehen gibt, kompensiert oder die sagittale Position der Lippen durch Knochentransplantate und geeignete Implantatposition verändert werden (Abbildungen 2 a-d).
Mehr ist nicht immer besser
Nachdem früher die Ästhetik der Zähne dem umgebenden Weichgewebe und insbesondere der Lippenform und -höhe angepasst wurde, stehen heute auch chirurgische Maßnahmen, zum Beispiel der subnasale Lippenlift, zur Verfügung, um das Lippenvolumen und die Weichgewebearchitektur korrigieren zu können. Mit diesen Maßnahmen kann auch eine ästhetische Frontzahnversorgung besser zur Geltung gebracht werden [Perenack, 2005].
Bei einer zunehmend ganzheitlicheren ästhetischen Betrachtungsweise von Mundhöhle, Mund und Gesicht wünschen viele Patienten im Rahmen implantologischer oder augmentativer Eingriffe auch eine Korrektur der Mundumgebung, die heute mit relativ umschriebenen Mitteln, wie durch periorale Faltenunterspritzungen oder Laseranwendungen, ermöglicht werden können [Todd et al., 2005; Trelles et al., 2005; Dijkema und van der Lei, 2005] (Abbildungen 3 a-c).
Neben den additiven Maßnahmen, wie Kollagen-, Hyaluronsäure oder Poly-L-Laktidunterspritzungen zum Ausgleich von Höhenunterschieden, kann Botulinumtoxin Typ A (Botox®) insbesondere die tiefen dynamischen Gesichtsfalten der oberen Gesichtshälfte, wie Stirnfalten, Glabellarfalten, Querfalten im Bereich der Nasenwurzel und radiäre Falten im lateralen Lidwinkel, korrigieren [Carruthers A, Carruthers J, 1997; Carruthers A, Carruthers J, 1998] (Abbildungen 4 a-c).
Knochenarbeit Änderungen der Mundregion durch skelettale Korrektureingriffe
Durch dentale ästhetische beziehungsweise umschriebene chirurgische und implantologische Maßnahmen lässt sich die Schönheit der Mundregion und der ästhetische Gesamteindruck der Perioralregion nur in einem bestimmten Umfang beeinflussen.
Liegt eine skelettale Ursache für ein ungünstiges Weichgewebeprofil vor, kann allein durch Korrekturen der Zahnstellung, des Alveolarfortsatzes oder der Weichgewebe kein schöner Gesamteindruck der Mundregion erreicht werden. Hier können nur chirurgische Eingriffe an Ober- und Unterkiefer ein harmonisches Weichgewebeprofil erreichen. Dabei muss bedacht werden, dass die Weichgewebe dem Knochen nicht in einer 1:1-Relation folgen, sondern vom Umfang und der Richtung der Knochenverlagerung abhängig verlagert werden. Es muss bei der Planung berücksichtigt werden, dass eine Oberkiefervorverlagerung bei kurzer Oberlippe die Flächen der Schneidezähne stärker exponieren kann oder zum Beispiel die Schneidezähne bei einer Kranialverlagerung des Oberkiefers in Ruhe oder beim Lachen zu wenig sichtbar sein können. Patienten mit Dysgnathien weichen von einem funktionellen und ästhetischen Ideal skelettal beziehungsweise skelettal / dental ab. Die Implantation alloplastischer Materialien allein kann oft allenfalls eine Verbesserung des ästhetischen Eindrucks bewirken, aber unter Umständen durch das Belassen der zugrunde liegenden skelettalen Störung gegebenenfalls einen ungünstigeren ästhetischen Gesamteindruck verstärken und funktionelle Probleme belassen.
Dysgnathieoperationen werden heute nicht selten mit anderen ästhetischen Korrektureingriffen wie Kinnplastiken, Fettabsaugungen, Nasenplastiken oder einem Facelift kombiniert. Die erstmals 1942 von Hofer über einen extraoralen Zugang durchgeführte Kinnplastik ist heute als eine nach exakter Weichteil- und knöcherner kephalometrischer Planung vorbereitete Genioplastik als ausschließlich intraorales Verfahren etabliert. Eine Kinnplastik kann zum Zeitpunkt der kieferorthopädischen Umstellungsosteotomien, häufiger jedoch bei der Metallentfernung sekundär erfolgen. Sie kann unterstützend bei der Gesichtshautstraffung oder anderen Weichgewebekorrekturen indiziert sein.
Während die Osteotomietechnik nach Delaire eine zusätzliche Stabilität der knöchernen Anlagerung erreichen kann, sind mit alloplastischen Kinnimplantaten oft keine der autologen Verlagerung vergleichbaren dauerhaften ästhetischen Ergebnisse erreichbar (Abbildungen 5 a-d). Knochenresorptionen sind insgesamt selten [Bull, 2000].
Liegt eine Erschlaffung der submentalen Region beziehungsweise der Halshaut vor, kann zusätzlich zur Kinnplastik oder gegebenenfallls auch als alleinige Maßnahme ein Halshautlifting erforderlich werden oder eine Liposuktion durchgeführt werden [Morrison et al., 2001].
Weitere ästhetische Korrekturoperationen
Rhinoplastik
Während sich mit zunehmender Standardisierung und Sicherheit Verfahren zur Weichgewebechirurgie umfassender und radikaler gestalteten, hat sich die ästhetische Rhinoplastik von einem initialen aggressiven zu einem mehr konservativen Ansatz entwickelt [Mc Kinney und Cunningham, 1992]. Eine Rhinoplastik kann im Zusammenhang mit einer kieferorthopädischen Umstellungsosteotomie und als alleinige Maßnahme durchgeführt werden. Unabhängig, ob die Rhinoplastik aus funktionellen und / oder ästhetischen Erwägungen durchgeführt wird, ist nach Lemperle das oberste Ziel der Rhinoplastik nicht die absolut schöne Nase, sondern der zufriedene Patient. Die Nase soll nicht als operiert erkennbar sein [Mühlbauer, 1998]. Häufig umschriebene Korrekturen an der Nase im Rahmen von Dysgnathieoperationen sind zum Beispiel das Abtragen eines prominenten Nasenhöckers oder die Neugestaltung von Nasenflügelbasis oder Nasenspitze (Abbildungen 6 a, b).
Lidstraffung
Die altersbedingte Erschlaffung der Oberlider verleiht dem Gesicht einen müden nahezu traurigen Ausdruck. Der Weichgewebeüberschuss betrifft Haut, Muskel und / oder Fett mit Ptosis der Lider. Viele Patienten entscheiden sich im Rahmen von implantologischen oder augmentativen Maßnahmen zu diesem Eingriff, da er bei relativ geringem chirurgischen Aufwand einen deutlichen Verjüngungseffekt hat. Einem verständlichen Wunsch der Patienten entsprechend lassen sich die Operationsnarben postoperativ gut verbergen. Die Benutzung des Laserskalpells reduziert intraoperative Blutungen (Abbildungen 7 a, b; 8 a-d) [Olivari und Stark, 1994; Wolfort et al., 1995; Olbrisch, 1998; Puttermann, 1999].
Facelift
Die Gesichtshautstraffung gilt als die Standardschönheitsoperation schlechthin. Als Standardinzision wird mit einer Vielzahl von Variationen ausgehend von einem Schnitt in der behaarten temporalen Kopfhaut eine präaurikuläre Inzision in den retroaurikulären Bereich geführt, um möglichst unsichtbare Narben zu erhalten. In vielen Bereichen können über kleine Hautinzisionen endoskopgestützte Verfahren eingesetzt werden (Abbildungen 9 a-c).
Schönheits-Operationen bei diversen Fehlbildungen
Traditionell werden Patienten mit angeborenen Fehlbildungen, zum Beispiel Lippen-Kiefer-Gaumenspalten oder Kraniosynostosen, von Anfang an mit dem Ziel operiert, bei den Eingriffen neben den funktionellen Aspekten auch der Ästhetik und der Schönheit des Gesichtes als Langzeitergebnis Rechnung zu tragen. Bei Patienten mit traumatisch bedingten oder lange bestehenden N. fazialis Lähmungen können Korrektureingriffe, die aus dem Bereich der ästhetischen Chirurgie entlehnt sind oder entsprechend modifiziert wurden, auch Schönheitsaspekten gerecht werden (Abbildungen 10 a, b). Auch bei der Rhinoplastik von spaltbedingten Nasendeviationen können bei der Korrektur des Flügelknorpel- und Nasenspitzenbereiches Techniken aus der ästhetischen Rhinoplastik integriert werden [Bach-Diesing und Schmelzeisen, 1987].
Zusammenfassung
Für viele Patienten ist inzwischen ein deutlich verbessertes Verständnis dafür entstanden, dass die Schönheit des Mundes in die Schönheit des Gesichtes eingebettet sein kann. Eine der Ästhetik verpflichtete chirurgische Zahnmedizin muss immer dem Gesamteindruck des Gesichtes verpflichtet sein. Wenn der Wunsch des Patienten nach ästhetischen Interventionen besteht, sollte der Arzt den Patienten auch über ästhetisch-chirurgische Möglichkeiten beraten, die über zahnärztlichchirurgische und prothetische Maßnahmen hinausreichen.
Chirurgische Maßnahmen wie Implantationen oder augmentative Maßnahmen bieten eine gute Möglichkeit, simultan ästhetische chirurgische Maßnahmen in derselben Sitzung oder in zeitlichem Zusammenhang mit einer Operation durchzuführen. Es ist günstig, wenn der Behandler die implantologischen beziehungsweise augmentativen Verfahren ebenso wie die äshetisch-chirurgischen Methoden beherrscht, da sich die Ergebnisse beider Verfahren gegenseitig beeinflussen. Vom erfahrenen Chirurgen muss präoperativ sicher entschieden werden, ob durch eine implantologische und / oder augmentative Maßnahme, eine Weichgewebe- oder knochenverändernde Operation beziehungsweise Kombinationen von Verfahren den individuellen Wünschen des Patienten nach einem schönen Gesicht Rechnung getragen werden kann.
Die beschriebenen ästhetisch-chirurgischen Grundtechniken sind standardisiert und weisen beim Geübten einen hohen Grad an Vorhersagbarkeit und Sicherheit auf. Über die Jahrzehnte geblieben sind die Befürchtungen des Patienten, dass er sich zu einer „Schönheitsoperation“ bekennen muss. Diese Befürchtungen können durch die Kombination von implantologisch / augmentativen Maßnahmen mit ästhetischchirurgischen Eingriffen gemildert werden. Zusätzlich ermöglichen solche ganzheitlichen ästhetischen Rehabilitationen, einen schönen Mund in ein schönes Gesicht einzubetten.
Prof. Dr. Dr. Rainer SchmelzeisenDr. Dr. Niels LiebehenschelDr. Becker SilkeDr. Ulrich SchwarzUniversitätsklinik für Zahn-, Mund- undKieferheilkundeAbteilung Klinik für Mund-, Kiefer- undGesichtschirurgiePlastische OperationenHugstetter Straße 5579106 Freiburgrainer.schmelzeisen@uniklinik-freiburg.de