Leitartikel

Lohnenswerter Widerstand

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

2007 ist für Deutschlands Gesundheitswesen bei Weitem nicht das erste Jahr, das mit fortlaufenden Reform-Diskussionen „eingeläutet“ wird. Bisher wohl einmalig ist allerdings, dass trotz legislativer Maßnahmen mit strikten Einsparintentionen von der Bundesgesundheitsministerin selbst vorab Beitragserhöhungen für die gesetzlich Krankenversicherten angekündigt werden. Und es ist genau dieselbe Bundesgesundheitsministerin, die im Jahr zuvor noch mit Beitragssatzstabilität in der GKV geworben hat.

Ungewöhnlich ist dieser Gesetzgebungsprozess auch, weil die Legislative mit dem stark kompromissgeprägten Gesetzeswerk selbst in den eigenen Reihen ausgesprochen unzufrieden ist. An dieser Grundhaltung kann auch der politisch gewollte Kunstgriff nichts ändern, dass die geplanten Novellen die ihr jeweils zugrunde liegenden parteipolitischen „Visionen“ Bürgerversicherung und Gesundheitsprämie für den Fall später eindeutigerer Kräfteverhältnisse im Bundestag offen halten.

Geradezu außergewöhnlich ist aber, dass die gesamte Fachwelt – wenn auch aus unterschiedlichen Motiven – einhellig vor den komplementär wirkenden Novellen des Wettbewerbsstärkungsgesetzes (WSG), Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes und Versicherungsvertragsgesetzes warnt. Der seit gut einem Jahr anhaltende breite Protest der Gesundheitsberufe, Krankenversicherungen, die Kritik von Wirtschafts- und Rechtsexperten, aber auch die der Patienten- und Verbraucherverbände müssten eigentlich selbst Blinde sehend machen.

Um so erstaunlicher ist es, dass die Bundesregierung – allen voran Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt und Kanzlerin Angela Merkel – trotz ihrer sachlich ausgesprochen schwachen Position eisern an diesem Kurs festhalten wollen.

Dennoch bleibt ihnen weitere Unruhe nicht erspart: Zum einen sind die Bundesländer mit dem WSG – das verdeutlicht die Vielzahl der Änderungswünsche aus der föderalistischen Flanke dieser Republik – in der gegenwärtigen Fassung keineswegs einverstanden. Zum anderen wiegt die Frage nach den juristischen Bedenken gegen das Vorhaben zunehmend schwerer. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von in ihrer Kompetenz unbezweifelten Verfassungsrechtlern, die vor einer Umsetzung des WSG ausdrücklich warnen.

Hinzu kommt, dass die Regierungsparteien auf diesem Ohr zurzeit äußerst empfindlich sind. Eine weitere öffentliche Schlappe durch ein Veto des Bundespräsidenten möchte, ja kann die rot-schwarze Koalition vielleicht nicht mehr hinnehmen.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht unwahrscheinlich, dass die zur Vernunft mahnenden Stimmen sich durchsetzen und zumindest verfassungsrechtlich sehr empfindliche Teile, wie beispielsweise der PKV-Basistarif, in der Agenda weit nach hinten geschoben werden. Anlass zur Hoffnung?

Zumindest zeigt die aktuelle Entwicklung, dass das durch Widerstand und Aufklärung auf allen Ebenen geprägte Jahr 2006 nicht wirkungslos vergangen ist. Das fortzusetzen, lohnt sich – für unsere Patienten, Praxen und letztlich auch für die Politik Deutschlands.

Wir wünschen Ihnen, Ihren Familien und Ihren Mitarbeitern ein ebenso gesundes wie erfolgreiches Jahr 2007 und uns allen die Kraft, uns weiterhin gegen unzumutbare Belastungen und falsche Weichenstellungen im deutschen Gesundheitswesen mit Erfolg zur Wehr zu setzen.

Dr. Dr. Jürgen Weitkamp,Präsident derBundeszahnärztekammer

Dr. Jürgen Fedderwitz,Vorstandsvorsitzenderder KassenzahnärztlichenBundesvereinigung

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