Zwischen Wort und Tat
„Das System ist gut, aber es soll besser werden“, lautet die Quintessenz aus dem Gutachten. Das findet allgemeine Zustimmung. Über das „Wie“ streiten jedoch die Experten. Derzeit sei eine „nicht immer effiziente Arzt-Zentriertheit“ zu beobachten, konstatierte das Gremium. Also müssten Zuständigkeiten neu strukturiert und die Ausbildungen wie auch das Haftungsrecht den neuen Bedingungen angepasst werden. Die daraus resultierende Kernforderung, Kompetenzen der Mediziner umzuverteilen und – besonders im Pflegebereich – zum Beispiel nicht ärztlichen Heilberuflern Verordnungen zu erlauben, findet bei Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt volle Zustimmung.
Nicht so bei der Bundesärztekammer (BÄK), die ansonsten die überwiegend sachliche Ausarbeitung lobte. Entschlossen warnten BÄK, Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) davor, zwecks Kaschieren von Ärztemangel und Rationierung eine „Medizin light“ einzuführen, die sie angesichts Forderungen von Sachverständigenrat und Pflegerat befürchten. „Die Behandlung von Patienten und die Heilung von Krankheiten sind originäre Aufgabe der Ärzte“, warnten KBV-Chef Dr. Andreas Köhler und BÄK-Präsident Prof. Jörg-Dietrich Hoppe. „Wer originäre ärztliche Tätigkeit auf die Pflegeberufe verlagern will, der gefährdet die Sicherheit der Patienten“, kritisierte MB-Chef Frank-Ulrich Montgomery.
Die Vorreiter bestätigt
So sieht das auch Dr. Dietmar Oesterreich, Vize-Präsident der BZÄK: „Das Zahnheilkundegesetz eröffnet bereits eine Vielzahl an Möglichkeiten der Delegation an dafür qualifizierte nicht zahnärztliche Mitarbeiter. Zudem wird die BZÄK ihren Delegationsrahmen an den perspektivischen Bedarf anpassen, um einerseits Rechtssicherheit zu erzielen und andererseits auf die Herausforderungen einer alternden Gesellschaft frühzeitig zu reagieren.“ Auch in puncto Prävention. Hier hielten die Zahnärzte klar die Vorreiterrolle im Land, wie unter anderem die Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS) IV belege. „Doch“, räumte der BZÄK-Vize ein, „auch in unserem Gebiet gibt es ein großes Potenzial für präventive Maßnahmen bei Menschen in schwierigen sozialen Lebenslagen.“ Das sei aber eine Querschnittsaufgabe aller Politikfelder. Die BZÄK ihrerseits signalisierte Handlungsbereitschaft. Sie hat bereits mit der geplanten Novellierung der Approbationsordnung und der Neubeschreibung einer päventionsorientierten Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde mit KZBV und DGZMK Schwerpunkte gesetzt. Um Fehlern in der politischen Diskussion um die geplante neue GOZ vorzubeugen, hat sie zudem eine Honorarordnung für Zahnärzte als Referenzmodell erarbeitet.
Positiv wertete der KZBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Jürgen Federwitz, dass der Sachverständigenrat bei den neuen Möglichkeiten der Vertragsgestaltung in der GKV „die Knackpunkte offen benennt. Er kommt zu dem klaren Ergebnis, dass es nicht um einen Ersatz der Kollektivverträge durch selektive Kontrahierung gehen kann, sondern um deren punktuelle und wettbewerbsorientierte Ergänzung. Selektivverträge können gut innerhalb eines kollektivvertraglichen Rahmens abgeschlossen werden, der vom KV- beziehungsweise vom KZV-System gesteuert wird.“ Das Gutachten gehe davon aus, dass ein Vertrags- und Versorgungswettbwerb nur unter angemessenen Bedingungen funktionieren könne. Die seien aber erst einmal nicht gegeben, wenn eine Krankenkasse mit regional marktbeherrschender Stellung einzelnen (Zahn-)Ärzten oder kleinen Ärztegruppen gegenüberstehe, die sich dann kaum einem womöglich unvorteilhaften Vertragsabschluss entziehen könnten, konstatierte Fedderwitz.
Der Wettbewerb wird nach Ansicht des Gremiums zu weiteren Konzentrationsprozessen bei den Kassen führen. Hier sieht die KZBV-Spitze ein Ungleichgewicht der Kräfte drohen: „Die Marktmacht der verbleibenden Kassen wird daher gegenüber der Zahnärzteschaft noch größer, wenn diese Selektivverträge nicht in kollektiven Zusammenhängen ausgehandelt werden. Eine starke Marktposition der zahnärztlichen Vertragspartner ist also entscheidend, gerade weil die Versicherer über selektive Verträge den Hebel ansetzen werden, die ärztliche Leistung mehr und mehr qualitätsbezogen zu vergüten. Das Gutachten ist an dieser Stelle konsequent, wenn es fordert, dass sich Vergütungsanreize eher an Organisationen und weniger an einzelne Ärzte richten sollten.“
Auf die Empfehlung der Sachverständigen hin zu mehr Wettbewerb, einer stärker qualitätsbezogenen Vergütung sowie mehr Prävention kündigte die Bundesgesundheitsministerin ein entsprechendes Gesetz noch für diese Legislaturperiode an.