32. Schwarzwaldtagung in Titisee

Die Mundhöhle – mehr als eine Kiste voller Zähne

Heftarchiv Zahnmedizin
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Auch in diesem Jahr waren wieder über 650 Zahnärztinnen und Zahnärzte in den Schwarzwald gereist, um im Kurhaus von Titisee Fortbildung zu betreiben. Fortbildung, dafür ist Titisee hinlängst bekannt, vom Feinsten und Engsten. „Denn nur da, wo sonst nichts los ist, kommen auch alle in den Hörsaal“, formulierte es der Fortbildungsreferent der Bezirkszahnärzte Südbaden, Professor Dr. Giesbert Krekeler im Vorfeld der Tagung. Und er hatte ein Thema ausgewählt, das auch den allerletzten Stuhl im Saal belegt hielt

Den Zahnärztinnen und Zahnärzten, die nicht nur aus der Region, sondern quer aus ganz Deutschland angereist kamen, stellten zwölf Referenten Diagnosehilfen und Heilmöglichkeiten auf verschiedenen Gebieten der Mund- und Zahngesundheit vor.

Ein besonderer Fokus wurde dabei auf die Erkrankung der Mundschleimhaut gelegt. „Zahnärzte sind häufig die ersten, die schwerere Erkrankungen erkennen können. Denn diese zeigen in der Mundhöhle manchmal deutliche Warnsignale“, kommentierte Dr. Joachim Schwalber, Vorsitzender der Bezirkszahnärztekammer Freiburg, in seinen einleitenden Worten das diesjährige Motto.

So ging Prof. Dr. Andrea Maria Schmidt-Westhausen, Berlin, auf virale Infektionen und ihre Auswirkungen auf die Mundschleimhaut ein. Viren dringen nicht nur mit der Nahrung schnell in den Mundraum ein. Sie können sich direkt an der Mundschleimhaut ansiedeln. Aber auch andere systemische Infektionen machen sich über die Mundschleimhaut bemerkbar. Die bekanntesten sind die Humanen Papillomaviren (HPV), das Herpes simplex Virus (HSV 1/2) und auch HIV-Infektionen.

Achtung bei weißen Flecken

Der rechtzeitige Blick in die Mundhöhle kann Präkanzerosen vermuten lassen, die einer schnellen und diffentialdiagnostischen Untersuchung bedürfen, wie Prof. Dr. Dr. Torsten E. Reichert, Regensburg, erklärte. Reichert erwähnte hier das Plummer-Vinson-Syndrom, ging aber auch auf Syphilis ein, die vielerorts als ausgestorben gelte, es aber durchaus nicht sei. Reichert stellte Methoden der Diagnostik sowie der Therapie vor.

Noch einen Schritt weiter ging Prof. Dr. Dr. Wilfried Wagner, Mainz, indem er eine Reihe von Karzinomen im Mundbereich präsentierte. Bei allen karzinogenen Erscheinungen ist das Plattenepithelkarzinom der häufigste Tumor im Zahn-, Mundund Kieferbereich. So ist der Zahnarzt nicht nur bei der Früherkennung, sondern auch bei der lebenslangen Begleitung der Patienten gefordert. Wagner stellte die wichtigsten Formen des Karzinoms und die neuesten Therapieformen vor. Er zeigte auch Möglichkeiten auf, wie der Zahnarzt die Lebensqualität des Patienten nach einer Tumorerkrankung erheblich verbessern kann. Leukoplakien der Mundschleimhaut war das Thema von Prof. Dr. Dr. Thomas Kreusch, Hamburg. Diese häufig weißlichen Veränderungen können durch diverse exogene Einflüsse, wie auch das Rauchen, entstehen. Sie können durchaus entarten und sollen regelmäßigen Kontrollen oder gar einer Therapie unterzogen werden. Bei der Behandlung spielt neben der chirurgischen Entfernung auch der CO2-Laser eine wichtige Rolle.

Wenn die Zunge brennt ...

Privat-Dozentin Dr. Anne Wolowski, Münster, referierte über Ursachen und Therapie des Mundschleimhautbrennens, einem Symptom, unter dem besonders alte und polimorbide Patienten leiden. Hier gibt es meistens keine kausale Therapiemethode, es gibt nur die Möglichkeiten der Symptomlinderung. Sollte die Ursache ein Diabetes mellitus sein, so werden die Empfindungsstörungen häufig nach einer besseren Einstellung der endokrinen Grunderkrankung akzeptabler. Auch Medikamentennebenwirkungen sollen als Ursache für das Burning Mouth Syndrom in Erwägung gezogen und dann eliminiert werden.

Zungenbrennen kann aber durchaus neben lokalen, systemischen auch psychische Ursachen haben, wie die Münsteranerin anführte. Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz, Wiesbaden, behandelte das Thema Mundtrockenheit, eines der Hauptbeschwerden bei Patienten betagteren Alters oder Patienten, die mit Antidepressiva, Antiallergika sowie Antihypertensiva medikamentiert werden. Er stellte mehrere Therapieansätze mit Speicheldrüsenstimulantien und -ersatzmitteln vor, warnte aber gleichzeitig davor, dass die Patienten selbst zu sauren Drops oder Getränken greifen, die zwar einen angenehmeres Mundgefühl verursachen, aber sehr erosiv gegenüber der Zahnhartsubstanz auftreten.

... oder der Mund austrocknet

Der Zahnarzt sei hier gefragt, denn er könne erste Erosionserscheinungen feststellen und den Patienten gezielt darauf ansprechen. Außerdem ist der Patient mit Oligo- oder auch Xerostomie sehr anfällig gegenüber Karies. Hier gelten besondere Prophylaxemaßnahmen wie die Fluoridierung per Schiene sowie die Elimination kariogener Keime.

Über die medizinischen Probleme von Piercings referiert Dr. Jean-Pierre Loup, Genf. Piercings können nicht nur Schmerzen verursachen, es können sich auch Ödeme bilden. Die Aussprache wird dadurch beeinträchtigt, doch damit nicht genug: Piercings können zu Rezessionen der Mundschleimhaut in der Nähe der Zunge führen. Sie können den Zahnschmelz schädigen und sogar Zähne wandern lassen, ganz abgesehen von Reizungen der Mundschleimhaut und allergischen Reaktionen gegen nickelhaltiges Metall.

Die Wandlung der eigenen Zähne bis zum hohen Alter begleitete Prof. em. Dr. Peter R. Hotz, Bern, in seinen Ausführungen. Denn nicht nur das Gesicht, sondern auch die Zähne, sprich das Zahnmaterial, sowie das umliegende Zahnfleisch alterten wie das Gesichtsgewebe und die -konturen. Trotzdem sei die Versuchung groß, so der Referent, sich mit den Möglichkeiten der modernen Zahnmedizin etwas „Jugend“ zurückzukaufen.

Gendefekte im Mund entdeckt

Die Mundinspektion im Kindesalter – das war das Thema von Professor Dr. Burkhard Schneeweiß, Pädiater aus Berlin. Schon in der Kindheit sind eine belegte Zunge und ein auffälliger Mundgeruch deutliche Hinweise für andere systemische Erkrankungen, so der Referent. Schneeweiß sprach Probleme von Kindern an, deren Mundmotorik zum Beispiel durch Trisomie 21, dem Morbus Down, und andere genetische Erkrankungen beeinträchtigt ist. Er zeigte Symptombilder wie die Diphteriezunge, die Hand-, Fuß- und Mundkrankheit und mehr. Wichtig ist, so der Referent, dass auch der Zahnarzt, der ein Kind mit derartigen Mundschleimhautzeichen sieht, nicht nur an infektiöse Kinderkrankheiten, sondern auch an genetische Grunderkrankungen denkt, deren Frühdiagnose nicht selten in seiner Hand liegt. Er forderte damit genau das, was seitens der WHO angestrebt wird, nämlich eine ganzheitliche medizinische Betreuung, wie sie international als wichtiger Teil der Public Health zum vorrangigen Ziel der Gesundheitspolitik in allen Ländern werden soll.

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