Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
„wer Visionen hat, sollte lieber gleich zum Arzt gehen,“ hat Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt einmal geäußert. Ehe hier Missverständnisse entstehen: Schmidt meinte damit nicht das weite Feld der Gesundheitspolitik mit seinen mal mehr, mal weniger weitreichenden Reformgedanken.
Auch dass der ehemalige Regierungschef im medizinisch-historischen Sinn gar nicht so verkehrt lag, war sicherlich so nicht intendiert. Dennoch ist es einer Betrachtung wert: Tatsächlich war die Vision – als Bestandteil von Träumen – bis zu Zeiten Sigmund Freuds ein Bereich, der sich strikter Trennung der wissenschaftlichen Disziplinen weitestgehend entzog. Was von Hippokrates bis Sigmund Freud zum Reich der Träume zählte, regte zu Theorien über Körper und Seele an, beschäftigte konsekutiv einen Reigen aus Religion, Philosophie und mutmaßenden Naturwissenschaften – inklusive der Medizin. So war es Aufgabe der Medizin, sich mit Träumen – und selbst religiös motivierten Visionen – zu befassen, diese medizinisch zu deuten und zu kategorisieren.
Sicherlich wirkt manches, was die Medizingeschichte hierzu überliefert, aus heutiger Sicht abenteuerlich und abstrus. Dennoch bildet die wissenschaftliche Wegstrecke von den antiken Kulturen bis zum Europa viktorianischer Prägung ein umfassendes Kapitel, auf das die heutigen Erkenntnisse neurologischer, biologischer und medizinischer Art aufsetzen mussten. Von daher ist das Thema, das wir mit der Titelgeschichte dieser zm-Ausgabe zum Jahreswechsel beschreiten, ein ebenso ungewöhnlicher wie unterhaltsamer Exkurs.
Jenseits der medizinisch-psychologischen Warte scheinen Visionen und Träume – im Sinne von Wünschen und Vorstellungen zur Zukunft – in unserer sachlich geprägten Gesellschaft nur noch selten Platz zu finden. Der Ruf nach Visionären wirkt im Zeitalter heutiger Politiker, heißen sie nun Schmidt, Kohl, Schröder oder Merkel, auf den ersten Blick kaum noch zeitgemäß. Richtig so? Vielleicht fehlen unserer Gesellschaft ja auch Visionen.
Denn betrachtet man die Reformwilligkeit unserer Gesellschaft kritisch, neigt man im Bereich des Gesundheitswesens manchmal schon zu einer Modifikation des Schmidt-Zitates: „Wer Visionen – im Sinne von Zukunftsentwürfen – braucht, der sollte zu den (Zahn-)Ärzten gehen.“
Wir zm-ler wünschen Ihnen ein zufrieden stellendes, gesundes und erfolgreiches Jahr 2007.
Mit freundlichem Gruß
Egbert Maibach-Nagelzm-Chefredakteur