Wissenschaft schafft Praxiswissen
Keramiksymposium
Am Vortag des großen Zahnärztetages und des Wissenschaftlichen Programms startete die Arbeitsgemeinschaft Keramik (AG Keramik) mit einem Vorsymposium unter Leitung von Professor Dr. Jörg Strub, Freiburg. Rund 150 Teilnehmer, die sich aus niedergelassenen Zahnärzten, Zahntechnikern, Hochschullehrern und Vertretern der entwickelnden Industrie rekrutierten, trafen sich, um ihre Erfahrungen aus der Praxis zu diskutieren sowie aktuelle klinischen Untersuchungen vorzustellen, beobachteten Misserfolgen auf den Grund zu gehen und um neue Innovationen zu diskutieren.
So gab Professor Dr. Ralf Janda, Düsseldorf, einen historischen Überblick über die Entwicklung der Vollkeramikmaterialien, die mit Dicor im Jahre 1982 begann. Seither hat sich viel getan, wie er an diversen Entwicklungsschritten dokumentieren konnte. Die Anfangs noch für den Seitenzahnbereich nicht indizierten Keramiken haben inzwischen die Kinderschuhe verlassen und mit der seit einigen Jahren am Markt befindlichen Zirkonoxidkeramik durchaus auch im Seitenzahnbereich ihre Daseinsberechtigung gefunden. Eines wurde auch in den Folgebeiträgen der Kliniker und Zahntechniker deutlich: Es gibt nicht „die“ Keramik, sondern der Zahnarzt sollte indikationsbezogen entscheiden und individuell auswählen, für welchen Zahn er welche Keramik präferiert. Ausschlaggebend seien dafür die Biegesowie die Druckfestigkeit, machte ZTM Franz Josef Noll, Koblenz, in seinem Beitrag deutlich. Einig war man sich bei der Frage, ob die Vollkeramikkrone die prothetische Lösung der Wahl für die Suprakonstruktion eines Implantates darstelle:
„Noch gibt es nicht genügend Erfahrungen hierfür!“, so Strub sehr deutlich. Tipp: Zirkonoxid nie ohne Wasser bearbeiten, da sonst die Überhitzung zu hoch wird, was bald zu Schäden an der Keramik führen wird.
Rund um die Spucke
Während in Griechenland das Spucken auf eine frisch gebackene Braut Glück bringt, gilt dieser Körpersaft bei uns für allgemein als unappetitlich. Dass er aber eine Verbindung zwischen der Zahnmedizin und der Medizin darstellt, das wurde anlässlich eines großen Speichelsymposiums der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) in Düsseldorf deutlich. Eine Reihe von Vorträgen stellten nicht nur die einzelnen Bestandteile des Speichels vor, sondern gingen auch auf deren wichtige Bedeutung ein, wie Professor Dr. Mathias Hannig, Homburg/Saar, am Beispiel des Pellikels zeigen konnte. Bereits einige Minuten nach einer Zahnpolitur hat sich erneut eine Mikroschicht aus Proteinen und Proteinbruchstücken gebildet, die die Zahnoberfläche wie einen Rasen maskiert. Diese Pellikelschicht hat neben der Aufgabe als Lubricant auch die Funktion einer Diffusionsbarriere gegen Demineralisation. Ebenso gilt sie damit auch als Modulator der Keimadhärenz.
Die Identifikation der unterschiedlichen Speichelbestandteile lässt heute bereits auf diverse Allgemeinerkrankungen schließen, was prospektiv die Möglichkeit eines Screenings mittels einer Speichelprobe gestattet. Im Fall des Diabetes mellitus, einer HIV-Erkrankung sowie bei Brustkrebs und einem Mundkarzinom zeigen diese Diagnosetests bereits erste Erfolge. Professor Dr. Stefan Ruhl, Buffalo, machte daher deutlich, dass der Speicheltest die einfachste und vor allem die billigste Methode sei, nicht nur Selbsttests durchzuführen, sondern das Verfahren auch großflächig einzusetzen.
In der Anthropologie sowie der Gerichtsmedizin ist die genetische Speicheluntersuchung bereits an der Tagesordnung, wie Dr. Susanne Hummel, Halle, am Beispiel der Nachkommen von 40 Harzer-Schädelfunden ausführte. Noch nach 86 Generationen konnte ihr Forscherteam aus einer freiwilligen Probandengruppe von knapp 300 Bewohnern der entsprechenden Region im Harz zwei Verwandte mit einer Wahrscheinlichkeit von nahezu 100 Prozent ausfindig machen. Sie demonstrierte einige Kriminalfälle, die mithilfe von Speichelproben aufgedeckt werden konnten. Eine Unterproduktion der Speicheldrüsen und die damit verbundene Xerostomie kann verschiedene Ursachen haben, wie der Pathologe Dr. Stephan Irler, München, ausführte. Als häufigste Ursache gilt der Medikamentenkonsum. So ist heute gesichert, dass Patienten, die drei Medikamente einnehmen, zu 40 Prozent Wahrscheinlichkeit unter zu geringem Speichelfluss leiden, was nicht nur zu Zahnschäden, sondern auch zu Läsionen der Schleimhäute führen kann. Bekannt ist ein irreversibler Parenchymverlust der Glandulae nach radiatio oder nach bestimmten Entzündungsformen. Er machte die Differentialdiagnose zwischen dem Sjörgen-Syndrom und dem Küttner-Tumor deutlich, was häufig falsch diagnostiziert wird. Oft ist auch der Zahnarzt der erste, der bei der beidseitigen Parotisschwellung einer jungen Patientin an eine bulimische Sialadenose denken soll. Das macht deutlich, dass die Palpation zur Routineuntersuchung unabdingbar dazu gehört. Er konnte damit zeigen, wie wichtig die Interdiziplinarität ist, wenn Speicheldrüsen nicht mehr richtig arbeiten.
Zähne wachsen lassen
Große Furore machte der Impulsvortrag, in dem Prof. Dr. Tony Smith, Birmingham, jeden anwesenden Zahnarzt seinem persönlichen Traum etwas näher brachte: Smith stellte sich die Frage nach der kompletten Zahnregeneration, sprich, dass der Zahn seine Defekte einmal sui generis regenerieren könnte. Smith stellte die derzeitigen Ergebnisse der Stammzellforschung vor und konnte zeigen, dass dieser Traum gar nicht so unsinnig ist. Zeigt sich doch bereits in Laborversuchen deutlich, dass aus der Pulpa gewonnene Stammzellen durchaus in der Lage sind, zu Dentinzellen heranzuwachsen. Ein Problem dabei, so der Wissenschaftler, sei die Begrenzung der initiierten Zellproliferation sowie die Richtungsweisung der neuen Zellen. Alles in einem: Die Forscher sind weltweit auf dem richtigen Weg, aber bis es möglich ist, dass eine Kariesläsion von selbst „wieder zuwächst“, werden doch noch viele Forscherjahre ins Land gehen.
Endodontie heiß diskutiert
Es gibt wohl derzeit kaum eine Fachdisziplin, in der die Meinungen so weit auseinandergehen wie in der Endodontie. So waren die Vorträge hierzu besonders spannend und wurden zum Teil äußerst kontrovers diskutiert.
Ein Fazit für den Praktiker:Obliterierte Kanäle sind bis zu 90 Prozent mit der Lupenbrille mit Licht, besser mit dem Mikroskop, auffindbar. Eine erfolgreiche Endo-Behandlung erfordert eine perfekte Behandlungsroutine, erst nach Erreichen der Arbeitslänge (Handinstrumente) mit Nickel-Titan-Instrumenten arbeiten, und im Milchzahngebiss ist die Mortalamputation mit Formaldehyd kontraindiziert.
Tipp:Bei der Verwendung von Ledermix® daran denken, dass es Eugenol enthält, was für Allergiker zu beachten ist.