Fortbildungsteil 1/2006

Prothetische Gesichtspunkte der extraoralen Ästhetik mit implantatgetragenem Zahnersatz

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Implantatgetragener Zahnersatz nimmt in modernen Therapiekonzepten eine zentrale Stellung ein. In Kombination mit konventionellen prothetischen Versorgungen können funktionelle und ästhetische Restaurationen realisiert werden. Um eine hohe Zuverlässigkeit und ein den Patientenwünschen entsprechendes Ergebnis zu erzielen sind Diagnostik und Planung von zentraler Bedeutung. Dabei darf die ästhetische Analyse nicht auf Details wie Zahnform und -farbe beschränkt bleiben, sondern muss vor allem bei ausgeprägten Verlusten von Hart- und Weichgewebe die extraoralen Gesichtsproportionen berücksichtigen.

Extraorale Ästhetik

Implantatgetragener Zahnersatz ist heute integraler Bestandteil moderner Therapiekonzepte in der Zahnmedizin. Kontinuierliche Weiterentwicklungen verwendeter Materialien und angewandter Techniken ermöglichen eine hohe Zuverlässigkeit mit sehr guter Langzeitprognose für ein breit gefächertes Indikationsspektrum [1-5].

Neben einer erfolgreichen Osseointegration der Implantate ist die Wiederherstellung der Funktion, Phonetik und Ästhetik von zentraler Bedeutung. Diese Aspekte müssen vor allem bei stark reduziertem Restzahnbestand in der präimplantologischen diagnostischen Phase evaluiert und bei der Festlegung der Implantatpositionierung berücksichtigt werden [6-8].

Während im Teilbezahnten Kiefer die Nachbarstrukturen wichtige Informationen über Okklusion, Zahnstellung und Position vorgeben, fehlen diese Informationen bei stark reduzierter Restbezahnung. In diesen Fällen müssen neben zahnspezifischen Gesichtspunkten wie Größe, Form und Stellung vor allem auch die vertikale Kieferrelation und die notwendige Unterstützung der perioralen Weichgewebe durch eine enge Kooperation zwischen dem behandelnden Zahnarzt, dem Zahntechniker und dem Patienten erarbeitet werden (Abbildungen 1a und b, 2 a und b). Die Diagnostik darf nicht auf die intraoralen Hart- und Weichgewebestrukturen beschränkt bleiben, sondern muss das Ausmaß der Kieferkammatrophie und die damit verbundenen Veränderungen der interalveolären Kieferkammrelationen berücksichtigen (zentripetale Resorption des Oberkiefers; zentrifugale Vergrößerung des Unterkiefers).

Im stark atrophierten zahnlosen Kiefer ist stets der Ersatz sowohl der Zähne als auch des fehlenden Hart- und Weichgewebes notwendig, so dass die Suprakonstruktionen neben den künstlichen Zahnkronen einen zahnfleischfarbenen Anteil besitzen. Die aus prothetischer Sicht günstigste Versorgungsform mit dem größten ästhetischen und funktionellen Potential ist hierbei der implantatgetragene, abnehmbare Zahnersatz. Aufgrund der technischen Gestaltungsmöglichkeiten können eine ideale Unterstützung der Lippen und der Wangenmuskulatur bei gleichzeitig guter Hygienefähigkeit der Implantate gewährleistet werden. Eine den Patientenwünschen entsprechende Ästhetik, die dem natürlichen Gebiss sehr nahe kommt, kann auch für Patienten mit stark atrophiertem, zahnlosen Kiefer realisiert werden. Die Entscheidung für einen festsitzenden oder einen herausnehmbaren implantatgetragenen Zahnersatz als Therapieverfahren der Wahl kann in vielen Fällen nur nach Anfertigung eines diagnostischen Wax-up getroffen werden [9].

Für eine erfolgreiche prothetische Rehabilitation darf die extraorale Ästhetik nicht unberücksichtigt bleiben. Die Analyse sollte dabei systematisch extraoral (faziale Analyse) beginnen und mit der Festlegung intraoraler (dentaler) Parameter enden.

Gesichtsproportionen

Zentraler Punkt für die funktionelle und ästhetische Rehabilitation eines zahnlosen Patienten ist die Wiedererstellung, beziehungsweise Beibehaltung der Gesichtsproportionen. Die bekannten vertikalen und horizontalen Bezugslinien (Pupillenlinie, Mittellinie) liefern in diesen Situationen erste wichtige Anhaltspunkte über den Zustand bestehender prothetischer Restaurationen. Der vertikalen Komponente (Gesichtsdrittelung) kommt dabei eine entscheidende Bedeutung für das gesamte Erscheinungsbild des Gesichtes zu [10-12].

Ein großes unteres Gesichtsdrittel bei zu großer vertikaler Kieferrelation führt häufig zu inkompetentem Lippenschluss mit offener Mundhaltung und eingeschränkter Phonetik durch frühzeitigen Zahnkontakt („clicking“). Eine zu geringe vertikale Kieferrelation führt zu einem Abflachen des Profils, einer ausgeprägten Supramentalfalte und wird von einigen Autoren mit einem greisenhaftem Aussehen beschrieben. Dieses Erscheinungsbild wird durch eine anteriore Rotation (relative Progenie) des Unterkiefers, ein reduziertes Lippenrot und hängende Mundwinkel verstärkt. In wie weit eine zu geringe vertikale Kieferrelation zu Kiefergelenkbeschwerden führen kann ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt wissenschaftlich nicht eindeutig geklärt.

Die Bestimmung der physiologischen, muskulär bedingten Ruheschwebelage für eine korrekte vertikale Relation erfolgt Idealerweise mit mechanischen und physiologischen Hilfsmitteln (Abbildung 3). Einen sehr wichtigen Anhaltspunkt liefert die phonetische Analyse. Neben der Positionierung der Inzisalkanten der zentralen Oberkieferschneidezähne können sehr präzise Informationen zur Bisshöhe gewonnen werden.

Die Beurteilung des Profils und die Auswirkungen prothetischer Restaurationen auf die lateralen Gesichtsproportionen dürfen nicht unberücksichtigt bleiben. In Abhängigkeit von der Kieferbasenrelation unterscheidet man bei natürlicher Bezahnung zwischen geraden, konvexen oder konkaven Gesichtsprofilen (Prognathiegrad, skelettale Bisslage). Prothetische Restaurationen im zahnlosen Kiefer oder bei stark reduziertem Restzahnbestand können dieses äußere Erscheinungsbild maßgeblich beeinflussen [13]. Die bereits oben beschriebene anteriore Rotation des Unterkiefers bei zu geringer vertikaler Kieferrelation führt zu einem konkaven Gesichtsprofil, ebenso wie eine zu weit retral liegende Oberkieferrestauration zu einem vergrößerten Nasolabialwinkel und einem flachen Lippenprofil führt. Nützliche Orientierungshilfen für eine laterale Gesichtsanalyse sind in diesen Fällen beispielsweise die von Ricketts beschriebene „E-Line“, der Nasolabialwinkel, sowie die Kontur der Oberlippe [14,15].

Der extraoralen Analyse sollte die dento-labiale Analyse folgen. Die Sichtbarkeit der Zähne unter Funktion, beispielsweise beim Sprechen und Lachen, liefert Detailinformationen für deren Stellung und Angulation (Schneidekantenposition, Sichtbarkeit, Lachlinie) und beeinflusst maßgeblich das äußere Erscheinungsbild des Patienten (Abbildungen 4 a und b, 5). Erst nach Festlegung der äußeren Parameter sollten Detailfragen wie Individualisierung der Zahnstellung, Charakteristika der Zahnform und -farbe diskutiert werden [11].

Ein zentraler Punkt, welcher trotz aller zur Verfügung stehender Richtlinien und Hilfsmittel nicht unberücksichtigt bleiben darf, ist das subjektive ästhetische Empfinden jedes Menschen. Neben der Frage der gewünschten Zahnfarbe und Zahnform muss der Patient in die Festlegung und Planung der oben aufgeführten extraoralen Parameter einbezogen werden. Nur wenn die individuellen Wünsche respektiert und berücksichtigt werden, kann neben einer Wiederherstellung der uneingeschränkten Funktion auch das ästhetische Erscheinungsbild zur vollsten Zufriedenheit des Patienten gestaltet werden (Abbildungen 6 bis 9).

Dr. med. dent. Stefan HolstProf. Dr. med. dent. Manfred WichmannZahnklinik 2 – Zahnärztliche Prothetik(Direktor: Prof. Dr. M. Wichmann)Friedrich Alexander-Universität Erlangen-NürnbergGlückstr.1191054 Erlangen

sholst@prothetik-erlangen.de

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