Repetitorium

Hodenkrebs

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Im Vergleich zu vielen anderen Tumoren sind die Heilungschancen beim Hodenkrebs gut. Allerdings sind auch beim Hodenkarzinom, das insgesamt zwar selten ist, bei jüngeren Männer aber zu den häufigsten Tumorneuerkrankungen gehört, eine frühzeitige Diagnose und Therapie das A und O der Prognose.

Bosartige Tumore des Hodens gehen zu 90 Prozent von den Keimzellen aus, weshalb der Hodenkrebs oft auch als Keimzelltumor bezeichnet wird. Es erkranken vor allem jungere Manner, meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Nicht-Keimzell-Tumore sind beim Hodenkrebs selten und treten eher bei alteren Patienten sowie bei Kindern auf. Prinzipiell konnen sich bosartige Tumore aus allen Zellarten des Hodens entwickeln, etwa aus Bindegewebe, den Leydig- oder den Sertolizellen, aus dem Hodennetz, dem Nebenhoden und auch aus Zellen des Samenstrangs.

Innerhalb der Keimzelltumore ist zwischen Seminomen, Tumoren, die sich aus speziellen Zellen der Spermienreifung, den Spermatogonien ableiten, und Nicht-Seminomen zu unterscheiden. Der Unterschied ist therapeutisch relevant, da die Seminome, im Gegensatz zu den Nicht-Seminomen, gut strahlensensibel sind. Sie machen etwa 65 Prozent der Keimzelltumore beim Mann aus.

Zu beachten ist, dass sich bei etwa funf Prozent der betroffenen Manner spater im gegenuberliegenden Hoden ebenfalls ein Tumor entwickelt. Besonders hoch ist dieses Risiko bei erkrankten Mannern unter 30 Jahren sowie bei Mannern mit vergleichsweise kleinen Hoden.

Generell handelt es sich beim Hodenkrebs um einen seltenen Tumor. Er macht nur etwa ein Prozent der Krebserkrankungen des Mannes aus. Anders sieht das aus, wenn man nur die Gruppe der jungeren Manner betrachtet: Bei ihnen gehort der Hodenkrebs mit rund 30 Prozent zu den haufigsten bosartigen Neuerkrankungen. Nach Angaben des Robert Koch-Institutes erkranken in Deutschland jahrlich etwas mehr als 4 100 Manner an dieser Krebsform.

Die Inzidenz des Tumors nimmt dabei zu: Sie ist in den vergangenen 20 Jahren weltweit um das Zwei- bis Dreifache gestiegen, am starksten in den nordlichen Landern Europas. Neben genetischen Faktoren werden nach Angaben der Deutschen Krebsgesellschaft vor allem Ernahrungsfaktoren als Ursache fur diese Entwicklung vermutet.

Wahrend die Diagnose bis Ende der 70er-Jahre quasi einem Todesurteil gleichkam, sind die Heilungschancen mittlerweile ausgesprochen gut. Mehr als 90 Prozent der erkrankten Manner konnen vollstandig geheilt werden, und auch wenn der Tumor erst im fortgeschrittenen Stadium erkannt wird, ist die Prognose noch gut. Hodenkrebs ist deshalb eine vergleichsweise seltene Todesursache.

Generell ist von einer genetischen Prasdisposition auszugehen. Wenn in Familien mit mehreren Sohnen einer an Hodenkrebs erkrankt, weisen die ubrigen Sohne ein statistisch achtfach hoheres Erkrankungsrisiko gegenuber der Normalbevolkerung auf.

Eine deutlich erhohte Erkrankungsgefahr besteht unabhangig davon auch bei Mannern mit Hodenfehllagen, wie einem Bauchhoden, einem Pendelhoden oder einem Leistenhoden, und mit Hodenschrumpfung nach Verletzungen oder Entzundungen. Kinder mit Hodenhochstand sollten, wenn sie heranwachsen, deshalb gut uber das erhohte Risiko aufgeklart werden, damit sie besonderen Wert auf die Fruherkennung legen. Denn selbst, wenn der Maldescensus testis im Kindesalter korrigierend operiert wurde, bleibt das etwa um 30 Prozent erhohte Krebsrisiko bestehen. Als weitere Ursachen fur den Hodenkrebs werden Storungen der Entwicklung im Mutterleib – moglicherweise induziert durch Hormonschwankungen wahrend der Schwangerschaft – diskutiert, wobei offensichtlich falsch programmierte Keimzellen im Hoden des Ungeborenen entstehen konnen, die zunachst im Ruhezustand bleiben und sich erst unter dem Einfluss von Hormonveranderungen, wie sie unter der Pubertat auftreten, weiter entwickeln und zu Krebszellen werden. Entsprechende Vorlauferzellen, die testikularen intraepithelialen Neoplasien (TIN-Zellen), lassen sich in Gewebeproben erkrankter Manner mikroskopisch nachweisen.

Warnsignale und Symptome

Trotz der allgemein guten Heilungsaussichten ist die Fruherkennung beim Hodenkrebs von entscheidender Bedeutung fur die Prognose. Es gibt eine ganze Reihe Alarmsymptome zu beachten, die beim Urologen abgeklart werden sollten. Dazu gehoren:

• eine tastbare, schmerzlose Verhartung des Hodens

• das Tasten eines Knotens in einem der beiden Hoden

• eine Schwellung im Hodenbereich mit/ohne Schmerzen

• eine veranderte Beruhrungsempfindlichkeit des Hodens

• ein Schweregefuhl oder Ziehen im Hoden, im Hodensack oder in der Leiste

• eine Ansammlung vom Flussigkeit im Hodensack

• das Anschwellen oder eine Schmerzhaftigkeit einer oder beider Bruste

Im fortgeschrittenen Stadium konnen auserdem infolge vergroserter Lymphknoten im Bauchraum auch Ruckenschmerzen auftreten.

Selbstuntersuchung

Ahnlich wie fur Frauen die regelmasige Selbstuntersuchung der Brust selbstverstandlich sein sollte, so sollten auch Manner regelmasig ihre Hoden untersuchen, um mogliche krankhafte Veranderungen fruhzeitig zu entdecken. Die regelmasige Palpation ist wichtig, um Verdickungen und Verhartungen als Leitsymptom des Hodenkarzinoms zu erspuren. Die Untersuchung erfolgt am besten nach einem warmen Bad oder unter der Dusche, da dann die Haut entspannt und weich ist. Geachtet werden sollte auf Veranderungen der Grose des Hodens, auf Schwellungen, Verdickungen und Verhartungen, insbesondere auf solche, die nicht schmerzhaft sind. Auserdem sollte der Hoden auf sichtbare Veranderungen, wie Vergroserungen oder sichtbare knotige Bereiche, inspiziert werden.

Diagnosesicherung

Zeigen sich Auffalligkeiten, so mussen diese beim Urologen abgeklart werden.

Neben Anamnese und korperlicher Untersuchung sind zunachst eine Ultraschalluntersuchung indiziert sowie Labortests mit Bestimmung der Tumormarker.

Wichtigste Tumormarker beim Hodenkrebs sind s-HCG (humanes Choriongonadotropin), ein Hormon, das wahrend der Schwangerschaft in der Plazenta gebildet wird, sowie AFP (Alpha-Fetoprotein), ein Hormon, das sonst nur beim noch ungeborenen Kind vorkommt. Werden die Tumormarker beim Mann nachgewiesen, gilt das als Hinweis auf einen Hodentumor und zugleich einen Anhaltspunkt dafur, ob es sich um ein Seminom oder um ein Nicht-Seminom handelt. Ein dritter Tumormarker ist die LDH (Laktatdehydrogenase). Sie ist beim fortgeschrittenen Tumor erhoht, stellt aber keinen spezifischen Marker fur ein Hodenkarzinom dar.

Allerdings sind die Tumormarker nicht immer positiv, ein negativer Befund darf Arzt und Patient nicht in falscher Sicherheit wiegen. Andererseits erlauben die Tumormarker nicht nur eine Erhartung der Verdachtsdiagnose. Sie konnen auch zur Kontrolle des Therapieverlaufs herangezogen werden und sind vor allem bei der Tumornachsorge von Bedeutung.

Gesichert wird die Diagnose per Computertomographie (CT) und/oder per Kernspintomographie, wenn eine Befunderhebung per CT nicht moglich ist.

Therapie des Hodenkarzinoms

Bestatigt sich die Verdachtsdiagnose Hodenkrebs, so muss der erkrankte Hoden zusammen mit dem Nebenhoden und dem Samenstrang operativ entfernt werden. Noch wahrend der OP kann per Schnellschnitt und histologischer Untersuchung geklart werden, ob der Tumor bosartig ist. Es kann sinnvoll sein, mittels einer Biopsie im Gegenhoden nach TIN-Zellen zu fahnden. Welche Behandlung nach der Orchiektomie anzuschliesen ist, richtet sich nach der Tumorart und dem Tumorstadium.

Unabhangig von der weiteren Behandlung kann Mannern, die unter dem Verlust des Hodens auch kosmetisch leiden, das Einsetzen einer Hodenprothese angeboten werden. Dabei wird ein kleines Silikonkissen, das dem entfernten Hoden in Grose und Form entspricht, in den Hodensack eingesetzt

Therapie des Seminoms

Liegt ein Seminom vor, und gibt es keine Hinweise auf einen Befall der Lymphknoten und auf Metastasen, so kann zunachst eine weitere Behandlung unterbleiben. In etwa 20 Prozent der Falle aber wird es in der Folge aufgrund kleinster nicht sichtbarer Mikrometastasen zu einem Rezidiv kommen, so dass regelmasige Kontrolluntersuchungen bei der der „Wait-and-See-Strategie“ unerlasslich sind.

Soll das Rezidivrisiko nicht in Kauf genommen werden, ist eine anschliesende Radiotherapie im hinteren Bauchraum indiziert sowie eine Chemotherapie auf der Basis von Cisplatin, die aber ambulant moglich ist. Bei beiden Strategien liegen die Heilungschancen bei nahezu 100 Prozent. Sind im hinteren Bauchraum Lymphknotenmetastasen vorhanden, so sollte sich in jedem Fall eine Strahlentherapie anschliesen und bei ausgedehntem Befall und/oder bereits erfolgter Metastasenbildung auch eine Chemotherapie.

Therapie des Nicht-Seminoms

Auch bei Nicht-Seminomen kann nach der Operation ohne weitere Behandlung, aber mit gutem Uberwachungsprogramm, abgewartet werden, ob sich ein Rezidiv entwickelt, wenn keine Hinweise auf Metastasen vorliegen und wenn nicht die Computertomographie vergroserte Lymphknoten im hinteren Bauchbereich zeigt.

Mithilfe von Prognosefaktoren lasst sich im Einzelfall die Rezidivgefahr abschatzen, wobei von einem erhohten Risiko auszugehen ist, wenn bereits eine Tumorinfiltration in die Hodengefase erfolgt ist.

Dann liegt die Wahrscheinlichkeit okkulter Metastasen bei 50 Prozent. Nach Angaben der Deutschen Krebsgesellschaft ist in solchen Fallen eine prophylaktische Entfernung der Lymphknoten im hinteren Bauchraum ratsam. Bei der retroperitonealen Lymphadenektomie handelt es sich allerdings um einen groseren Eingriff mit groser Schnittfuhrung, da die Lymphknoten im hinteren Bauchraum schlecht zuganglich sind. Der Eingriff ist auch bei Residualtumoren nach erfolgter Chemotherapie erforderlich.

Bei einer Gefasinfiltration des Tumors ist auserdem eine Chemotherapie ratsam, die allerdings komplexer ist als bei den Seminomen. Liegen bereits manifeste Metastasen vor, so ist die Chemotherapie verbindlich, wobei sich die Zahl der Zyklen nach dem Ausmas des Lymphknotenbefalls, der Art der befallenen Organe und nach der Hohe der Tumormarker richtet.

Derzeit gepruft wird zudem die Bedeutung einer Hochdosis-Chemotherapie bei Patienten mit weit fortgeschrittenem Hodenkarzinom. Bei dieser Therapie werden die Zytostatika so hoch dosiert, dass das Knochenmark mit zerstort wird. Die Behandlung erfolgt deshalb im Zusammenhang mit einer Stammzelltransplantation. Ihre Bedeutung ist derzeit noch nicht abschliesend zu bewerten.

Hodenkrebs – Sexualität und Zeugungsfähigkeit

Befurchtungen, durch die Therapie werde die Sexualitat und insbesondere die Zeugungsfahigkeit beeintrachtigt, sind in der Mehrzahl der Falle unbegrundet. Da zumeist nur ein Hoden erkrankt und vom zweiten Hoden ausreichende Mengen an Hormonen sowie an Spermien produziert werden, sind entsprechende Komplikationen eher selten. Allerdings kommt es bei etwa 50 Prozent der Patienten mit Hodentumor nach der Operation auch im gesunden Hoden zu einer Einschrankung der Samenbildung. Die Grunde hierfur sind noch unbekannt. Komplikationen, wie eine retrograde Ejakulation, konnen auch auftreten, wenn es bei der retroperitonealen Lymphadenektomie zur Beeintrachtigung von Nervenbahnen kommt. In aller Regel aber bleibt in den fruhen Krankheitsstadien dank nervschonender Operationen und begrenztem OP-Feld die Fahigkeit zum normalen Samenerguss erhalten. Von einer Zeugungsunfahigkeit ist auf jeden Fall auszugehen bei beidseitigem Hodenkrebs, wenn also beide Hoden entfernt werden mussen, was aber nur auserst selten der Fall ist.

Besteht das Risiko, dass moglicherweise die Zeugungsfahigkeit beeintrachtigt wird oder verloren geht, und hat der Mann einen Kinderwunsch, sollte unbedingt die Moglichkeit einer vorsorglichen Samenspende und Kryokonservierung erwogen werden, um im Fall des Falles zu einem spateren Zeitpunkt die Moglichkeit einer kunstlichen Befruchtung zu erhalten. Nach der Entfernung des tumorbefallenen Hodens und vor weiteren Masnahmen, wie etwa einer Radiotherapie, sollte daher anhand einer Spermaprobe die Spermaqualitat uberpruft und bei erkennbaren Einschrankungen eine Kryokonservierung vorgenommen werden.

Allgemeine Prognose

Das Hodenkarzinom gehort zu den am besten behandelbaren Krebserkrankungen. In fruhen Krankheitsstadien lassen sich Angaben der Deutschen Krebsgesellschaft zufolge 90 bis sogar 98 Prozent der Patienten dauerhaft heilen. Ungunstiger ist die Prognose, wenn der Tumor bereits weit fortgeschritten ist oder wenn bereits Metastasen in anderen Organsystemen, wie Lunge, Leber, Gehirn oder dem Skelettsystem aufgetreten sind. Aber auch dann liegen die Heilungsraten noch bei etwa 70 Prozent. Jedoch ist die Behandlung intensiver und mit einem hoheren Nebenwirkungsrisiko verbunden.

Die Autorin der Rubrik „Repetitorium“ist gerne bereit, Fragen zu ihren Beiträgenzu beantwortenChristine VetterMerkenicher Str. 224, 50735 Köln

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