Umweltsünder World Wide Web
Kleines Klimaquiz: Wann waren die fünf wärmsten Jahre seit 1890? Alle in den letzten zehn Jahren, hat die amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa herausgefunden. Und um wieviel Grad hat sich die Erdatmosphäre im vergangenen Jahrhundert erwärmt? Um 0,8 °C, meldet der Nationale Forschungsrat der USA.
Doch dabei wird es nicht bleiben. Laut Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg stehen uns in den nächsten 100 Jahren Temperaturanstiege von 2,5 bis 4 °C bevor. Nicht der Rede wert? Weit gefehlt. Während der Eiszeit war es nur 5 °C kälter als heute. 5 °C mehr oder weniger können Welten ausmachen.
Ganz lässt sich die von uns selbst verschuldete Erderwärmung nicht mehr aufhalten. Klimaforscher halten es aber für möglich, sie auf 2 °C zu begrenzen. Vorausgesetzt, wir fahren den Verbrauch an fossilen Brennstoffen drastisch herunter, fördern den Einsatz erneuerbarer Energien und – ganz entscheidend – arbeiten an unserem Energieverbrauch.
Stromfresser Internet
Ständig online? Dank Flatrates und guter Vernetzung trifft das auf immer mehr private und berufliche User zu – weltweit. Der Knackpunkt: Um Aktionen im Netz auszuführen, müssen sich die Rechenzentren der Anbieter rund um die Uhr kräftig ins Zeug legen. Google allein hat geschätzte 450 000 Server am Start, um alle Anfragen zu beantworten. Diese Rechner fressen Strom – und produzieren außerdem Hitze. Damit in den Schaltzentralen von Google, Yahoo und eBay nicht die Drähte durchbrennen, müssen die Geräte ständig gekühlt werden. Auch das treibt die Stromrechnung in die Höhe.
Experten haben im Auftrag der New York Times herausgefunden, dass jede Suchanfrage bei Google soviel Strom verbraucht wie eine Energiesparlampe in einer Stunde. Den gesamten Energiebedarf des Internets und der dazugehörigen Datenzentren zu berechnen, hat unter anderem das Freiburger Öko-Institut versucht. Ergebnis: Für die Versorgung des WWW wurden im Jahr 2005 rund 20 Eintausend-Megawatt-Großkraftwerke benötigt. Basierend auf Zahlen des Umweltbundesamts und des Schweizer Prognos-Instituts haben Forscher errechnet, dass die Ausflüge ins Netz allein in Deutschland 4 Millionen Tonnen CO2pro Jahr produzieren. Das Internet ist demnach hierzulande für 2 bis 3 Prozent des gesamten Kohlenstoffdioxid-Ausstoßes verantwortlich – und liegt gleichauf mit dem Flugverkehr.
Viele Unternehmen versuchen mittlerweile, ihr Öko-Image aufzupolieren. Der PCHersteller Dell kündigt effizientere Geräte an, Yahoo will durch Einsparmaßnahmen wie passive Kühlsysteme bis Ende 2007 emissionsfrei werden und Google baut für die Versorgung seiner Rechenzentren Solaranlagen. In Europa haben alle Mitarbeiter des Konzerns außerdem ein eigenes Fahrrad bekommen, damit sie für den Weg zur Arbeit das Auto öfter stehen lassen. Ganz uneigennützig sind diese Aktionen natürlich nicht: Die Internetriesen wollen damit auch ihre eigenen Kosten reduzieren, denn für ihre Stromrechnung blättern sie mehrere Millionen Euro hin – monatlich.
Nicht übertreiben
Das Internet als Klimakiller abzustempeln, lehnen viele ab. Sicherlich sei es ein bedeutender Posten im globalen Energiehaushalt, aber bei einer Öko-Gesamt-Bilanz müsse differenziert werden. Beispiel Geschäftsreisen: Durch Videokonferenzen via Netz können sich Unternehmen die ein oder andere Anfahrt per Auto oder sogar Flieger sparen. E-Mails ersetzen außerdem Briefpapier und -versand.
Auch beim Vergleich zwischen internationalem Flugverkehr und Internet sei Vorsicht ratsam, sagen die Experten des Wuppertaler Instituts für Klimaforschung. Dass die weltweit existierenden Rechenzentren die Umwelt stärker belasten als das Hin- und Herjetten zwischen den Kontinenten, stellen die nordrhein-westfälischen Klimaforscher in Frage. Da seien die Ergebnisse einer Studie der amerikanischen IT-Beratung Gartner falsch gedeutet worden, erklärte Claus Barthel vom Wuppertaler Institut gegenüber der ARD. In die Berechnungen sei nicht nur die Internetnutzung, sondern auch Kosten für andere Informations- und Kommunikationsgeräte eingeflossen. Für verlässlicher hält Barthel Zahlen des Bundesumweltministeriums. Danach verursacht der Traffic von Bits und Bytes durchs Netz weltweit ein Viertel so viel CO2wie der von Flugzeugen.
Den CO2-Ausstoß durch das Internet können Unternehmen nicht im Alleingang reduzieren. Einen Großteil der benötigten Energiemenge schlucken die PCs zuhause und im Büro. Deshalb sind vor allem die User gefragt, ihre Nutzungsgewohnheiten zu überdenken und zu ändern. Nehmen wir Second Life. Wer als Avatar auf dieser Plattform unterwegs ist, benötigt aufs Jahr gerechnet für sein zweites Leben 195 Kilowattstunden Strom oder 120 Kilogramm CO2. Um den Energieverbrauch durch die eigene PC-Nutzung zu drosseln, sollte man den Rechner nicht stundenlang unnötig laufen lassen und die vorhandenen Energiesparfunktionen, wie Standby oder Ruhezustand, nutzen (siehe zm 20/2007). Wenn Rechner und Monitor lange Zeit überhaupt nicht benutzt werden, empfiehlt es sich, den Stecker zu ziehen. Denn auch der Standbymodus kostet bekanntlich Energie.
Mal grün surfen
Ein Tipp für umweltbewusste User: Immer mehr Internet-Provider greifen für ihre Dienste auf Ökostrom zurück. Wer grün surfen will, sollte deshalb gezielt nach der Stromquelle seines Anbieters fragen. Greenpeace bietet auf der Seite www.klimafreundliches-internet.de kostenlos atomstromfreie E-Mail-Adressen an – damit das Internet auf lange Sicht sauber wird.
Susanne TheisenFreie Journalistin in KölnSusanneTheisen@gmx.net